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Ausgabe Nr. 44/1973

DIE ZEIT

Sicherheits-Risiko

Die innenpolitische Basis des amerikanischen Präsidenten scheint just in dem Augenblick vollends zu zerbröckeln, da die entscheidende weltpolitische Rolle der Vereinigten Staaten im Nahostkonflikt für jedermann sichtbar geworden ist.

Die zwei in einem Jeep?

Die Szene ist verwirrend genug: zwei Weltmächte, die sich mehrmals feierlich auf eine Politik globaler Entspannung festgelegt haben, können nicht den Ausbruch einer gefährlichen Weltkrise verhindern.

Abbau der Illusionen

Die deutsch-polnischen Verhandlungen, die soeben in Warschau zu Ende gegangen sind, waren ein Lehrstück zwischenstaatlicher Verhandlungen für beide Seiten: Beide Partner haben – durch die Realität gezwungen – gelernt, Illusionen, die sie als Bausteine in den gemeinsamen Brückenbau eingebracht hatten, abzutragen, ohne den Brückenschlag dadurch ernsthaft zu gefährden.

Zeitspiegel

Die SPD kann, was das vergangene Jahr angeht, nicht nur auf einen eindrucksvollen Wahlsieg, sondern auch auf einen erheblichen Zuwachs bei ihren Mitgliederzahlen zurückblicken.

Worte der Woche

"Alle, die sich bis heute zu Wort gemeldet haben, ob sie nun Israel oder den Arabern näherstehen, haben stillschweigend ausgedrückt, was man jetzt laut verkündet: Die Abstinenz Europas ist ein Drama.

Chronik der Nixon-Krise

23. März 1973: Richter Sirica veröffentlicht einen Brief McCords, aus dem hervorgeht, daß er zum Schuldbekenntnis gedrängt worden sei und daß hochgestellte Persönlichkeiten in die Affäre verwickelt seien.

Nach dem Waffenstillstand: Israel fürchtet, von den Großmächten um die Kriegserfolge betrogen zu werden : "Wieder mit dem Rücken zur Wand"

Israel war auf den Waffenstillstand, der am 22. Oktober um 18.50 Uhr in Kraft trat, ebensowenig vorbereitet wie auf den Yom-Kippur-Krieg, der am 6.

Vor einem Frieden: die Bereitschaft der Araber, Kompromisse zu schließen, ist begrenzt : Geht Sadat nun der Atem aus?

Allzu groß scheint das Vertrauen der Ägypter in die "felsenfesten" Zusagen des sowjetischen Premiers Kossygin nicht gewesen zu sein, der den ägyptischen Präsidenten Sadat dazu gebracht hatte, einem Waffenstillstand zuzustimmen, weil seine Regierung schon dafür sorgen werde, daß sich Israel hinter die Grenzen des Juni-Krieges 1967 zurückziehen müsse.

Sicherheit um welchen Preis?

Sicherheit ist die Losung der israelischen Politik. Seit Mitte der fünfziger Jahre, als die Aufrüstung der arabischen Nachbarstaaten Ägypten und Syrien mit sowjetischer Hilfe begann, war die Sicherheitspolitik Israels auf drei Bausteine gegründet: auf eigene Verteidigungsbereitschaft mit überlegener militärischer Qualität, auf ein politisches Bündnis mit Amerika und amerikanische Rüstungshilfe, auf freien Zugang zur Außenwelt.

Scheel: "Auf gutem Weg"

"Die Begegnung hat ermutigt. Sie zeigt, daß man auf einem guten Weg ist." Mit diesen Worten kommentierte Außenminister Scheel am Wochenende die Ergebnisse seiner Reise nach Polen – Resultate, die sich mehr in Willensbekundungen als in konkreten Fakten spiegeln.

Koexistenz – List oder Notwendigkeit?

Professor Michael S. Woslenskij, habilitierter Doktor der Geschichtswissenschaften und der Philosophie an der Akademie der Wissenschaften in der UdSSR und in der DDR, hält als Austausch-Professor an der Universität Münster im Herbstsemester Vorlesungen über die Geschichte der Sowjetunion und den dialektischen und historischen Materialismus.

Nordrhein- Westfalen : Wer außer Kühn?

Mit düsterer Miene erwarten führende Sozialdemokraten den nächsten SPD-Landesparteitag am kommenden Wochenende. Denn bei der letzten Zusammenkunft in Münster war ein Stück Solidarität rund um den Ministerpräsidenten und seine Regierung abgebröckelt, nachdem selbst grobe Angriffe auf Kühn und die Parteiführung von der großen Masse der Delegierten schweigend hingenommen wurden.

Watergate-Skandal : Was ist ein "Impeachment"?

Bergers Buch, wissenschaftlich und doch allgemeinverständlich angelegt, füllt nicht nur eine klaffende Marktlücke (es ist das erste umfassende Werk über "Impeachment" in den Vereinigten Staaten), sondern ist übers Wochenende in unvorhergesehener Weise hochaktuell geworden: Die erneute Weigerung Präsident Nixons, die Watergate-Tonbänder herauszugeben, und die Absetzung des Sonderstaatsanwalts Cox könnten die Mehrheit des Repräsentantenhauses doch noch dazu bringen, das Amtsenthebungsverfahren vor dem Senat einzuleiten; dort würde womöglich eine Zweidrittelmehrheit unter Vorsitz des Obersten Richters Burger Präsident Nixon stürzen.

Politik erklären – aber wie? : Vertrautes erstaunlich machen

Man weiß doch längst, wie Politik erklärt werden muß: sei es als „Subsystem“ innerhalb einer umfassenden sozialwissenschaftlichen Systemtheorie, sei es – vor allem – in der Rückführung des Politischen letztlich auf ökonomische Bedingungen und Interessenkonflikte, die im verdeckten oder offenen Klassenkampf ihren Ausdruck finden.

Eine Abfuhr für den Bund

Gegen den bildungspolitischen Willen der Länder richtet der Bund nichts aus. Das wurde wieder ganz deutlich, als vergangene Woche der Bundesrat seine Wünsche zum Hochschulrahmengesetz (HRG) formulierte.

Schallplatte

Die ungemein bunten Plattentütenphotos, die den Kabarettisten von vorn und hinten, mal groß, mal klein vorführen, lassen fälschlicherweise Schlimmes ahnen: Es ist alles ganz anders und viel besser.

Wird der Juso-Theoretiker Rektor? : Streit um Strasser

Ein ordnungsgemäß promovierter Dr. phil. ist er; Professor dagegen – wie er sich titulieren läßt, ohne sich freilich selber so zu nennen – ist der Vierunddreißigjährige mitnichten; und Rektor einer Hochschule wird er zumindest in Berlin niemals werden, obwohl er doch gerade dazu gewählt wurde: So verworren sind die akademischen Umstände des Johano Strasser.

Zeitmosaik

Kann sie noch singen? In dieser skeptischen Frage der "Welt" steckt bereits Hoffnung, denn sie verdrängt die andere, die in den vergangenen Jahren viel öfter gestellt worden ist: Wird sie überhaupt singen? Nun, am vorigen Sonntag ist sie, mit Pudeln (zwei) und Partner (dem Tenor Giuseppe di Stefano) in Hamburg gelandet, wirklich und leibhaftig und ausdrücklich gewillt, hier am Donnerstag ihre immer wieder erwartete, abgesagte, verschobene, aufgegebene, neu verkündete Tournee durch ein paar deutsche Städte und sodann durch die weitere Welt zu beginnen: Maria Callas, durch Gesang und Klatsch der ganzen Welt berühmteste Operndiva.

Kunstkalender

Auftakt der Auktionssaison in der Bundesrepublik. Das Angebot (2200 Katalognummern einschließlich "Antiquitäten") ist nicht gerade sensationell, aber reichhaltig in der Mittellage.

Filmtips

"Die Tage von ’36" von Theo Angelopoulos. "Das große Fressen" von Marco Ferreri. "Tout va bien" von Jean-Luc Godard. "Die amerikanische Nacht" von François Truffaut (siehe Seite 24).

Fernsehen : Folgsame Schöne

Ein venezianischer Kaufmann, der, schon in Jahren, ein Mädchen aus den ersten Kreisen geheiratet hat, entscheidet sich im Kampf zwischen der Liebe zu seiner Frau und der Liebe zu seinen Geschäften für den Kommerz und läßt, da er beim Zuhausebleiben melancholisch zu werden beginnt, die junge Schöne für die Dauer einer Seereise nach Alexandrien allein: wohl wissend, daß er Gefahr läuft, bei der Jagd nach fremdem Gut das Gut im Haus zu verlieren, seine Frau nämlich, ein edles gutes Kind, das den ebenso gewaltsamen wie rechtmäßigen Forderungen der Natur nicht gewachsen sein könnte.

Film: "Die amerikanische Nacht" : Truffauts melancholische Bilanz

Sein eigenes Leben hat Truffaut schon immer am liebsten geschildert, gefiltert und sanft gebrochen durch die Perspektive seines alter ego Antoine Doinel (Jean-Pierre Léaud), dessen Kindheit, Lehr- und Wanderjahre wir in "Sie küßten und sie schlugen ihn" (1959), der Episode "Antoine und Colette" aus "Liebe mit zwanzig" (1962), "Geraubte Küsse" (1968) und "Tisch und Bett" (1970) kennengelernt haben: Beispiele eines sehr persönlichen Kinos, das autobiographische Erfahrung als Spiel- und Ausgangsmaterial benutzt, das eigenes Erleben mühelos in die Formen klassischer Kinogenres zu integrieren versteht, ohne deren Schablonen zu folgen.

Radikalinskis unerwünscht

Der Vergleich drängt sich hier natürlich auf: Die Universitäten sind wie Venedig – überschwemmt, ziemlich antiquiert, ein schöner Luxus, den wir uns so vielleicht nicht mehr lange leisten können, es bröckelt an allen Enden, das Niveau sinkt.

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