Meine Hände waren tief in meinen Hosentaschen vergraben, als ich neben Fionn durch die Straßen schlenderte. Ich war nicht direkt nervös, aber ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte, seit ich wusste, dass er was von mir wollte. Gleichzeitig wollte ich auch nicht, dass ihm auffiel, dass ich irgendwie anders war. „Also, wegen gestern Abend", begann er nach ein paar Minuten einträchtigen Schweigens und ich zucke zusammen. Ich wusste, dass er es früher oder später ansprechen würde, aber ich war davon ausgegangen, dass es noch etwas dauerte. Dementsprechend hatte ich auch gedacht, mich mental noch etwas auf dieses Gespräch vorbereiten zu können.
„Rayk?" Ich hatte offensichtlich keine Reaktion gezeigt, weshalb ich jetzt ein undeutliches „Hm." von mir gab. Er seufzte leise, während wir in den Park einbogen. „Normalerweise halluziniere ich bei Gras nicht und ich meine mich erinnern zu können, dass Kirian dich geküsst hat und du dann abgehauen bist." Er blickte mich nicht an und als ich ihm einen raschen Seitenblick zuwarf, sah ich, dass er seine Kaumuskeln anspannte und nervös durch seine Haare fuhr. „Ja... das stimmt." Mein Kumpel atmete tief durch und schüttelte den Kopf. „Ich find das echt gar nicht okay von ihm, ich mein, er weiß doch, dass du echt der falsche Typ für sowas bist." Ich kannte ihn gut genug, um zu merken, dass sich unter seiner ruhigen Maske ein sehr aufgewühltes Meer befand. Und dass Fionn nicht entspannt und mit sich und allen anderen im Reinen war, kam echt selten vor. Es musste ihm deshalb wirklich wichtig sein. Ja, er ist in dich verliebt, du Idiot. Ich versuchte, den Gedanken zu verdrängen, da ich mir ziemlich sicher war, dass er grade als einer meiner besten Freunde mit mir sprach.
„Und er hat dir deinen ersten Kuss geklaut." Seine Stimme war leise und rau und aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie er seine Hände zu Fäusten ballte. Ich wusste genauso gut wie er, dass es bei der ganzen Geschichte nicht nur im meinen ersten Kuss ging, sondern um das Prinzip, dass Kirian sich einfach nahm, was er brauchte und wollte. Und erst danach nachdachte, was sein Handeln auf die Menschen in seiner Umgebung für Auswirkungen hatte. „Das hast du nicht verdient", fügte er hinzu und mein Brustkorb zog sich zusammen, wobei ich nicht herausfinden konnte, ob es auf eine angenehme oder unangenehme Art war. „Ich hab's mir auch anders vorgestellt", gab ich zu und versuchte, möglichst gleichgültig mit meinen Schultern zu zucken. Dabei war es mir alles andere als egal, ich wollte nur Fionn nicht zusätzlich damit belasten, dass es zwischen seinen besten Freunden irgendwie komisch war, obwohl er selbst seit Jahren damit leben musste, dass ich seine Gefühle nicht erwiderte. Er tat mir mehr leid als ich.
Fionn schnaubte frustriert und fuhr sich wieder durch seine Locken. Sie waren irgendwie lang geworden, aber ich fand, dass es ihm stand. Eigentlich fand ich ihm insgesamt gutaussehend, aber ich hielt alle meine Freunde für hübsch, da ihre Charaktere sie dazu machten. „Er hat einen Filmriss, oder?", versicherte ich mich bei ihm. Er nickte und blieb stehen, als wir an einer Gabelung ankamen. Ein schneller Blickwechsel, schon bogen wir in den Weg ab, der einem mehr wie ein Trampelpfad vorkam. Mit den Jahren war es hier noch mehr zugewachsen, wodurch mir auffiel, wie lange ich nicht hier war. Wir krochen durch die letzten Büsche, dann kamen wir an einem alten verrotteten Steg an dem kleinen Fluss an. Ich wusste noch genau, auf welche Bretter man treten durfte und auf welche lieber nicht. Früher waren wir hier oft, manchmal mit Kirian, aber meistens nur Fionn und ich. Hier hatten wir unser erstes Bier getrunken, unsere ersten Joints und Zigaretten geraucht, uns das erste Mal verewigt und lange Sommerabende genossen. Ich musste lächeln, als ich an die Zeit dachte, wo wir jeden Abend mit Gitarre, Badesachen, Snacks und den unterschiedlichsten Drogen hergekommen waren.
Ich ließ mich nieder und fuhr sanft mit meinen Fingerspitzen über das eingeritzte Rayonn. Wir waren 13 und 15 gewesen und hatten uns unfassbar böse gefühlt, da wir etwas verbotenes gemacht haben, und unfassbar geheim, da niemand wissen konnte, dass es für uns beide stand. Es war einer der Abende gewesen, an dem Kirian bei einer seiner Bettgeschichten gewesen war. Bevor wir die Band gegründet hatten, haben Fionn und ich dadurch, dass er so häufig beschäftigt gewesen war, viel zu zweit gemacht. Ob das die Zeit gewesen war, in der er sich in mich verliebt hatte?
Ein Schatten glitt neben mich und seine Schulter berührte meine. Ich rückte nicht weg. „Wie lange waren wir hier nicht?" Er zuckte mit den Schultern und blickte verträumt aufs Wasser. „Keine Ahnung." „Ich wusste es bis eben nicht, aber ich vermisse es total." Als ich es ausspreche, wird mir bewusst, wie viel Wahrheit in dem Satz steckt. Ich vermisse die entspannten Abende, die Gewissheit, keine wichtigen Termine zu haben und einfach mit seinem besten Freund ins blaue schauen zu können. „Ich auch." Ich höre, dass er seinen Kopf in meine Richtung gewendet hat und folge seinem Blick, welcher ebenfalls auf unserem krakeligen Wort liegt. Wir hatten nur ein kleines, etwas stumpfes Taschenmesser gehabt, welches wir mal bei seinen Großeltern auf dem Dachboden gefunden hatten. Langsam wendete ich meinen Blick wieder zu ihm und stelle fest, dass seine Augen im goldenen Licht der untergehenden Sonne grün glitzern und seine wenigen Sommersprossen auf seiner hellen Haut strahlten. Warum war mit sowas früher nicht aufgefallen?
Er schien zu merken, dass ich ihn anstarrte, denn er erwiderte kurz meinen Blick, zwinkerte mir dann zu und kramte Gras, Papers, Tips und Feuerzeug aus seiner Tickertasche. „Es ist nie zu früh für nen Joint", nuschelte er, da der vorbereiteter Tip bereits zwischen seinen Lippen klemmte. Konzentriert schüttete er das Gras-Kräuter-Gemisch auf das Paper und rollte es dann auf seinem Oberschenkel. Ich musste lächeln, denn der Anblick war gleichzeitig so vertraut und trotzdem sah Fionn immer noch jünger und niedlicher aus, wenn er konzentriert war. Ich wandte meinen Blick ab und beobachtete weiter das Wasser. „Ist ja auch schon vier." Er gab ein zustimmendes Geräusch von sich und dann vernahm ich das Klicken des Feuerzeugs. Kurze Zeit später stieg mir der süßlichen Geruch in die Nase und ich schloss entspannt die Augen.
„Auch n Zug?" Ich öffnete meine Lider wieder und nahm ihm den Joint aus der Hand. Genüßlich zog ich zwei Mal, dann gab ich ihn ihm wieder. „Danke." Im Gegensatz zu Fionn war ich Gelegenheitskiffer. Als ich mit Zigaretten aufgehört habe, hatte ich auch mit dem regelmäßigen Kiffen aufgehört, da ich das Gras immer mit Tabak gemischt hatte. Fionn hatte den Geschmack von Tabak schon immer ekelig gefunden, weshalb er seine Joints schon immer mit Kräutern gemacht hatte.
bin irgendwie nicht so zufrieden mit dem kapitel, aber es wurde irgendwie nicht besser:/