Taehyungs Sicht:
„Wir reiten nun auf das Schoss zu. Genau auf den Vordereingang. Niemand ist hier. Keine Soldaten, keine Wachen. Kein einziger Mensch außer wir.“ flüstert Yoongi hinter mir. Aber auch wenn hier niemand zu sein scheint, kann ich dennoch etwas hören. „Yoongi. Ich höre Schreie.“ flüstere ich noch leiser.
Diese Schreie sind nicht lauter als ein leiser Windhauch. Doch in meine absoluten Dunkelheit, kann ich nur meinen Ohren vertrauen. „Höre nicht hin.“ murmelt er hinter mir und drückt mir eine Hand auf mein linkes Ohr. Mit der anderen Hand muss er scheinbar die Zügel halten.
„Wir müssen um das Schloss herum.“ informiert er mich und das Pferd ändert die Richtung. Es ist viel zu leise. Nach einiger Zeit halten wir an. „Von hier aus müssen wir laufen.“ flüstert er mir wieder zu. Ich werde an der Hüfte angefasst. „Keine Sorge ich bin es.“ meldet sich Prinz Chan und hilft mir von dem Pferd. Yoongi hinter mir, setzt auch ab und legt meine Hand auf seine Schulter.
„Nicht los lassen!“ befiehlt er mir. Schritt um Schritt laufen wir weiter. Vorhin waren noch die Hufe der Pferde zu hören, doch jetzt ist es wirklich still. Es erschreckt mich, dass ich vorhin die Schreie hören könnte, doch jetzt nicht mehr.
„Wieso ist es so still?“ flüstere ich in die Stille hinein. Meine andere Hand wird genommen und auf einer Schulter abgelegt. „Nur zur Vorsicht.“ murmelt Prinz Chan.
Mitten in die Still ist ein Brüllen zu hören. Ein ohrenbetäubendes, animalisches Brüllen. Anschließend kann man wieder menschliche Schreie hören. Mir dreht sich der Magen um. Ich will die Schultern los lassen und meine Hände auf meine Ohren drücken, aber ich werde an beiden Schultern fest gehalten.
„Ich habe gesagt: Nicht los lassen!“ schimpft Yoongi leise mit mir und zieht mich mehr oder weniger weiter. Es kommt wieder eine Phase, da ist es Still. Doch dann kommen wieder dieses Brüllen mit anschließenden Schreien von Menschen.
Es stellen sich mir die Nackenhaare auf, dabei bin ich eigentlich besser dran als alle hier. Alle müssen sie sehen, was dort hinter diesen Mauern passiert, doch ich muss das nicht. Selbst wenn ich meine Augen öffne, kann ich es nicht sehen.
Die Stille wird immer lauter.
Bis sie von dem leisen Krach durchbrochen wird. Wir kommen dem Kampf immer näher.
Mit jedem Schritt kommt ein Geräusch hinzu. Erst höre ich Rufe. Leise rufe. Kann nicht verstehen was sie sagen, doch dann werden sie deutlicher. Sie schreien nach Hilfe. Flehen und jammern. Zu den Schreien kommt das Klirren von Metall, welches auf einander geschlagen wird.
Es kommt das knistern von Feuer hinzu. Das Grollen von Körpern die auf einander treffen.
Dazwischen ist immer wieder das animalische Brüllen zu hören.
Wir biegen um eine Ecke und der leise Krach wird zu einer unendlichen Lautstärke. Der Lärm treibt mir die Tränen in die Augen. Ich kralle mich in das Oberteil meines Begeliters.
„Es tut mir leid, aber du muss los lassen.“ ruft mir der Prinz über den Lärm hinweg zu. Ich versuche meine Finger aus seinem Oberteil zu lösen, doch es fällt mir schwer. Irgendwer hilft mir und löst Vorsichtig meine Finger.
„Wir werden wieder kommen! Das verspreche ich!“ der Prinz ist nah an meinem Ohr und drückt mir seine Lippen auf meine Haare.
Es ist in dieser Situation nicht komisch. Hier wachsen alle Menschen zusammen. Wir helfen einander und das scheint ihm zu helfen.
Ich strecke meine frei gewordene Hand nach vorne aus. „Yoongi!“ flüstere ich und er ergreift meine Hand.
„Wir bleiben hier am Rand. Hier stehen wir niemandem im Weg. Wir schaffen das!“ muntert er nun mich auf. Wir halten uns gegenseitig an einander fest. Doch hin und wieder muss er sich von meiner Hand lösen und wehrt etwas ab. Doch dann ergreift er wieder meine Hand.
Auch müssen wir manchmal etwas ausweichen, was ich nicht sehen kann, doch es läuft soweit alles glatt. Doch in einem Krieg läuft nicht alles glatt.
„Vorsicht!“ schreit Yoongi und ein Krach wie ich es noch nie erlebt habe. Yoongi ergreift meine Hand und zieht mich. Ich stolpere hinter ihm her. Etwas fällt auf uns herab. Meine freie Hand nutze ich um diese über meinen Kopf zu halten.
Plötzlich bleibt Yoongi stehen und ich laufe in ihn hinein. Etwas fällt vor uns auf den Boden. Dann zieht er mich in eine andere Richtung. Doch nun stolpere ich über am Boden liegende Gegenstände. Ich gerate ins straucheln. Yoongi schmeißt sich über mich und dann gibt es einen lauten Rums und ich verliere das Bewusstsein.
Yoongis Sicht:
„Wir reiten nun auf das Schoss zu. Genau auf den Vordereingang. Niemand ist hier. Keine Soldaten, keine Wachen. Kein einziger Mensch außer wir.“ flüstere ich Taehyung zu. Wie gerne ich diesen Kerl doch gewonnen habe. „Yoongi. Ich höre Schreie.“ flüstert er mir zu. Sein Körper zittert. Doch ich kann nichts hören. Die Hufe von den Pferden sind zu laut und doch glaube ich ihm.
„Höre nicht hin.“ rate ich ihm leise und nutze meine linke Hand um sie auf sein Ohr zu legen. Es wird ihm vielleicht nicht helfen die Geräusche zu unterdrücken, aber vielleicht hilft es seinem Gemüt. Zeigt ihm, dass ich da bin.
„Wir müssen um das Schloss herum.“ erzähle ich ihm um ihn ab zu lenken. Ich wende das Pferd und reite in eine andere Richtung. Die meisten Männer und Frauen sitzen jetzt schon ab und binden ihre Pferde an. Doch Taehyung, Prinz Chan und ich reiten einen anderen Weg. Einen längeren Weg. Doch irgendwann ist auch dieser Weg zu Ende und wir müssen auch absitzen. Manche der Soldaten sind uns als Unterstützung gefolgt, doch die Meisten sind den anderen Weg gegangen.
„Von hier aus müssen wir laufen.“ informiere ich den Blinden und helfe Prinz Chan dabei Taehyung vom Pferd zu heben. Anschließend steige ich selbst von dem Pferd. Es wird mir abgenommen und zu den Anderen gebracht.
Ich lege die haltlose Hand des Jungen auf meine Schulter. „Nicht los lassen!“ befehle ich ihm. Er zittert. Er zittert wie Laub im Herbstwind. Auch dem Prinzen, der neben uns ist fällt dies auf.
„Wieso ist es so still?“ will er von uns wissen und die freie Hand verkrampft sich. Der Prinz sieht zu mir und nimmt dann die Hand von Taehyung und legt sich diese auf die Schulter.
„Nur zur Vorsicht.“ murmelt Prinz Chan und man sieht, dass es Taehyung gleich etwas besser geht. Nun können sich beide Hände festhalten und das zittern wir etwas weniger.
Plötzlich ist ein lautes Brüllen zu hören. Danach sind schreie von Menschen zu hören. Wir kommen unserem Ziel näher. Bei den lauten Geräuschen erschrickt Taehyung und lässt unsere Schultern los, doch gleichzeitig halten der Prinz und ich seine Hände fest.
„Ich habe gesagt: Nicht los lassen!“ schimpfe ich leise mit ihm und ziehe ihn hinter mir her.
Die Geräusche werden lauter und zeigt uns, dass wir dem Geschehen immer näher kommen.
Wir kommen immer näher und gehen direkt darauf zu. Die ersten Flammen und verletzten Menschen kommen in Sicht. Ich schaue zu Taehyung. Er hat seine Augen geschlossen, doch selbst wenn er sie öffnen würde, würde er dieses … ja nun das nicht sehen können. Es ist gewissermaßen eine Erleichterung für mich.
Wir kommen auf dem Platz des Gesehen an. Erste trümmerteile liegen vor uns auf dem ehemaligen Rasen.
Ich kann mich noch genau erinnern, wie es hier vorher ausgesehen hat. Mehr grün als rot und mehr leben als tot. Ich stelle mich mit Taehyung an die Hauswand. Hier sollten wir am sichersten sein.
Ich merke, dass Taehyungs Finger sich in mein Oberteil graben. Vermutlich sogar Löcher hinein bohren. Doch mir ist es so lieber, als dass ich ihn hier irgendwo verliere.
„Es tut mir leid, aber du muss los lassen.“ ruft der Prinz über den Lärm hinweg. Er deutet mit seinem Kopf auf die Truppen, die wir gerade erst hergeführt hatten. Ich sehe manche von ihnen schon halb verbrannt auf dem Boden liegen. Ich helfe dem Prinzen Taehyungs Finger von seinem Oberteil zu lösen.
Taehyung verliert einen Teil seines Haltes dadurch. Man sieht es dem blassen Jungen an, dass es einfach zu viel ist. Er kann nicht sehen was auf ihn zu kommt.
„Wir werden wieder kommen! Das verspreche ich!“ verspricht ihm der Prinz, der den Blick von dem Blinden gesehen hat. Er drückt seine Lippen auf die Haare des Jungen. Eine liebevolle Geste, die Trost spenden soll und es hilft Tae sich etwas zu fangen.
Der ängstliche Junge streckt mit seinem neu gewonnenen Mut seine Hand aus. Er flüstert meinen Namen und zeigt mir so, dass ich sie ergreifen soll. Eine Hand hat er an meiner Schulter und eine in meiner Hand.
Ich schaue mich nach den Soldaten um. Zwei stehen noch hinter uns. Sind zu unserem Schutz hier abgestellt. Ich strecke meine freie Hand aus und gebe zu verstehen, dass ich eine Waffe brauche. Diese wird mir auch sogleich gereicht. Der Soldat muss aber nun wieder zurück laufen, da er selbst keine mehr bei sich trägt.
Vermutlich rettet diese Tat sogar sein leben....
„Wir bleiben hier am Rand. Hier stehen wir niemandem im Weg. Wir schaffen das!“ muntert ich nun Taehyung auf. Ich drücke seine Hand etwas. Ich habe angst diese los zu lassen. Diese Hand, die ich da fest halte. An dieser Hand hängen drei Leben. An dieser Hand ist das Leben von Taehyung befestigt, das Leben von Jimin und das Leben von Jungkook. Aber nicht nur das. An dieser Hand hängt die Hoffnung dieses Landes. All das geschieht nur, damit es wieder Frieden und Ordnung und Gerechtigkeit in unserem Land gibt. Stirbt diese Hand so sterben wir alle. Wir halten uns gegenseitig und an einander fest. Doch leider muss ich hin und wieder genau diese Hand los lassen. Der Wachmann ist tot. Ein Angreifer hat ihn erwischt. Nun sind Taehyung und ich auf uns gestellt. Ich kann kaum etwas sehen. Die Augen sind von dem ganzen Rauch gerötet und schmerzen. Die Flammen sind zu grell und man sieht kaum noch, wer lebt und wer schon tot ist.
Ich wehre die Angriffe ab. Ich habe Glück. Im richtigen Moment kann ich Taehyung los lassen und den Schwerthieb abwehren. Es scheint als hätten wir wirklich eine Glückssträne. Wenn der Gegner besiegt ist, nehme ich wieder Taehyungs Hand und drücke sie. Ich überprüfe so, ob er noch da ist.
Doch alles Glück hat einmal ein Ende. „Vorsicht!“ schreie ich und schiebe mich und Taehyung zur Seite. Jimin, der organgene Drache, ist über unseren Köpfen in das Schloss gekracht. Steine und Baumaterial fällt auf uns herab.
Ich zerre den Blinden Jungen hinter mir her. Ich ziehe ihn zur Seite und drücke ihn hin und her. Immer in der Hoffnung, dass wir hier heile wieder heraus kommen. Doch uns wurde durch Feuer der Weg abgeschnürt. Wir kommen nicht weg.
Ein riesiger Brocken fällt genau vor uns auf den Boden und ich bleibe einfach stehen. Taehyung rennt in mich hinein, doch das macht mir nichts aus.
Doch die Gefahr ist noch nicht vorbei. Immer mehr Steine und Brocken fallen auf uns herab. Mich treffen kleine Steine an Wange und Armen. Ich kann noch schlechter sehen, da noch zusätzlich Staub aufgewirbelt wird. Ich zerre Taehyung wieder in die andere Richtung. Doch er kommt ins Stolpern und wir kommen nicht schnell genug von dem Platz weg. Ich sehe einen großen Stein auf uns herunter fallen.
Ich reagiere einfach, als dass ich nachdenken könnte. Ich schmeiße mich auf Taehyung und bedecke seinen Körper mit meinem. Etwas landet auf uns und es gibt ein grässliches Knacken. Dann ist alles schwarz.
Jungkooks Sicht:
Ich stehe oben auf dem Balkon. Meinem Vater und dem Vater von Jimin gegenüber. Professor Choi ist hinter mir her gekommen. Er hat es nicht geschafft den Jungen zu ermorden. Es hatte keinen Nutzen mehr.
Wäre ich stehen geblieben und hätte gebettelt, dass er den Jungen nicht umbringt, so wäre es etwas anderes gewesen. Dann hätte der Tod des Jungen einen Nutzen gehabt.
Doch nun stehe ich hier. Auf dem Balkon. Zu meinen Füßen befindet sich das Schlachtfeld. Ich kann keine Gesichter sehen. Dazu sind sie zu klein. Doch ich sehe Menschen, die um ihr leben rennen. Menschen, die mit einander und gegen einander kämpfen. Ich sehe Flammen, die sich mehr und mehr durch die Menschen frisst.
Ich sehe tot und verderben.
Mein Blick geht etwas weiter höher. Zwei Drachen kann ich sehen. Einen Schwarzen. Die Drachenfrau, die mir ihr Drachenei anvertraut hat. Sie hat das Feuer auf Erden zu verschulden und doch kann ich es ihr nicht verübeln. Ihr leben wird bedroht und sie versucht es nur zu verteidigen. Ich sehe Jimin. Der orangene Drache. Es ist das erste Mal, dass ich ihn ohne irgendwelche Fieberträume sehe. Seinen Majestätischen Körper, wie er schwerelos durch die Lüfte gleitet.
Und doch wird dieser Ausblick getrübt. Mutter und Sohn bieten sich einen erbitterten Kampf. Keiner schenkt dem Anderen etwas.
Ich habe immer gedacht, dass Familie für Drachen alles wäre. Das sie dazu veranlagt sind, immer ihre Familie zuerst kommen zu lassen. Daher stehen auch die Kinder der Drachendame im Raum vor dem Balkon. Sie hat sie nicht weg geschickt und sie sind auch nicht gegangen, weil sie Familienwesen sind.
Doch das Bild, welches sich mir bietet, zeigt dies nun weniger.
Mein Aufmerksamkeit wird jedoch von den Drachen gezogen.
„Sohn! Wie erfreut ich doch bin dich hier lebendig zu sehen.“ säuselt mein Vater. Seine Hand hält ein Messer an die Kehle des Drachenvaters. Ich kann Blut sehen, welches sich an einer Wunde am Hals bildet.
Ich weiß nicht welche Schiene ich fahren soll. Soll ich Mitspielen und der alte Jungkook sein, oder soll ich versuchen mit meinem Vater zu reden?
Die Frage klingt schon beim stellen Lächerlich. Als ob man mit meinem Vater reden könnte....
Ich wende meinen Blick wieder zu den Drachen. „Es scheint als würde euer Verlieren.“ meine Stimme ist kühl und arrogant. Der kleine Junge auf dem Arm des Professors wimmert. Es ist nicht das erste Mal, dass ich dieses Geräusch von ihm höre, doch es zeigt mir, dass meine Stimme so kalt klingt, wie ich es erhofft hatte.