Dienstag, 10. Oktober
Die letzte Woche ist nicht wirklich etwas Großartiges passiert. Can und ich haben uns ignoriert, was auch gut ist. Ich muss mich auf meine Prüfungen vorbereiten und habe eine Zeit, mich auf sowas einzulassen. Soll er machen, was er will. Ein Tag, nachdem Can und ich uns gezofft haben, hat Can das Hotel Catalonia Atenas vorgeschlagen und uns eines dazu berichtet. Er hat ein wirklich gutes Hotel ausgesucht, weswegen alle dafür waren. Ich schreibe den letzten Satz meiner Pädagogikprüfung zu Ende und gebe sie vorne ab. Pädagogik ist ein sehr einfaches Fach, somit sind mir viele Punkte sicher. Ich verlasse den Raum und sehe Cihan mit Elif reden? Oh Gott, wie billig! Okay, sie reden nur, aber ich hasse die beiden einfach. Ich laufe mit gestrafften Schultern an beiden vorbei und beachte sie nicht, bis Cihan mich ruft. Der hat mir noch gefehlt. "Shana, hast du mitbekommen, dass ich mithelfe?", fragt er mich und leckt sich über die Unterlippe. Ekelhafter Hund. "Jap", gebe ich desinteressiert von mir und schaue ihn nicht an. "Kennst du schon Elif?" Ich ziehe arrogant die Augenbraue hoch und schaue zum Ausgang. "Leider", gebe ich süffisant von mir und laufe einfach weg, sehe aber Can etwas weiter weg vor mir stehen und verdrehe die Augen. Ich habe keine Lust auf drei nervige Menschen. Aber das könnte interessant werden. Can läuft mit einem provokantem Blick in einer souveränen Haltung an mir vorbei und stellt sich zu Cihan und Elif. Die kloppen sich doch nicht jetzt oder? Hoffentlich. "Ich warte auf dich", sagt Can zu Elif und beachtet Cihan kein bisschen. "Ouh. Ich habe die Zeit aus den Augen verloren", murmelt sie mit einer unschuldigen Stimme. Dummes Mädchen. "Das ist Cihan. Er ist in meinem Mathe-LK." Can weiß, wer das ist, du Dummheit. "Das ist mir egal. Wir treffen uns dann heute und fahren dann los, okay?" Seine Stimme trieft nur so vor Provokation. Er weiß, dass es Cihan gegen den Strich geht, dass er etwas mit seinen Weibern zu tun hat. Er will wieder zurücklaufen. Damit es nicht so aussieht, als hätte ich zugehört, laufe ich so schnell wie möglich aus dem Flur und gehe die Treppen schnell runter. "Ich weiß, dass du zugehört hast." Verdammt! Ich tue so, als ob ich nichts gehört hätte und laufe weiter seelenruhig die Treppen runter. "Ich weiß, dass du mich hörst, Shana." Ich bleibe auf der Treppe stehen und hole mein Handy raus, um beschäftigt auszusehen. "Hat da jemand gesprochen?", frage ich nach einer kurzen Stille und schaue hochkonzentriert auf mein Handy. "Ja, ich", raunt mir Can plötzlich in mein Ohr, was mich aufschreien lässt. Ich drehe mich schnaubend um und sehe in seine belustigten, gelben Augen, bevor ich wieder kehrt mache und runter laufe. Der Schulhof ist komplett leer, da wir eigentlich Unterricht hätten, aber da ich drei Stunden lang Zeit hatte, meine Klausur zu schreiben und mir die Pause geraubt wurde, darf ich diese Nachholen. "Wohin so eilig?", ruft mir Can hinterher. "Musst du nicht zu irgendeinem Unterricht?", frage ich desinteressiert und lasse mich auf der Metallbank nieder. "Hab grad eine Klausur geschrieben und darf Pause machen." Na toll! "Wieso bist du nicht bei deiner Elif geblieben?", frage ich provokant und hole ein Oreotütchen raus, halte es ihm hin, worauf er sich einen Keks rausnimmt und anfängt zu reden. Dieser Junge ist echt groß. Da ich weder in sein Gesicht, noch auf seinen Beckenbereich schauen will, drehe ich ihm den Rücken zu, was dazu führt, dass er sich auf den Platz gegenüber hinsetzt. Trotzdem schaue ich ihn nicht an, pff. "Weil ich sie nicht mit Cihan stören wollte", gibt er gespielt unschuldig zurück und isst den Keks zu Ende, weswegen ich ihm wieder mein Tütchen hinhalte. Er nimmt sich wieder einen Keks raus, was ich ihm nachtue und schmeiße die Silberfolie unbedeutsam auf den Boden. "Verträgst du das überhaupt?", fragt er, worauf ich mit der Zunge schnalze. "Wieso isst du es dann?" "Weil ich es will", lautet meine plausible Antwort. "Du gehst also heute mit ihr aus?", frage ich und zwinge mich, nicht meine Augen zu verdrehen. "So sieht's aus", antwortet er daraufhin. "Du hast also ein neues Auto?" Ich will nicht, dass Elif die Erste ist, die in seinem neuen Auto sitzt. Das stört mich. Ich muss die Erste sein und nicht diese Elif. "Nein, ich hab keins gefunden." Zum Glück. "Wie fährst du dann mit Elif weg?", frage ich mit zusammengezogenen Brauen. "Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, Shana. Das sind Busse, Züge, die Bahn", erklärt er nun sarkastisch. "Busse, Züge, die Bahn", mache ich ihm nach und höre ihn dann leise lachen. Wieso braucht Saliha so lange zum Schreiben? Wo sind seine Freunde? Er nervt mich! Ich will ihn mit Eiern abwerfen, diesen verblödeten Riesen!
"Ich will Beweise", erinnere ich ihn und verschränke meine Arme mit einem kühlen Blick vor meiner Brust. "Kriegst du. Nimm mich auf Snapchat an, da wirst du Beweise sehen", sagt Can. "Du kannst mir die Bilder auch einfach per WhatsApp schicken", sage ich verwirrt und schaue einmal aus Versehen in seine Augen, wende aber schnell wieder meinen Blick ab. Hässliches Gesicht, aber schöne Augen. "Das wäre zu auffällig. Elif hat mich auf Snapchat und wenn ich Bilder machen würde und sie dann nicht in meiner Geschichte sind, würde sie ihr das Ganze etwas komisch vorkommen", erklärt er mir, woraufhin ich mürrisch mein Handy raushole und ihn annehme. "Und wohin soll's gehen?", frage ich und fahre mir durch meine Haare, bevor ich anfange mit meiner Locke zu spielen. "Nach Dortmund, Pan Pizza." "Die haben da eine gute Knoblauchsoße. Hoffentlich hat sie danach so starken Mundgeruch, wie das Mädchen bei Ramazan", blaffe ich zynisch und höre Can im nächsten Moment lachen. "Ich werde sie nicht küssen. Es soll langsam angehen, damit sie denkt, dass es zu etwas Ernstem wird. Und wer weiß, vielleicht ist sie ja die, die du hervorprophezeit hast." Er erinnert sich noch daran? "Wie meinst du das?", frage ich und schaue ihn an. Ich habe mir mühe gegeben, nicht erstaunt zu klingen. "Du meintest doch einmal, dass mir noch nie eine richtige Frau im Leben begegnet ist." Ich nicke. "Und einmal, das war auf der Klassenfahrt, da meintest du, dass irgendwann die Zeit kommt, in der ich mich verlieben werde. Wer weiß? Vielleicht ist Elif ja die Eine." Ich bin positiv überrascht. Aber Elif wird nicht die Eine sein! Es gibt bessere. Es gibt mich! Aber ich bin zu gut für ihn. "Daran erinnerst du dich noch?", murmele ich und schaue auf den Tisch. "Ja, das tue ich." Nun schaue ich mit einem skeptischen Blick zu ihm, was Verwirrung in seine Augen ruft. "Du würdest niemals um Elif weinen. Das bildest du dir nur ein. Sie ist nicht die Richtige", gebe ich felsenfest überzeugt von mir. Elif ist doch gar nicht sein Geschmack. Er zieht verblüfft die Augenbrauen hoch und lehnt sich nach vorne, sodass mir sein toller Duft in die Nase steigt. "Was macht dich da so sicher?", fragt er schmunzelnd. "Ich weiß es einfach. Sie ist nichts Besonderes", sage ich in einem überheblichen Ton. "Also ich sehe keinen Unterschied zwischen euch beiden", sagt er verschmitzt lächelnd, was mich empört nach Luft schnappen lässt. "Nimm das zurück! Ich bin ganz sicherlich nicht sowie sie!", meckere ich und zeige mit dem Finger auf ihn. "Dann nenn mir die Unterschiede", fordert er belustigt. "Ich bin lustig, nett, schlau, außerdem bin ich gut aussehend", lege ich die Fakten auf den Tisch. "Ziemlich selbstverliebt, findest du nicht?", sagt er nun und zieht amüsiert die Augenbrauen hoch. "Selbstliebe ist gesund. Ich bin halt selbstbewusst und stehe zu dem, was ich bin", summe ich und verschränke mit einem selbstsicheren Blick meine Arme vor meiner Brust. "Nicht schlecht, aber ich hätte da eine Frage: Wo bist du gut aussehend?", fragt er und lächelt kokett. Ich öffne mit hochgezogenen Augenbrauen den Mund. "Ähm, hier." Dabei zeige ich auf meinen Körper. "Hier." Nun zeige ich auf meine Haare. "Und vor allem hier", sage ich mit einem süffisanten Blick und zeige auf mein Gesicht. Sein linker Mundwinkel hebt sich, worauf der rechte Mundwinkel folgt. "Das ist glaube ich Geschmackssache", sagt er. "Jeder, der einen sehr, sehr, sehr guten Geschmack hat, ist meiner Meinung. Diejenigen, die anderer Meinung sind, sind sehr dumm oder möglicherweise blind", gebe ich selbstbewusst von mir. Mich überrascht es, dass wir seit dem letzten Streit jetzt so normal miteinander reden. "Ich hoffe deine Frage ist damit beantwortet", sage ich besserwisserisch. "Nein, ist sie nicht." "Doch, ist sie", widerspreche ich, weswegen er kurz auflacht. "Siehst du? Ich bin witzig. Ich frage mich, wo die ganzen Heiratsanträge sind." Ich mache ein grübelndes Gesicht und schaue dann in Cans Augen. Diese Augen sind verdammt schön. "Bei deinem Temperament und deiner Sturheit werden sie alle wegrennen." "Gar nicht", murre ich beleidigt. "Du bist nicht besser!", füge ich hinzu und mache mit der Zunge ein kurzes Pupsgeräusch. "Doch, bin ich", sagt er, was ich sofort verneine. "Du bist stur, rabiat, egozentrisch-,", zähle ich auf und werde von Can unterbrochen. "Du bist genauso." "Nein, bin ich nicht und vor allem nicht rabiat!" "Natürlich kannst du brutal und rücksichtslos sein. Erinnerst du dich nicht mehr an die Sache mit Aleyna?", sagt er und schmunzelt leicht. "Na und?", murmele ich mürrisch. "Du bist trotzdem egozentrisch." "Und was war das für ein Auftreten von dir gerade?" Ich schürze die Lippen. "Na und?", gebe ich murmelnd von mir. "Rieche ich da etwa Sturheit?", neckt er mich. Das Einzige, was du vielleicht riechst ist deinen wunderbar herben Duft. "Ich bin nicht verpflichtet mit dir zu reden", sage ich in einem eitlen Ton und erhebe mich, als ich Saliha und Malik sehe. Der Junge hat mir einfach die Wörter im Mund verdreht!
"Habt ihr euch wieder vertragen?", fragt Saliha und wackelt mit ihren Augenbrauen. "Nein." Wir haben uns eigentlich nie wirklich versöhnt. Wir haben einfach wieder angefangen zu reden. Wir beide wären zu stur und zu stolz, um sich zu entschuldigen. "Ich habe aus dem Fenster gesehen, wie du und Can geredet habt", kommt es plötzlich von Viyan, die sich von hinten angeschlichen hat. "Wegen euch konnte ich mich fast nicht mehr auf die Klausur konzentrieren." Hat uns jeder heute im Visier oder was? Nach der Pause laufen wir zum Spanisch Raum, wo wir dann unsere Klausuren wiederbekommen. "Wie viele Punkte hast du?", fragt mich Viyan. "Fünfzehn und du?" "Zwölf", sagt sie und nimmt meine Klausur in die Hand. "Oh mein Gott! Ich hatte das auch, hab es dann aber weggemacht!", meckert sie und verdreht genervt seufzend ihre Augen. Ramazan kommt mit einem Gang, der an ein Topmodel erinnert, auf uns zu, schmeißt seine Klausur vor mir auf den Tisch und streckt dann seinen Hintern aus, bevor er sich mit ihm auf den Tisch setzt. "Vierzehn Punkte", sagt er angeberisch und nimmt dann meine Klausur in die Hand, bevor er schnaubt. "Ich habe auch fünfzehn Punkte, habe mich nur versprochen", murrt er dann und läuft mit seiner Prüfung zurück, was mich lachen lässt. Unser neues Thema ist die spanisch, lateinamerikanische Kultur, weswegen unsere Spanischlehrerin, die übrigens aus Argentinien kommt, ganz viel erzählt. Durch ihre ganzen Erzählungen bekomme ich immer mehr Lust auf die Abschlussfahrt und stelle mir vor, wie wir am Strand liegen. Can oben ohne, hehe.
Ich verlasse nach dem Kunstunterricht das Gebäude und sehe, wie Elif vor dem Tor wartet. Was steht sie da so blöd? Allein ihre Anwesenheit nervt mich. Gott, das Mädchen sieht so verdammt nervig aus, das ist doch nicht mehr normal. Wie kann man so dumm und nervig aussehen? Warum wartet sie auf Can? Soll sie etwas anderes machen. Sie nervt!Hoffentlich geht es schief! Ich laufe selbstsicher an ihr vorbei und höre dann, dass sie schnaubt. "Can wird mir gehören." Ich öffne empört den Mund und fange dann an zu lachen. Das ist doch nicht ihr Ernst. "Viel Spaß", sage ich amüsiert über die Tatsache, dass sie keine Ahnung hat, dass Can und ich eine Wette am Laufen haben. Du wirst heulen, Mädchen. Wie lustig es ist, dass sie so selbstsicher ist.
Das wird ein interessantes Jahr.