Am nächsten Morgen wache ich mit dicken Augen auf. Auch mein Gesicht ist ganz angeschwollen. Ich habe großes Glück, dass heute Samstag ist und ich nicht in die Schule muss. Wobei ich in diesem Zustand sowieso niemals in die Schule gegangen wäre.
Es reicht, dass sie sowieso schon über mich reden. Ich brauche nicht auch noch ihre neuen Spekulationen, wenn sie mich in diesem Zustand sehen würden.
Ich habe mir gestern Abend noch einige Male die Sprachnachricht von Diana angehört, doch ich habe ihr nichts darauf geantwortet. Was hätte ich auch schreiben sollen? Ein Danke, dass war dann wohl meine eigene Dummheit, hätte die Situation nicht wirklich erträglicher für mich gemacht.
Bei der Erinnerung an gestern werde ich wieder wütend.
Sehr wütend.
So wütend, dass ich mich dazu entschließe, mich fertig zu machen und das Haus zu verlassen, bevor Liam oder meine Mutter noch die Chance haben, mich so zu sehen. Es ist noch ziemlich früh, weswegen ich nicht weiß, wo ich hin soll.
Nach einigen Minuten des Überlegen entscheide ich mich dafür, zu Alma zu gehen. Es ist zwar riskant, da Ryle direkt gegenüber wohnt, doch ich bezweifle, dass er so früh schon wach ist, nachdem er gestern noch so lange auf der Feier war.
Alma ist gerade die Einzige, mit der ich sprechen möchte. Ich brauche ihren Rat und ihre aufbauenden Worte. Wir hätten uns sowieso heute getroffen, so war zumindest der Plan, und da ich weiß, dass Alma ein Frühaufsteher ist, bin ich mir so gut wie sicher, dass sie schon in der Küche sitzt und sich die aktuelle Zeitung durchliest.
Bei dem Gedanken muss ich lächeln.
Ich habe Alma so vermisst.
Meine Schritte beschleunigen sich, als ich einpaar Minuten später bei ihrer Straße ankomme und nicht nur ihr Haus in meinen Sichtwinkel fällt, sondern auch das von Ryle. Ich werde leicht panisch, selbst dann noch, als ich Alma's Veranda hochlaufe, kann ich nicht aufhören, mich immer wieder umzusehen.
Doch Ryle scheint sowieso nicht Zuhause zu sein, da nichtmal sein Auto in seiner Einfahrt steht.
Als ich klingle und Alma mich einige Sekunden später herzlich empfängt und ich in ihr vertrautes Haus trete, atme ich erleichtert aus und die Hälfte meiner Anspannung fällt wie eine schwere Last von meinen Schultern.
Ich bin ganz außer Atem, als sie mich in eine Umarmung zieht und dann Richtung Küche dirigiert.
»Was machst du denn so früh hier? Ich hab noch gar nicht angefangen, den Kuchen zu backen!«, sagt Alma mit einem Lächeln auf den Lippen. Sie setzt sich, aber nicht, bevor sie mir eine heiße Tasse Schokolade hinstellt.
Ich fasse sofort nach dieser und umschließe sie mit meinen Fingern, die durch die Angst und Panik ganz kalt geworden sind.
Ich schmunzle. »Ich hab dich ganz einfach vermisst und war heute schon so früh wach, da dachte ich, dass ich direkt rüberkommen kann«, beginne ich, doch halte inne, als ich merke, dass sich das alles ein bisschen lächerlich anhört, »Und... und ich brauchte jemanden zum reden.«
Alma ist sofort hellhörig und mustert mich aufmerksam. »Was ist denn los, Kind? Mir ist sofort aufgefallen, dass was ist. Du siehst aus, als hättest du die ganze Nacht nicht geschlafen. Ist was vorgefallen?«
Ich lächle, doch das Lächeln verwandelt sich in etwas verzweifeltes, als ich plötzlich zu weinen beginne. Mein Körper bebt, als würde ein Erdbeben in mir wüten und ich schäme mich so sehr, dass ich zu lachen anfange.
Ehe ich mich versehe, hat Alma über den Tisch hinweg nach meinen Händen gegriffen, welches sie fest umfasst. Tatsächlich hilft es unheimlich, da ich ihren Trost und Beistand spüre und ich fühle mich weniger Elend und allein.
»Oh Gott, kleines, was ist denn passiert?«, hakt Alma vorsichtig nach und als ich ihr im ersten Moment nicht antworten kann, verändern sich ihre Gesichtszüge, »Ryle, stimmt's?«
Ich schaffe es noch immer nicht, meine Stimme zu finden, weswegen ich einfach nur schniefend nicke.
»Was hat er denn getan? Habt ihr euch gestritten?«, fragt Alma und ich schaffe es nun endlich, meine Stimme zu finden.
Ich räuspere mich. »Nein, dass ist ja genau das Problem. Wir haben überhaupt nicht gesprochen. Ryle hatte mich Wochen lang ignoriert und dann als ich ihn nach langem wieder gesehen habe, hat er mir nichts erklärt, sondern mich einfach mit all meinen offenen Fragen stehen gelassen!« Zum Ende hin wird meine Stimme wieder lauter, da ich wieder die selbe Verzweiflung spüre, wie gestern, »Und dann hab ich später eine Sprachnachricht von Diana bekommen, in der ich gehört habe, wie Ryle zu irgendeinem Kerl meinte, dass zwischen mir und ihm nichts ist und auch nie was sein wird...«
Alma sieht mich total verwirrt und auch schockiert an. Einige Sekunden bleibt es still zwischen uns, das Einzige, was in stetigen Abständen zu hören ist, ist mein Schluchzen.
Ein erbärmliches Schluchzen.
»Ich weiß nicht wieso, aber es tut so weh und ich bin so wütend auf mich, weil Ryle mir nun schon so viel bedeutet und so mit meinen Gefühlen spielen konnte«, wispere ich total kraftlos.
»Aber... aber das passt gar nicht zu Ryle. Er ist ein anständiger junger Mann«, entgegnet Alma, die anscheinend auch nicht schlau aus dem Ganzen wird.
»Das dachte ich auch immer. Aber anscheinend habe ich mich in ihm getäuscht.« Ich halte für einen Atemzug inne, und füge dann hinzu: »Wer weiß, vielleicht ist er ja anständig und gutherzig, aber eben nur zu den Personen, die ihm was bedeuten. Ich gehöre da scheinbar einfach nicht dazu...«
»Sag sowas nicht, Alana. Ich habe Ryle und dich zusammen gesehen. Ich habe noch nie so ein Glitzern in den Augen von Ryle gesehen. Er hat dich angeschaut, wie mein Mann und ich uns in unseren jungen Jahren angesehen haben. Das ist die große Liebe, dass kannst du mir glauben.«
Ich sehe Alma mit großen Augen an und schon wieder ist mir nur zum weinen zumute. Doch anstatt dies zu tun, löse ich nur eine Hand aus ihrer und streiche mir über die nassen Wangen. »Aber gerade wenn er mich so angeschaut hat, frage ich mich, wie er das nur tun konnte? Schließlich habe ich ihm nichts angetan. Bei unserem letzten Treffen war noch alles gut und gestern war er plötzlich so komisch drauf...« Meine Stimme bricht, da es sehr schwer ist, darüber zu sprechen.
Die Wunde in meinem Herzen ist noch genauso frisch wie gestern.
»Ich weiß es wirklich nicht. Aber der arme Junge musste schon viel in seinem Leben durchmachen. Er ist wirklich sehr beschützerisch und sorgt sich um die Menschen, die ihm etwas bedeuten«, erklärt Alma und ich stimme ihr zu, denn es stimmt.
Ryle sorgt sich um die Menschen, die er liebt. Er sorgt sich um Alma. So rührend, dass es mir schon beim ersten Mal ansehen den Atem verschlagen hat. Genauso sorgt er sich auch um seine Schwester. Ich habe ihn für sie weinen sehen und er hat alles versucht, um ihr zu helfen. Selbst um Diana hat er sich gesorgt, da er es nicht einfach übers Herz gebracht hat, mit ihr Schluss zu machen.
Er musste schon viel im Leben durchmachen...
Verwirrt sehe ich zu Alma. Ihre Worte gehen mir einige Male durch den Kopf. Weiß sie etwa von seiner Schwester?
»Was meinst du damit? Was musste er alles durchmachen?«, frage ich dann, da ich meine Neugier nicht zurückhalten kann. Wer weiß, vielleicht hat Alma das auch einfach nur so dahin gesagt, schließlich muss jeder mit etwas in seinem Leben kämpfen, aber irgendwie kommt es mir so vor, als stecke mehr dahinter.
Alma erwidert meinen Blick und wirkt plötzlich ganz niedergeschlagen und traurig. Sie schwelgt in Erinnerungen.
»Du weißt ja, dass Ryle alleine in dem Haus lebt. Er musste schon sehr früh ausziehen, seine Eltern haben ihn und seine Schwester rausgeschmissen. Ich weiß, leider gibt es zu viele Kinder, die sowas erleiden müssen, doch Ryle tat mir immer so leid, da er so viel Verantwortung in jungen Jahren übernehmen musste. Er war gerade einmal achtzehn und musste von einem Tag auf den anderen auf sich und seine kleine Schwester aufpassen. Das ist alles andere als leicht...«
Ich höre Alma gebannt zu und je mehr sie spricht, umso mehr beginnen meine Augen zu brennen. Denn mein Herz fühlt sich auch nach allem was war sehr verbunden mit dem von Ryle. Deshalb tut es auch sehr weh, sowas zu hören.
Ich habe schon immer gespürt, dass er eine gewisse Last zu tragen hat. Und doch wirkte er immer so stabil, gefasst und handelte so durchdacht.
»Und doch hat er es geschafft, so viel aus seinem Leben zu machen. Ganz alleine«, führt Alma fort und hält kurz inne. Ihre Lippen formen sich zu einem Lächeln, dieses fällt aber nach kurzer Zeit wieder in sich zusammen, »Dann kam da dieser Mistkerl, der Freund seiner Schwester. Gott, du weißt gar nicht, was für einen Stress er Ryle gebracht hat...«
Ich runzle die Stirn. »Du kennst die Geschichte?«
»Ja, leider kennt sie jeder in der Nachbarschaft. Es ist viel passiert, Ryle und er sind sich öfters an den Kragen gegangen. Ich weiß wirklich nicht, was Selina an ihm findet.«
Seine Schwester heißt also Selina.
»Das er das alles durchmachen musste, tut mir wirklich im Herzen weh. Aber das erklärt noch lange nicht, wieso er mir sowas antut«, sage ich nach einiger Zeit des Schweigens.
Alma nickt. »Das sage ich auch nicht. Ich weiß nicht genau, was da zwischen euch vorgefallen ist, aber eines ist klar: Ihr müsst miteinander reden. Du bist Ryle ganz sicher nicht egal. Das alles hat bestimmt seine Gründe.«
Nun bin ich an der Reihe, zu nicken.
Ich hatte sowieso vor, Ryle zur Rede zu stellen. Nicht um ihn hinterher zu heulen oder ihn verzweifelt zurückzuwollen, sondern ganz einfach, weil ich wissen will, was ich getan habe und weil ich ihm klarmachen will, dass er mich verletzt hat und ich das nicht verdient habe.
Ich will eine Erklärung.
Vorher werde ich nicht locker lassen.
A/N:
Da ist das Kapitel nicht überarbeitet habe, weiß ich um ehrlich zu sein nicht genau, ob es viele Rechtschreibfehler beinhaltet. Wenn dem der Fall ist, dann tut es mir echt leid 😂❤️👀
Was sagt ihr?
Findet ihr, Alana sollte auf Ryle zugehen?
Wir lesen uns hoffentlich bald wieder,
xoxo