Die letzten Vorbereitungen standen an und so wurde ein Termin nach dem anderen gemacht. Morgens sollte Georgia vorbeikommen und wir würden das Kleid besprechen und anprobieren, allenfalls noch anpassen, während sie nachmittags mit mir die Schmukoptionen durchgehen sollte.
So stand ich pünktlich um 8 Uhr in einem Bademantel, worunter ich Unterwäsche trug, in einem Zimmer, dass ich als ein Näh- oder Schneiderzimmer einstufte. Jedenfalls war es so ausgestattet, dass man ohne Probleme Kleideranproben und Anpassungen durchführen konnte.
«Guten Morgen», die Tür schwang auf und die Lykanerdame trat ein, mit sich trug sie einen schwer-aussehenden Koffer.
Als sie meinen überraschten, staunenden Blick bemerkte schmunzelte sie, «Nähzeug. Sieht gleich schwer aus, wie es ist», sie lachte.
Sofort wollte ich zu ihr und ihr helfen, doch sie bremste mich, «Nein, Kindchen. Ist schon gut, stell dich doch schon mal auf das kleine Podest da drüben, dann können wir gleich mit der Anprobe beginnen.»
Brav trottete ich zu der kleinen Erhöhung und stellte mich darauf, bereit die Arbeit einer Schaufensterpuppe zu erledigen.
So stand ich also eine gute Stunde und sah ruhig und interessiert zu, wie Georgia über letzte Anpassungen nachdachte, dazu das Kleid irgendwie mit Stecknadeln befestigte und sich dann dafür oder dagegen entschied. Immer wieder drehte sie sich dreimal im Kreis und sah dann ohne ihre Brille zu mir und damit auch dem Kleid, um einen anderen Blickwinkel zu bekommen.
Was den Schmuck später abging, so entschied ich mich für eine zierliche Kette, welche einen mondförmigen, fliederfarbenen Anhänger aus Amethyst.
Schliesslich waren wir auch damit fertig und so wurde zum Abschluss das Bukett besprochen.
Kornblumen sollten es sein, ein ganzer Strauss von ihnen, zwischendurch ein paar Hortensien und Anemonen.
«So, das war's dann», packte Georgia ihre Sachen zusammen, «wir sind mit unserer Planung einen halben Tag voraus, dann könntest du dir sogar am letzten Tag vor der Krönung einen freien Tag nehmen», die alte Lykanerdame machte eine kurze Pause, «oder natürlich such mit deinem Erasthai reden», damit verliess sie das Zimmer.
Kornblume: Sehnsucht, Verbundenheit, sowie Unendlichkeit und Liebe.
Hortensien: wenn man unauffällig danach fragen will, ob der Mensch, dem man sie schenkt, eigentlich noch an einen denkt.
Anemonen: Hoffnung, Aufrichtigkeit, jedoch auch Vergänglichkeit, Verlassenheit und Enttäuschung.
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Ich wusste nicht, was ich mit dem Rest des Tages anfangen sollte, diese Entscheidung wurde mir jedoch teilweise aus den Händen genommen, als Kyran vor meiner Tür stand.
«Wie geht es dir denn eigentlich mit der Krönung und so?», er trug einen ernsten Gesichtsausdruck.
«Besser, am Anfang war ich noch überforderter», gab ich zu.
«Du weisst, dass du mit mir über alles reden kannst, oder?», jetzt hatte er seine Hände an den Seiten meiner Oberarme platziert und sah mich eindringlich an, ich nickte.
«Kannst du dann bitte mit mir reden, wenn es um ein Thema geht, bei dem ich direkt involviert bin?», fragte er, beinahe flehend und verzweifelt, er liess den Kopf hängen, seine Hände blieben an meinen Armen.
Ganz leise hörte ich ihn dann noch flüstern, «Und nicht gleich zu Azrael rennen und das Ganze mit ihm besprechen?»
Darum geht es also. Er ist eifersüchtig. Aber warum?
«Mach ich, aber du redest dann auch schön mit mir, ja?», meinte ich halb im Scherz und er nickte eifrig, ehe er mich losliess.
«Du machst das gut mit dem Freundin sein», lobte er mich, und obwohl ich nicht versand, was so schwer an einer Freundschaft war, so bildete sich bei seinen Worten doch ein Kloss in meinem Hals.
«Du auch», flüsterte ich also kurz angebunden, fürchtend, dass meine Stimme brechen würde.
Meine Kehle schnürte sich zu, in meinen Augen bildeten sich Tränen und bevor ich es mir anders überlegen konnte, hatte ich mich aus der Umarmung befreit, ihm schnell noch liebevoll den Kopf getätschelt und eilte dann den Gang und die Treppen hinab und hinaus auf den Hof.
Völlig aufgewühlt rannte ich hinters Schloss, wo ein steiler Abhang und Wald waren. Azrael, der mit den Wachen trainierte, sah mich und hetzte mir nach, holte mich aber nicht ein. Ich war zu schnell. Zu schnell für einen Menschen und schneller als ein normaler Lykaner es gewesen wäre.
Je tiefer wir in den Wald rannten, desto weniger konnte ich meine Emotionen im Zaun halten und so brach ich schliesslich mitten im Wald zusammen. Tränen liefen mir übers Gesicht und eine klare Sicht hatte ich schon längst nicht mehr. Ich kniete in meinem Kleid auf dem moosbedeckten Boden, meine Unterarme ebenfalls in den Dreck gestützt und meinen Kopf liess ich hängen. Während mein Schluchzen lauter und stärker wurde, so wurde meine Kraft kleiner und dementsprechend lag ich wenig später eingekugelt, seitlich auf dem Waldboden und heulte mir die Augen aus.
Azrael kam erst ein paar Minuten später bei mir an, keuchend und ausser Atem, doch ich beachtete ihn gar nicht.
Warum? Sollen Erasthais nicht als Paar enden? Warum sind wir dann erst hier? Bin ich nichts als eine gute Freundin für ihn? Bestimmt krönt er mich nur zu seiner Königin, damit Sheila ihren eigenen Verlobten heiraten kann! Und selbst wenn, sobald er König ist, kann er selbst entscheiden. Wer weiss, ob er da nicht viel lieber Sheila nimmt? Die Babys wären bestimmt süss! So ein Schmarn, kein Mensch braucht einen romantischen Partner oder eine romantische Beziehung, warum sollten es dann Lykaner oder Werwölfe brauchen?
Frustriert wimmerte ich auf und schlug auf den weichen, grünen Waldboden, zwar nicht gerade fest, doch es half.
Ich lies meine Hand immer wieder fallen, gross schlagen oder hauen konnte ich nicht, dazu hatte ich die nötige Kraft nicht mehr. Irgendwann nahm eine warme Hand meine und hielt sie fest, liess nicht mehr los. Die Geräusche um mich herum waren schon lange verstummt, ich hatte sie komplett ausgeblendet. Nicht besonders schlau, aber so funktionierte es nunmal.
«Hör auf, du tust dir damit weh», Azrael hielt meine Hand bestimmt fest, liess es nicht zu, dass ich mich aus seinem Handgriff befreite.
Er summte irgendein Lied, seinen Umhang, der normalerweise nur an seinen Schultern von den dort befestigten Schulterkappen festgehalten wurde, hatte er mir übergeworfen.
«Er kommt ja gleich», seine Worte waren als Beruhigung gemeint, beunruhigten mich jedoch nur noch mehr.
Nein!