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Hermine
Das Gefühl, das man hatte, wenn jemand einem das Herz brach, meinte ich wieder zu verspüren. Ich war mir unsicher, ob ich es nicht falsch interpretierte. Ein Schmerz zog in mir hoch, wenn ich an Ron vorbeilief. So bald war der Schmerz verflogen, wenn ich an Theo dachte. Etwas schien mit meinen Gefühlen ganz und gar nicht zu stimmen. Ich versuchte mir einen Reim darauf zu machen, was all dieses Chaos für einen Zweck hatte. War ich nur eines dieser Mädchen, das mitten in ihrer Pubertät steckte und gezwungenermaßen einen Sturm an Gefühlen durchleben musste? Es schien so. Ich wollte durchblicken und meiner Gefühle Herr werden. Aber ich schaffe es nicht. Nicht heute. Vielleicht nach den Ferien, nahm ich mir vor.
So war es besser Abstand zu gewinnen. War jedenfalls mein Plan gewesen. Aber diese Absicht hatte sich nicht mal nach der Hälfte der Fahrt mit dem Hogwarts Express nach London in Luft aufgelöst. Ich dachte zweifellos an beide Jungen. Sie lösten unterschiedliche Gefühle in mir aus. Der eine war so weit weg von mir, während der andere so nah mir war, dass ich die Seiten des Buches stürmisch umknickte.
Ich konnte nicht einfach still zwischen meinen Mitschülern sitzen und so tun als wäre nichts. Sie redeten sogar über mich, jedenfalls hatte ich es im Gefühl. Dean, Seamus und Neville wussten über meine gestrige Begleitung zu Slughorns Weihnachtsparty bestens Bescheid. Neville hatte als Kellner die beste Sichtweise gehabt. Doch hatte eigentlich jeder irgendetwas davon erzählt bekommen wer von Slughorn eingeladen worden war und wen man als Begleitung an seiner Seite gehabt hatte. Ich hätte mich zu Ophelia setzen können, aber ich hatte es für besser gehalten zu niemanden, nicht mal zu ihr die Fahrt über zu gehen. Meinen Gedanken hatte ich vorgehabt alleine klar zu werden.
So hatte die Gerüchteküche schnell Zuwachs erhalten, dass zwei Slytherinschüler an der Seite von je einer Schülerin aus Ravenclaw und Gryffindor gesehen worden waren. Diese Schülerinnen waren nicht unbekannt, sondern sehr bekannt. Man musste nicht einmal klug sein um eins und eins zusammenzuzählen. So verbreiteten sich den ganzen Morgen über schon die Gerüchte durch Hogwarts und daraufhin durch den Hogwarts Express.
Draco Malfoy und Ophelia Macmillan sind ein Paar!
Hermine Granger und Theo Nott daten sich!
Zwei Gerüchte, wovon nur ein Gerücht wahr war. Ich versuchte so gut wie möglich all die Tuscheleien zu ignorieren. Es half nichts. Ich beschäftigte mich damit und konnte mit den Blicken meiner Mitschüler schlecht umgehen. Ich wollte nicht so gesehen werden. Es half nichts.
So half es ebenfalls nicht, dass Harry mir aufmunternd die Schulter getätschelt hatte oder Ginny meinte, dass es nach den Ferien Schnee von gestern wäre. Eine Gryffindor ging nicht mit einem Slytherin aus! Es hallte in mir wider, je weiter mich meine Mitschüler ansahen. Keiner der Jungen in meinem Abteil sah mich an. Dennoch hielt ich es nicht mehr aus.
"Entschuldigt mich, ich geh kurz raus.", ich klappte das Buch mit einem gehörigen Ton zusammen und ließ es auf den Sitz hinter mich fallen.
Seamus musterte mich eingehend, dem ich einen kühlen Blick gab. Aber er sagte nichts. Neville und Dean sagten ebenfalls nicht. Dennoch war es, als würden ihre Stimmen zu hören sein. Mir pochten die Schläfen als ich das Abteil verließ.
Auf dem Flur war kein Schüler war und breit zu sehen, als ich hinaustrat. Für einen Moment atmete ich tief durch und schloss die Augen. So hätte es nicht kommen sollen. Mein Gedanke war nicht gewesen zu den Schulgesprächen zu gehören. Ok ja, ich hatte Aufsehen erregen wollen. Aber nicht auf die Weise. Zuallererst hatte ich Ron eifersüchtig machen wollen. Aber das hatte es nicht. Das Abteil von ihm und Harry an dem ich stoppte, hatte einen deutlichen Beweis an der Scheibe. Ein Herz mit den Initialen R L .
Ich begegnete seinem Blick, während mir zu Weinen zumute war. Harry saß Ron gegenüber und sah mich kurz darauf an. Aber ich blieb nicht weiter stehen, sondern begann zu rennen.
Die Tränen lösten sich aus meinen Augenwinkeln, die ich mir hastig mit dem Handrücken wegstrich. Es war ein einziges Chaos! Die Lösung, ja bloß einen Sinn schien ich nicht zu finden und ich fühlte mich zum ersten Mal hilflos. Auf eine Art, die ich mir nicht hatte vorstellen können. Die Stimmen in mir waren laut und hämmerten unvermittelt gegen meinen Kopf. Aber keine dieser Stimmen wurde leiser, sondern jede von ihnen nur noch lauter. So laut, dass ich spürte, wie weitere Tränen in mir hinaufstiegen und die Wangen nicht viel später hinunter kullerten. Mein Brustkorb zog sich zusammen, den ich mit meinen Armen heftig umklammerte. An der Wand hinab rutschend, zog ich meine Knie an mich heran und ließ nochmals los, wie beim letzten Mal als Ron auf der Siegesfeier Lavender geküsst hatte.
Daphne
Genervt verdrehte ich die Augen, als sich Ginny Weasley an mir in die Toilettenkabine vorbeidrückte. Warum sie nicht warten konnte, dass ich an wenigstens vorbei getreten wäre, erklärte sich mir nicht. Musste mit ihrem Stolz als Gryffindor zusammenhängen. Konnte nicht anders. Sogar auf der Toilette mussten Gryffindors zuerst und am schnellsten sein. Der Groll, den ich gegen dieses Haus hegte, war nicht einmal im Geringsten mit dem meiner Mitschüler aus meinem Haus zu vergleichen. Ich war nur genervt von den Gryffindor Schülern.
Den Weg zum Abteil der Slytherins ging ich zurück über den Gang des Flures und blickte auf meine Armbanduhr. Noch so lange musste ich hier ausharren. Sollte ich nochmal auf die Toilette müssen, sollte ich es so planen, dass mir keiner von den Gryffindors begegnen würde. Konnte man das überhaupt planen? Wahrscheinlich nicht. So akribisch veranlagt war ich nicht, dass ich meine Toilettengänge plante.
Jemanden von den Gryffindors begegnete ich wohl oder übel doch noch. Scheinbar. Außer die langen braunen Locken gehörten nicht zu Hermine Granger.
In sich zusammengesunken hockte sie auf dem Boden und hatte die Knie angezogen, versteckte ihren Kopf hinter einem dichten Schleier aus ihren Haaren. Leise erstickte Schluchzer ertönten. Zeitgleich verlangsamte ich meine Schritte und trat langsam auf sie zu. Wir mochten in unterschiedlichen Häusern sein, aber ich konnte kein Mädchen ertragen, das hemmungslos zu weinen schien. Es war egal aus welchem Haus sie stammte. Kein Mädchen sollte weinen.
Langsam kniete mich vor ihr hin und strich ihr ein paar Haare aus der Stirn. Was sollte man da sagen? Mir fiel nichts ein, sodass ich nur ihre Haare wegstrich und ihr die Schulter tätscheln konnte. Ich kam mir albern vor und zog meine Hand zurück.
Hermine blickte hoch. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, die Augen rot und geschwollen. Mir zerbrach es, obwohl ich keinen Kontakt mit ihr pflegte. Vielleicht war es die Verbindung zu Theo, die wir beide teilten. Ich hörte auf mir irgendetwas einzureden und suchte in meiner Jackentasche nach einem unbenutzten Taschentuch. Ich reichte ihr eines, welches sie dankbar entgegennahm. Schweigsam lächelte ich sie an und legte ihr eine Hand auf die Schulter, nachdem sie sich die Tränen getrocknet und die Nase geschnaubt hatte.
Für eine gefühlte Ewigkeit verblieben wir so und ich dachte darüber nach, was sie so unglücklich gemacht haben könnte. Einzig allein schwebte mir Theos Gesicht vor Augen. Was sollte er nach der gestrigen Slugparty getan haben? Er erschien mir heute morgen glücklich und hatte kein bisschen Trübsal geblasen. An die Fahrt nach Hogwarts nach den Sommerferien zurückerinnert, wurde mir ganz schwer ums Herz. Das hatte er doch nicht getan, oder doch? War mir dieses kleine Detail etwa entgangen? Theo hatte mich vor allen im Abteil bloßgestellt, als ich ihn auf unseren gemeinsamen Sommer bei meinen Verwandten meiner Mutter in Italien angesprochen hatte. Als hätte er alles vergessen, was wir miteinander geteilt hatten. Was geblieben war ein bitterer Geschmack auf meiner Zunge. Das würde er nicht nochmal machen, ich wollte es mir nicht vorstellen.
"Hat er? Hat Theo irgendetwas gemacht?", überwand ich mich die Frage zu stellen.
Zaghaft schüttelte Hermine den Kopf. Erleichtert stieß ich ein Seufzen aus. Das war gut. Er hatte diesen Fehler nicht ein zweites Mal begangen. Es klärte aber nicht damit, warum Hermine es elend ging.
"Ich weiß, wir sind nicht befreundet oder haben in irgendeiner Weise wirklich Kontakt zueinander. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn du es mir nicht erzählen möchtest, was vorgefallen ist."
Ihr Mund öffnete sich und schloss sich alsbald wieder. Meine Hand zog ich zurück und wusste nicht wohin damit, sodass ich sie auf meinem Oberschenkel legte.
"Ich habe das Gefühl, dass alles, was sich angesammelt hat, raus will.", teilte sie mit und ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
Aber ich kannte dieses Gefühl, sodass ich verstehend nickte.
Hermine blickte nach unten. "Jeder redet über mich" Sie verstummte und blickte zu mir hoch, bevor sie weiterredete. "und Theo."
Was gestern Abend auf der Slugparty passiert hatte, war wie ein Lauffeuer in der ganzen Schule verbreitet worden. Verständlich nickte ich, aber nahm mir vor sie aufzumuntern. Sich deswegen so schlecht zu fühlen, sollte sie sich nicht.
"Auch wenn jeder über dich und Theo zu reden scheint, solltest du dir das nicht so zu Herzen nehmen. Die Blicke werden verfliegen. Nach den Ferien haben alle etwas anderes, worüber sie reden werden. Die meisten Menschen sind nur neidisch über das, was sie nicht haben. Und das, was du hast, ist etwas Schönes."
Verwirrt sah sie mich an und ich schmunzelte. "Ok, Theo mag manchmal schlechte Tage haben, aber er ist ein herzensguter Mensch. Vielleicht ist er etwas schüchtern, aber er steht zu den Menschen, die ihm etwas bedeuten. Er ist einer der Slytherins, der eigentlich auch gut in einem anderem Haus angehören könnte und ist nicht Draco. Sich mit dem herumschlagen zu müssen, ist bei Merlins Bart alles andere als leicht. Auch wenn sich deine eine Freundin sehr gut mit ihm herumschlägt. Woher sie die Kraft dafür nimmt, kann ich mir nicht vorstellen."
Meine Mundwinkel zuckten, als sich Hermines Gesicht erhellte.
"Ich weiß, es nicht die beste Lösung. Aber ich hätte den Vorschlag, dass du mich ins Abteil der Slytherins begleitest. Keiner von meinen Freunden redet dort sicher nicht über dich, die auch Theos Freunde sind. Sollte es doch einer wagen, den werde ich verhexen.", sagte ich, währenddessen ich aufstand und ihr eine Hand anbot, die sie ergriff.
"Klingt nicht unbedingt schlecht.", stimmte sie leise zu.
"Ophelia ist dort im Übrigen auch. Ich glaube, es ist ihr genauso zu viel geworden wie dir."
Die Abteiltür zog ich zur Seite und ging als Erste hinein, Hermine folgte mir. Gleich zu Anfang saßen meine Freunde in einem Grüppchen an den zwei Tischen auf den Seiten und sahen auf, als ihnen klar wurde, wer mich begleitete.
"Miles, steh auf und geh zu Graham.", sah ich ihn streng an.
"Ich geh nicht zu Montague.", empörte er sich, stand aber auf, sodass Hermine sich zu Theo setzen konnte.
Theo saß gegenüber von Draco und Ophelia.
"Ach komm kuscheln, Bletchley. Ich stinke auch nicht.", grinste Graham, der an Goyle heranrückte.
Miles setzte sich neben ihm auf die Bank. "Das will ich hoffen."
Mich von ihnen gegenüber niederlassend, tauschte ich einen Blick mit Pansy. Was sie genau dachte, schien ich in dieser Sekunde zu wissen und schüttelte den Kopf.
"Wir nehmen aber jetzt nicht noch wen auf, oder?", flüsterte sie.
"Nein, nur sie. Du hättest sie sehen müssen, ihr ging es überhaupt nicht gut.", erwiderte ich leise mit einem Blick auf Hermine zurück.
Sie schien neben Theo wohlzufühlen. Als würde sich ein Schimmer um sie herum gelegt haben, lächelte sie wieder.
"Habt ihr eigentlich jetzt auch was miteinander?", fragte Miles, dem ich empört gegen das Schienbein trat, der daraufhin aufjaulte.
"Fühlst du dich mit Klatsch und Tratsch unterversorgt?", nahm Graham die Möglichkeit darauf zu antworten.
"Nein. Aber ich will in kein Fettnäpfchen treten wie alle anderen, die irgendwelche Gerüchte verbreiten."
"Wie rücksichtsvoll von dir, Miles.", tätschelte ich ihm den Lockenkopf und verdrehte die Augen.
"Erstmal nicht.", sagte schließlich Theo, der Hermine ansah und sie nur ihn. Von wegen.
"Gut, aber ich glaube, es ist jedem recht, sollte es so kommen."
Alle, sogar Pansy, nickten. Uns auf dem falschen Fuß zu erwischen, konnte man schnell. Aber Theo schien wirklich Gefallen an ihr zu finden, der eng zu unserer Freundesgruppe dazu gehörte. Ebenso sollte Ophelia von uns aufgenommen werden, wie wir vorher ihr schon zugesagt hatten. Ungewöhnlich schweigsam seit diesem Schuljahr, hatte Draco nur genickt. Jetzt nickte er wieder nur und schien wieder in seinen Gedanken zu versinken, aber wenigstens sie schien ihn darin unterbrechen zu können.