Skeptisch nahm Lucius Adeen den Autoschlüssel ab. Unschlüssig starrte er ihn an. Ihm war anzusehen, dass er sich überwinden musste. Immerhin hatte er noch nie hinter dem Steuer eines Autos gesessen. Und jetzt sollte er fahren. Ohne wirklich zu wissen, wie.
„Du packst das schon.", meinte Adeen, der man überhaupt keine Bedenken ansehen konnte. „Ist sogar leichter als Fahrrad fahren."
„Das bezweifle ich.", sagte Lucius nur, ehe er sich tatsächlich auf den Fahrersitz setzte und mir mit einer knappen Geste bedeutete, mich neben ihn auf der Beifahrerseite niederzulassen.
„Bist du sicher, dass das funktioniert?", fragte Hillevi unsicher. Doch Adeen winkte ab. „Sicher.", erwiderte sie. „Außerdem muss Louis ja erst einmal nicht zu schnell fahren."
„Bitte seid vorsichtig.", wandte Bill sich an uns. Auch ihm war anzusehen, dass ihm die Situation nicht behagte. Hatte er nicht bei Enya noch von einem Fahrer gesprochen, der uns mitnehmen würde, je nach dem wohin wir wollten?
Knapp nickte ich. „Danke dafür, dass du uns geholfen hast.", sagte ich. Ein leichtes Lächeln zupfte an Bills Lippen.
„Gerne.", erwiderte er. „Und ich hoffe, dass ihr sicher dort ankommt, wo auch immer ihr hin wollt. Ihr habt ja das Handy, wenn etwas sein sollte." Auf einmal fielen mir wieder die Flugblätter ein, die Enya uns gegeben hatte. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, ein paar davon auch Bill zu geben. Nach wie vor wusste ich nicht, ob wir ihm zu einhundert Prozent trauen konnten. Schließlich wusste er, was Enya tat uns wo sie wohnte. Uns mochte er jetzt geholfen haben, aber ob das auch auf Dauer der Fall sein würde, ließ sich noch nicht sagen. Zwar glaubte ich kaum, dass Bill uns verraten würde, doch sicher konnte ich mir nicht sein.
„Hättest du etwas dagegen, ein paar Flugblätter zu verteilen?", fragte ich. Er würde nicht alle bekommen, nein. Schließlich war es eigentlich Lucius' und meine Aufgabe, die zu verteilen. Dennoch konnten wir Hilfe gebrauchen. Immerhin würde es vielleicht ein wenig schwieriger werden, unsere Spur zurückzuverfolgen, wenn auch noch weitere Personen Flugblätter verteilten.
Überrascht richtete Bill seine Brille. „Ja, natürlich!", rief er aus. Natürlich wusste er, worum es ging. Schließlich hatte er das bei Enya und Samuel mitbekommen. Wenn auch nur am Rande. Ein strahlendesLächeln breitete sich auf seinem ganzen Gesicht aus und auf einmal wirkte er deutlich Energie geladener als zuvor. Hillevi und Adeen dagegen warfen sich nur fragende Blicke zu. Sie hatten keine Ahnung, worum es ging.
Aus dem Auto war ein Rascheln zu hören. Anschließend reichte mein Bruder mir etwa die Hälfte der Flugblätter, die wir von Enya erhalten hatten. Diese gab ich wiederum an Bill weiter, der sie mit leuchtenden Augen entgegen nahm und eingehend betrachtete. Hillevi beugte sich zu ihm hinüber und schaute sich die Flugblätter ebenfalls an. Über ihre Schulter lugte Adeen, die genau wie ihre Freundin einen Blick auf die Flugblätter werfen wollte.
„Wunderbar!", rief Bill begeistert aus. „Keine Sorge! Wir werden uns darum kümmern, dass eure Nachricht verbreitet wird!" Bill schien der Einzige zu sein, der wirklich begeistert wirkte. Hillevi schluckte und ein betroffener Ausdruck verdunkelte ihr Gesicht. Adeen dagegen wirkte wie eine Statue. Weder regte sie sich, noch sagte sie etwas. Das Einzige, das auf eine Regung hinwies, waren ihre fest zusammengepressten Lippen.
Bill presste die Flugblätter fest an sich, nachdem er sie betrachtet hatte und warf mir ein strahlendes Lächeln zu. Offensichtlich freute er sich, dass ich ihm etwas Vertrauen entgegen brachte. Jedenfalls hätte ich ihm wohl – so wie es aussah - kein besseres Geschenk machen können. „Ich hoffe, ihr habt eine gute Reise!", sagte Bill. „Und hoffentlich sehen wir uns wieder!" Ob ich das auch wollte, war eine andere Frage. Dennoch lächelte ich leicht. „Auf Wiedersehen, Bill." Dann wandte ich mich Hillevi und Adeen zu, nickte ihnen kurz zu, was Hillevi mit einem Lächeln erwiderte, während Adeen sich noch immer nicht ganz gefasst hatte.
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Freya Winter - Mutant
Science FictionMutanten. Genveränderte Menschen. Die neue Zukunft. Weltverbesserung. So sollte es zumindest laut Ambrosia sein, ehe das Experiment nach hinten losging. Sie sind schneller als normale Menschen, stärker und anders. Die perfekten (Nicht-)Menschen. Un...