21 - Wenn es nur so einfach wäre

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Beca

„Du hast Chloe getroffen?" Fassungslos starre ich meine beste Freundin an, welche mir soeben gebeichtet hat, was gestern Abend passiert ist.

„Ja, ich habe ihr die Eingangstür des Wohnheims gegen den Kopf geschlagen ... Und ich habe sie zur Rede gestellt."

Nun klappt mir der Mund noch weiter auf. „Du hast sie zur Rede gestellt?" Ich schüttle den Kopf. „Du hast ihr aber hoffentlich nichts erzählt, was mich schwach wirken lässt, oder?"

„Quatsch." Becca rührt in ihrem Milchkaffee. „Ich habe ihr nur erklärt, dass es eine wirklich miese Aktion war."

„Hat sie darauf etwas geantwortet?"

„Ja, sie meinte, dass sie weiß, was sie getan hat, aber dass es das beste für dich war und sie ihre Gründe dafür hatte." Sie rümpft die Nase. „Ausreden, falls du mich fragst."

„Das denke ich nicht. Wenn man sich derart gegen Gefühle stellt, muss das einen Grund haben."

Anklagend schaut Becca mich an. „Willst du sie jetzt auch noch verteidigen? Sie hat dir eiskalt und ohne Begründung die Freundschaft gekündigt, weil du dich in sie verliebt hast. Du hast was besseres verdient, wirklich." Sie nimmt einen großen Schluck ihres Kaffees. „Ich hab ihr gesagt, dass sie gefühlslos ist."

Ich seufzte und rühre gelangweilt in meiner Tasse. „Es ist nur ... Wenn sie sich entschuldigen und mir alles erklären würde, könnte ich ihr sofort verzeihen."

Beccas anklagender Zeigefinger richtet sich auf mich. „Das solltest du nicht tun."

„Ich weiß, aber -"

„Nichts aber! Du hattest bereits zwei Monate Zeit, um darüber hinweg zu kommen, ich opfere sogar meine Semesterferien, um hier bei dir zu sein und dich zu unterstützen, was ich wirklich gerne mache", beschwichtigt sie mir. „Aber du musst auch darauf eingehen. Das mit Chloe war ein Fehler, sie hat sich als schrecklicher Mensch herausgestellt, sie will nur ihren Spaß und achtet nicht auf die Gefühle anderer. Du solltest darüber hinwegkommen und dich um die wichtigen Dinge im Leben kümmern. Die Uni, deine Freunde", sie deutet auf sich, „generell Menschen, die dir guttun. Und jetzt trinke endlich deinen Kaffee, sonst kommen wir zu spät ins Kino."

Wenn das alles nur so einfach wäre. Wie gerne würde ich das Chloe-Kapitel einfach aus meinem Leben streichen, sie streichen, jede Erinnerung streichen, die Gefühle streichen. Leider ist das alles nicht so einfach. Schon lange habe ich nicht mehr so viele schöne Gefühle auf einmal gehabt wie in der Zeit mit Chloe. Schon lange habe ich nicht mehr so gerne Zeit mit einem anderen Menschen verbracht. Ich habe mich abgekapselt, mir eingeredet, dass ich sowieso ein Einzelgänger bin.

Vermutlich habe ich deswegen so schnell und heftig Gefühle für Chloe entwickelt. Sie hat mich aus meiner Einsamkeit gezogen und ich habe sofort darauf reagiert. Das darf ich nicht erneut zulassen ... Wahrscheinlich hat Becca recht. Ich sollte mich häufiger auf Menschen einlassen, als Freunde, dann lerne ich, mich nicht in den nächstbesten zu verlieben und sofort meine Sexualität in Frage zu stellen.

Überzeugt trinke ich den Rest meines Kaffees. Ich werde mich auf meine Freunde konzentrieren, auf die Musik und meinen Job im Uniradio. Dabei kann ich Chloe vergessen und die Menschen wertschätzen, denen ich wirklich etwas bedeute. Außerdem werde ich, ganz neutral versteht sich, mit Chloe reden und sie bitten, dass wir wieder ganz normal miteinander umgehen. Das ist der perfekte Plan.

Was würde ich nur ohne Becca und ihre ehrlichen und stets hilfreichen Ratschläge machen.

***

„Wir haben nur noch drei Wochen Zeit, also reißt euch zusammen und übt!" Damit beendet Aubrey ihre Ansprache und entlässt uns in das bisschen freie Zeit, was vom Sonntag übrig geblieben ist.

Das Halbfinale steht vor der Tür und sie ist noch gestresster als sowieso schon. Der Grund wird sein, dass ihre Abschlussprüfungen in gar nicht allzu ferner Zukunft liegen und sie diese unbedingt mit Bestnoten abschließen will, vielleicht hat sie zusätzlich noch ihre Tage. Kann ja sein, denn selbst wenn ich sowieso kein allzu gutes Bild von Aubrey hatte, finde ich sie jetzt noch anstrengender als jemals zuvor.

Aber ich sollte mich um wichtigere Dinge kümmern, zum Beispiel Becca, die mich aus den Zuschauerreihen ermutigend angrinst, oder Chloe, welche ihre Sachen packt, um so schnell wie möglich von hier zu fliehen. Sie ist heute zu spät gekommen, hat deswegen ziemlichen Ärger von Aubrey bekommen und zusätzlich ziert noch eine wirklich unschöne blaue Schramme ihre Stirn. Ich schätze, das kommt von der Kollision gestern mit der Tür, an welcher Becca Schuld ist. Als ob das nicht genug wäre, ist ihr endgültig der Gesichtsausdruck eingefroren, als sie Becca in den Zuschauerreihen entdeckt hat. Kurzum: Es ist nicht ihr Tag.

Es fällt mir noch immer nicht leicht, sie anzusehen, ihre Stimme zu hören oder sie zu riechen. Am liebsten würde ich sie ignorieren oder noch besser, ihr komplett aus dem Weg gehen. Aber es ist so weit, ich werde ihr sagen, dass ich möchte, dass wir ganz normal miteinander reden können. Sie soll wissen, dass ich über sie hinweg und bereit bin, ihr als Bekannte oder Freundin zu begegnen. Also packe ich hastig meine Tasche und folge ihr aus dem Trainingsraum, kann sie gerade so einholen und ihr auf die Schulter tippen.

„Hey", beginne ich das Gespräch, als sie stehen bleibt und mich verwundert mustert. „Ich möchte dich nicht lange aufhalten, aber es gibt da etwas, das ich gerne mit dir besprechen würde."

Sie schluckt. „Und zwar?"

„Ich finde, dass es wirklich kindisch ist, wie wir uns verhalten ... Es wäre wirklich schön, wenn wir uns nicht weiterhin ignorieren, sondern ganz normal miteinander sprechen könnten, wie Bekannte oder Freunde. Es tut mir leid, wie die ganze Sache gelaufen ist und du solltest wissen, dass ich darüber hinweg bin."

Chloe weicht meinem Blick aus, die ganze Zeit schon. Sie guckt überall hin, nur nicht in mein Gesicht. Ihre Hände haben sich ineinander verknotet, sie wippt von einem Bein auf das andere. Flüchtig schaut sie mich an. „Das ist schön. Freut mich. Ich bin dafür, aber lass uns nicht", sie fuchtelt mit ihren Händen zwischen uns herum, „einander zu nah kommen. Ich muss jetzt auch los, sorry."

Schon hat sie sich umgedreht und entfernt sich mit großen Schritten von mir. Verwundert schaue ich ihr hinterher und verstehe die Welt nicht mehr. Das ist eine andere Chloe als die, die ich vor einem halben Jahr kennengelernt habe. Was ist nur los mit ihr? Hat sie Angst? Aber wovor?

„Hey", ruft Becca mir zu. Keine Sekunde später liegt ihr Arm um meinen Schultern. „Wie ist es gelaufen?"

„Keine Ahnung", bringe ich heraus und lege die Stirn in Falten. „Sie sagte, es ist okay, solange wir uns nicht „zu nah kommen", was auch immer sie damit sagen will. Irgendwas stimmt nicht mit ihr."

„Ach Beca", ihr Griff verstärkt sich. „Vielleicht hat Chloe recht. Abstand tut euch, vor allem dir, gut. Es hat sich herausgestellt, dass ihr unterschiedliche Vorstellungen von Beziehungen habt, und es ist gut so. Besser jetzt als später. Komm schon, wir machen was aus dem Rest des Tages."

***

Ich habe es auch endlich mal wieder geschafft, ein Kapitel zu schreiben. Aber ich habe das Semester geschafft und in den nächsten Wochen deutlich mehr Freizeit, was bedeutet, dass es regelmäßiger weitergehen wird.
Wenn ihr Kritik üben wollt, immer her damit, denn ohne kann ich mich nicht verbessern :)
Ein schönes Wochenende euch noch!

Don't You Dare (Bechloe)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt