Ein weiterer tieferer Sinn des Lebens

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Natürlich ging dies alles nicht so einfach wie gesagt.
Als erstes machte mir die angetrocknete Farbe zu schaffen und erst als ich wirklich dachte, ich müsste für den Rest meines Lebens wie ein wandelndes Kunstwerk herumlaufen, bekam ich sie ab.

Und als ich nach einem einstündigen Aufenthalt unter der Dusche mit roter und brennender Haut im Bett lag, war auch nicht an Schlaf zu denken, da mir immer wieder Zaras Worte durch den Kopf herumspukten.
Was meinte sie damit, dass man sie nicht mehr retten konnte, weil ihr Schicksal ihren tieferen Sinn schon vor Jahren bestimmt hatte?

Musste dieses Mädchen denn auch immer in Rätseln sprechen?
Nachdenklich schlug ich eine Mücke von meinem Gesicht weg. Doch genauso wenig wie meine Gedanken ließ sie sich vertreiben.

Irgendwann musste ich dann wohl doch eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal meine Augen aufschlug, schrie Zara in mein Ohr, dass ich aufstehen sollte. Sofort war ich hellwach.

„Du schläfst ja immer noch so lange", bemerkte Zara und stützte ihr Kinn in ihren Handflächen ab, während sie auf dem Bauch auf der freien Betthälfte lag.

Für einen Moment konnte ich sie nur anstarren und mich fragen, ob dieses Mädchen, das vollkommen fröhlich ihre Beine hin und her wippte, wirklich dasselbe war, das gestern noch in einem See aus Farben geweint hatte.
Doch dann schlich sich langsam ein Lächeln auf mein Gesicht. Denn vielleicht hatte Amy Recht und Zara brauchte ab und an einfach Zeit für sich selbst.

Selbst der Blick auf den Wecker, der mir anzeigte, dass es gerade einmal kurz vor sechs war, trübte meine Laune nicht.

„Willst du mich weiterhin ohne tieferen Grund an sabbern?" Ihre Stimme klang beinahe belustigt und darüber musste ich lachen.

„Nicht ohne tieferen Grund, Zara. Ich freue mich nur dich zu sehen, weil du gestern, naja nicht so gut drauf warst... Was war denn los?"

Sofort verdüsterte sich ihr Gesicht und ich bereute meine Frage sofort. Ich meine, wie bescheuert konnte man denn auch sein?
Jemand wie Zara antwortete auf nicht erwünschte Fragen mit Schweigen.
Und das tat sie auch, deswegen beeilte ich mich zu fragen: „Ähm, wolltest du mir heute wieder etwas zeigen?"

Sofort hellte sich ihre Miene wieder auf, sie zerrte mich aus meinem Bett und sprang so wild auf und ab, dass ihre Locken hin und her flogen.

„Ja! Nun zieh dich schnell an, ich warte wieder draußen."

Blitzschnell flitzte sie aus meinem Zimmer und ich konnte mir nur grinsend ein T-Shirt überziehen. Und sie war wirklich bereits sechzehn Jahre alt? Ich schmunzelte über ihre Leichtigkeit, war jedoch genauso fasziniert von ihr.

„Wir können los", verkündigte ich Zara kurze Zeit später.
Sie lehnte an der Flurwand gegenüber von meiner Zimmertür und betrachtete mich für eine Sekunde, bevor sie meinte: „Du hast dein T-Shirt verkehrt herum an."

Erschrocken sah ich an mir herunter. Tatsächlich. Das Schild kitzelte mich am Hals.
Ohne rot zu werden versuchte ich es mir schnell richtig herum anzuziehen.

Dabei fiel mir Zaras weißes T-Shirt auf. In fetter schwarzer Schrift stand dort ‚Cats' und darunter waren grüne Katzenaugen und Schnurrhaare aufgedruckt.

Ich kam nicht umhin, über dieses überaus passende T-Shirt zu schmunzeln, denn wenn mich jemand fragen würde, mit welchem Tier ich Zara vergleichen würde, so würde mir als erstes eine Katze einfallen. Denn sie lief auf Dächern, balancierte wie eine Katze, schlief in fremden Betten und war unerschrocken.

„Magst du Katzen?" Ich zeigte auf ihr T-Shirt, sie jedoch zuckte nur die Schultern und meinte: „Manchmal fühle ich mich mit ihnen verbunden."
Damit war für sie die Unterhaltung beendet und schwungvoll stieß sie sich von der Wand ab. Sie ging los und ich folgte ihr ohne jegliche weitere Fragen.

Das Mädchen aus GlasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt