15. November
»Du bist verrückt. Nur um das nochmal klar zu stellen.«
Ich ignorierte Elena gekonnt und lief weiter. Meine Stiefel trafen bei jedem Schritt mit einem Stapfen auf dem gepflegtem Fußweg auf und wenn mich jemand sah, würde jeder sofort wissen, dass ich auf einer dringlichen Mission war.
Die Gegend in der wir uns aufhielten war schön - ein stereotypisches Oberklassen-Viertel, mit hübschen Häusern, welche noch genügend Charme besaßen, um den modernen Neubauten die Show zu stehlen und sich deren Besitzern als etwas Besseres zu beweisen. Perfekt, wenn man einen großen, vollen Geldbeutel besaß und sich etwas gönnen wollte, worin man wohl sein ganzes Leben zufrieden ausharren würde oder mindestens damit andere eifersüchtig machen konnte.
Für mich war es also keinesfalls geeignet.
»Ich frage mich manchmal echt, was in deinem Kopf so abgeht. Das ist wirklich nicht normal.«, grummelte meine beste Freundin weiter. Ich verdrehte meine Augen, was sie allerdings nicht sehen konnte, da sie mehrere Schritte hinter mir her schlurfte. Ihre Motivation, heute aufzustehen und die ersten Weihnachtsvorbereitungen in die Hand zu nehmen, war allem Anschein nicht vorhanden. Etwas, was ich nicht im Geringsten verstehen konnte.
»Was ist daran bitte nicht normal? Ich habe einen wundervollen Baum gefunden, der perfekt in mein Wohnzimmer passt und es wird auch noch ein richtiges Schnäppchen werden! Mein Geldbeutel freut sich, ich freue mich und spätestens, wenn du auf meiner Couch Zuflucht suchst, wirst auch du dich freuen.«
Ich warf einen kurzen Blick zu meiner Freundin, die den Kopf mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen schüttelte und drehte mich dann ganz zu ihr, als ich stehen blieb.
Sie schaute mich verwundert an, doch ich ließ nur meine Augenbrauen wackeln und deutete mit der Säge in der Hand nach links. Dort stand er. In all seiner Pracht. Mein Weihnachtsbaum.
Für einen Moment herrschte Stille zwischen uns, Elena's Miene eine Mischung aus allerlei Emotionen, die ich nicht einordnen konnte.
»Das ist nicht dein Ernst, oder? Du kannst das keinesfalls ernst meinen, Callie!«, rief sie schockiert und ließ fassungslos ihre Arme in der Luft wedeln. Ich war mir nicht ganz sicher, was genau sie von mir wollte. Ich machte doch keine Scherze, wenn es um ein so heikles Thema ging, wie die Auswahl des Weihnachtsbaums. Als meine beste Freundin sollte sie das ganz klar wissen.
»Was hast du denn? Er ist wundervoll. Kannst du ihn dir nicht bei mir im Wohnzimmer vorstellen? Ich kann es. Das wird der beste Weihnachtsbaum, den die Welt je gesehen hat!«Mein Enthusiasmus schien auf taube Ohren zu fallen. Elena schüttelte entgeistert den Kopf und stieg zu meiner Enttäuschung nicht in meine Euphorie ein.
»Callie! Sag mir, dass das ein Witz ist! Meine Güte, das ist das Grundstück von jemandem. Und der Baum gehört dazu. Ich hatte gedacht, dass du einen Baum in einem Wald fällen willst, was schon schlimm genug wäre, weil man das wahrscheinlich nicht ohne Genehmigung darf. Aber du kannst doch nicht darüber nachdenken, einen Baum aus einem Vorgarten zu klauen!«
Für einen Moment stand ich stumm da, als würden ihre Worte tatsächlich in mein Gehirn eindringen und mich von meinem Vorhaben abhalten können. Doch Vernunft gehörte noch nie zu meinen Stärken, als zog ich meine Augenbrauen entschlossen zusammen und zuckte mit den Schultern.
»Es wird ja nicht mal jemand mitbekommen. Hier läuft einfach keiner in der Gegend rum, das kann ich bezeugen. Zwei Mal bin ich hier schon gewesen und hier ist echt tote Hose. Außerdem werde ich das Schmuckstück in null Komma nichts umgelegt haben und dann steht es heute Nachmittag Zuhause.«
»Callie, du hast sie nicht mehr alle!«, lachte Elena ungläubig und raufte sich die braunen Haare.
»Genau deshalb liebst du mich doch«, verteidigte ich mich und stapfte auf das Bäumchen zu.
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King of Christmas
Teen FictionCallie Jones ist pleite, begeisterte Weihnachtsfanatikerin und leicht durchgeknallt, wenn es darum geht, ihren Willen durchzusetzen. Als sie beschließt, ihren Weihnachtsbaum im Vorgarten eines Fremden zu fällen, weiß sie jedoch weder, dass sich dadu...