Teil 1

                                    

                                          
Andi weiß, dass er Stephan verletzt. Er sieht es, er sieht die unsichere Blicke die Stephan ihm zuwirft, er sieht wie Stephan nicht so ganz weiß wie er sich verhalten soll, wenn Andi in seiner Nähe ist, er sieht wie traurig Stephan in sich zusammensinkt, wenn Andi ihn wieder ignoriert. Er sieht die hoffnungsvollen Blicke von Stephan jeden morgen, und er sieht wie er tapfer runterschluckt, wenn Andi ihn wieder aus dem Weg geht. Und trotzdem, tut Andi es immer wieder und wieder. Er geht Stephan aus dem Weg, er hängt sich bei Wanki fest, er steht so früh auf, damit Stephan immer noch schläft, er frühstückt mit Wanki, er verbringt den Tag mit ihm oder mit Eisei. Jeden Abend sitz er bei Wanki im Zimmer und lässt Stephan alleine. Er wartet immer so lange bis er sicher ist, dass Stephan schläft, bevor er zurück in ihr gemeinsames Zimmer geht.
                          
Die ganze Raw Air Tour geht an ihm so vorbei, er springt schlecht, grottenschlecht sogar, und er weiß er sieht müde aus. Ist er auch, er kann nicht schlafen, weil sein schlechtes Gewissen ihm wachhält. Nachts liegt er stundenlang wach und beobachtet Stephan. Im Schutz der dunklen norwegischen Nächte kann er seine Gefühle freie Bahn geben. So oft hat er seine Hand rausgestreckt und wollte ein Haarsträne, die Stephan vor Stirn hängt, zur Seite schieben. So oft wollte er Stephan einfach in den Arm nehmen, wenn er sich hin- und her wälzt und keinen ruhigen Schlaf findet. Aber er hat es nie getan, er hat sich immer bremsen können auch wenn jede Faser in seinem Körper dagegen strebt. Er muss sie beide schützen, er darf nicht seinen Gefühle, seinen Wünsche, seiner Sehnsucht nachgeben. Sie waren sich zu nahe gekommen bei Olympia. Viel zu nahe, aber da und dann fühlte es sich richtig an. Sicher. Es war wie in einer anderen Welt. Eine Welt wo es nur sie beide und Skispringen gab. Keine Freunde, keine Freundinnen, keine Familie, keine Fans. Nur Ruhe. Nur Stephan. Nur das Team. Andi hat sich so wohl gefühlt wie nie zuvor und er war wie beflügelt. Nichts konnte ihn stoppen. Und jetzt ist er schuld daran, dass Stephan leidet. Aber er macht es für sie beide. Andi hofft nur Stephan wird es eines Tages verstehen. Verstehen warum er es tun musste.