Kapitel 18 - Dean

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Sie hatten sich entschieden, den Anweisungen des Kunstprojekts zumindest insofern zu folgen, als dass sie nicht mehr miteinander reden würden, sobald sie sich am Samstagmorgen ins Auto setzten. Dean hielt an einem Blumenladen an, ehe er auf den Highway fuhr, um Will einen Strauß Rosen zu kaufen. Er musste schließlich seinem Ruf als Flowerboy gerecht werden.

Als er den Strauß vorsichtig auf die Rückbank legte und das Radio einschaltete, konnte er überhaupt nicht glauben, dass es heute endlich so weit sein würde. Heute würde er endlich Will in die Arme schließen, ihn küssen und sogar die Nacht zusammen mit ihm verbringen – was auch immer das heißen mochte. Für Dean wäre es auch vollkommen zufriedenstellend, Will einfach die ganze Nacht lang bloß im Arm zu halten, seinen Herzschlag zu fühlen, seine Wärme. Ihm die blonden Haare in Unordnung zu bringen, blinzelnd aufzuwachen und Will neben sich zu sehen. Es war wie das Paradies. Und es würde heute noch zu seiner Wirklichkeit werden. Dean schüttelte den Kopf darüber. So richtig glauben würde er es wahrscheinlich erst, wenn es so weit war.

Sein Navi lotste ihn durch Minneapolis, wo erstaunlich viel Verkehr herrschte. Waren wohl alle unterwegs, um ihre Liebsten zu besuchen. Dean tippte frustriert auf dem Lenkrad herum, bis er endlich aus der Stadt rauskam und wieder aufs Gas treten konnte. Zum Glück hatte seine Mum ihm heute ihren Wagen geliehen, sonst hätte er Lemon fragen müssen. Aber so war es besser.

Am liebsten hätte er die ganze Zeit über mit Will geredet, aber dem fiel das Schweigen offenbar viel leichter als Dean. Er war die Stille irgendwie nicht mehr gewohnt und ließ sein Handy irgendwann aus Langeweile per Sprachsteuerung Kyara anrufen.

„Hey!“, schallte ihre Stimme blechern durch die Lautsprecher. „Bist du unterwegs?“

„Jepp. Gerade die Dreistundenmarke überschritten. Was treibst du heute so?“

Er konnte bei ihr im Hintergrund Stimmen hören, vermutlich ihre Schwestern. „Was denkst du? Ich mache mich fertig für ein Date.“

Dean legte die Stirn in Falten. „Mit wem hast du ein Date?“

Kyara lachte. „Du hörst dich so ungläubig an.“

„Nein, so war das nicht gemeint.“

„Denk mal scharf nach, dann kommst du bestimmt drauf. Ich muss aufhören, Nahla macht mir die Haare.“ Sie machte Kussgeräusche. „Wir sehen uns Montag und ich will dann Details hören, von deinem Wochenende, Schätzchen.“

Damit legte sie auf. Dean grübelte eine ganze Weile, mit wem sie wohl ausgehen könnte. Als erstes kam ihm komischerweise Lemon in den Sinn, aber das war absurd. Erst mal konnte er sich Lemon nicht auf einem romantischen Date vorstellen, noch viel weniger mit Kyara und sie war für ihn auch viel zu lebensfroh und zu wenig zynisch. Aber wer könnte es sonst sein? Jemand aus dem Volleyballteam? Oder von ganz woanders?

Deans Aufregung steigerte sich weiter je näher er kam. Er begann sich vorzustellen, wie das Treffen wohl ablaufen könnte. Ob Will schon dort sein würde, wenn er ankam. Vielleicht parkte Dean das Auto und bemerkte dann einen Wagen mit einem Kennzeichen aus Missouri. Und diesmal würde er das richtig deuten. Und dann würde er durch den Wald laufen, zum See, wo er Will stehen sehen würde, vom Wind zerzaustes Haar und leuchtende blaue Augen.

Er war knapp fünfeinhalb Stunden unterwegs, als er Waterloo erreichte, die größte Stadt, die noch vor ihm lag. Danach kamen nur noch kleine Städte und Dörfer. Gut möglich, dass Will bereits angekommen war, es waren so viele Baustellen auf Deans Weg gewesen, die ihn gebremst hatten. Von Waterloo aus brauchte er noch eine halbe Stunde, dann sagte sein Navi ihm, dass es Zeit war vom Highway abzufahren und er wurde durch Vinton gelotst, wo sich ihr Hostel befand. Hier war nicht viel los auf den Straßen, obwohl es inzwischen ein Uhr am Mittag war.

Danach ging es über schmalere Landstraßen weiter bis zu einem Feldweg, der zum verwaisten Campingplatz führte.

Mit klopfendem Herzen stellte Dean den Wagen auf dem Parkplatz ab und blieb erst einmal sitzen. Weit und breit war kein anderes Auto zu sehen, wie eigentlich im Winter nicht anders zu erwarten. Wer ging schon im Februar campen? Aber weil er spät dran war, hatte er gehofft, Wills Auto bereits hier zu sehen. Egal, dann war Dean eben als erster hier. Vielleicht gab es genauso viele Baustellen auf Wills Weg hierher, das war sogar wahrscheinlich.

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