32. Geständnisse

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»Tim. Wahrheit oder Pflicht?«

Der Braunhaarige schien kurz zu überlegen, bevor er »Wahrheit« wählte.

»Okay. In wen bist du verliebt?«

Tim zuckte zusammen.

»Das ist bestimmt nicht die Frage, die die App stellt.«

»Ist doch egal. Die App ist bloß eine Hilfestellung. Also?«

Man konnte seinen Kopf förmlich arbeiten sehen, auf der Suche nach einer Lösung, um aus dieser Zwickmühle zu entkommen. Einerseits kannte jeder hier die Antwort, andererseits konnte er es Stegi zu Liebe nicht einfach zugeben. Genau der war es jetzt aber, der nach der Hand seines Sitznachbarn griff und sie beruhigend drückte. Tim sah auf und fand den Blick seines Freundes, der ihm bloß leicht zunickte. Sein geflüstertes »Ja.« War nicht leise genug, damit es niemand gehört hätte. Tim atmete tief durch, schien sich zu sammeln, ohne jedoch Stegis Hand loszulassen, bevor er leise dessen Namen murmelte.

Für einen Moment wagte es keiner, etwas zu sagen, bis es schließlich Patrick war, der die Stille durchbrach:

»Jetzt glotzt nicht so, als wäre das etwas Neues für euch. Sorry, Jungs, aber unauffällig ist anders. Stegi, du bist dran.«

Stegi schien sich kurz zu sammeln, bevor er schließlich die Frage »Wahrheit oder Pflicht?« an Rafi weiter gab, der die Aufgabe bekam, mit seinem linken Sitznachbarn, in diesem Fall Patrick, Oberteil zu tauschen.

Die beiden Jungs also zogen sich um, was Felix mit einem anzüglichen Pfeifen und alle Anderen mit Lachen quittierten, bevor Rafi an der Reihe war, eine Aufgabe oder Frage zu verteilen und natürlich ausgerechnet Manu wählte.

Kurz überlegte er, Wahrheit zu nehmen, beschloss dann aber, dass das viel zu umständlich war, ohne reden zu können und zeigte deshalb wieder auf, Pflicht zu wählen.

»Mach einem Mitspieler deiner Wahl einen Knutschfleck.«

Manu zögerte kurz, beschloss dann aber für sich, dass es ihn schlimmer hätte treffen können. Automatisch wanderte sein Blick zu Dado, der ihm bloß grinsend zunickte.

Manu rutschte also näher an seinen besten Freund heran und strich vorsichtig über die Haut an dessen Hals. Er brauchte kurz, um sich selbst zu überreden, bevor er seine Lippen auf die warme Haut senkte. Probehalber saugte er kurz daran, korrigierte seine Position dann aber sofort noch ein Mal ein bisschen, sodass er dabei bequemer sitzen konnte und begann, die Haut seines besten Freundes so zu bearbeiten, dass daraus ein Knutschfleck entstehen würde.

Noch bevor er fertig war, hatten die Anderen schon weiter gespielt und so wurden sie kaum noch beachtet, als Manu schließlich von Dados Hals abließ und, fast schon ein wenig stolz, sein Kunstwerk betrachtete.

Dado fuhr wie unterbewusst über die verfärbte Stelle und Manu wunderte sich, dass das gar nichts in ihm ausgelöst hatte. Er war doch zu dem Schluss gekommen, dass er einen Crush auf Dado hatte? Hätte ihn da so etwas, wie ihn mit einem Knutschfleck zu sehen, den er selbst ihn verpasst hatte, nicht irgendwie berühren müssen? Und hätte es ihn nicht auch viel mehr stören müssen, als Dado ihm von Stegis Schwester erzählt hatte?

Manu zwang sich, den Blick von seinem besten Freund abzuwenden. Viel zu schnell schaffte er es, sich in seinen Gedanken zu verlieren (War das, was er für Dado fühlte vielleicht doch nur eine sehr enge Freundschaft?) sodass er erst wieder zurück in die Wirklichkeit geholt wurde, als er sah, wie sich etwas vor seinem Gesicht bewegte. Er brauchte einen kurzen Moment, um zu verstehen, was Sache war, bevor er sich wieder an die Aufgabe erinnerte, die ihm vorhin gestellt worden war und vorsichtig mit den Zähnen das Gummibärchen, das Patrick ihm vor den Mund hielt, aus dessen Fingern nahm.

*

Die Spielrunde hatte sich irgendwann aufgelöst und die Meisten hatten sich wieder im Raum verteilt, bis nur noch Tim, Stegi, Rafi, Dado, Patrick und Manu übrig geblieben waren.

Zu sechst hatten sie sich eine ganze Weile über alles Mögliche unterhalten, bis erst Rafi verschwunden war und dann auch Tim und Stegi sich auf eines der Sofas zurückgezogen hatten. Dort saßen sie nun, da ja jeder offiziell von ihrer Beziehung wusste, eng beisammen, Stegi halb auf Tims Schoß und entspannt an diesen gelehnt, ihre Hände miteinander verschränkt.

»Ich freu mich für die beiden.«

Dado hatten zuerst regelmäßig Manus Blickkontakt gesucht, sich immer wieder stumm vergewissert, ob es für ihn okay war, nun zu dritt mit Patrick hier zu sitzen, doch hatte nun auch begonnen, sich mit ihm zu unterhalten, wie er es mit jedem Anderen getan hätte. Für Manu war das okay, er hatte in den letzten Tagen mehr als nur genug bewiesen bekommen, dass Patrick nicht immer nur ein Arschloch war. Sympathisch genug, um sich zumindest mit ihm zu unterhalten wie mit jedem Anderen auch.

Manu nickte nur als Antwort und Patrick tat es ihm gleich.

»Es wusste doch eh jeder. Aber jetzt verstecken sie sich zumindest nicht mehr.«

»Ist ja auch wirklich nicht nötig. Keiner hier würde etwas gegen sie sagen.«

Sofort breitete sich ein unangenehmes Schweigen aus. Dado warf Manu einen winzigen Blick zu, der Patrick jedoch nicht entging. Sofort konnte dieser kombinieren, worum es ging.

»Hat irgendwer zu dir noch ein Mal etwas homophobes gesagt?«

Manu zuckte bloß mit den Schultern, nickte aber Dado bestätigend zu, als dieser ausführlicher antworten wollte:

»So weit ich weiß, schon länger nicht mehr. Aber würden sie ...« Er unterbrach sich selbst, Manu jedoch gab ihm stumm sein Einverständnis, ruhig weiterzusprechen. Patrick wusste eh, dass es wahr war. »Würden sie wissen, dass da was dran ist, würden sie ihn mit Sicherheit wieder damit aufziehen.«

Patrick zuckte bloß mit den Schultern, schien dem nicht ganz glauben schenken zu wollen. Kein Wunder, wenn man es gewohnt war, dass alle seine Sexualität einfach so akzeptierten. Ohne es zu wollen spürte Manu, wie Wut in ihm aufstieg. Wut auf Patrick, der es so viel leichter hatte, als er selbst und ihm trotzdem noch das Leben schwer gemacht hatte.

Manu versuchte, sich zu kontrollieren – Patrick zu verärgern konnte er sich wirklich nicht leisten. Im schlimmsten Fall würde alles wieder wie noch vor ein paar Wochen werden. Gerade wollte er sich an Dado wenden, sich irgendwie von Patrick ablenken, als dieser sich vom Boden aufrappelte.

»Kann ich euch zwei kurz alleine lassen? Ich bin gleich wieder da, nur eben auf Toilette.«

Patrick nickte, grinste ihn an.

»Klaro. Wir gehen uns schon nicht an den Kragen in der kurzen Zeit.«

Dado nickte und auch Manu gab stumm sein Einverständnis. Er glaubte, in Palles Worten mehr als nur ein paar dahingesagte Sätze gehört zu haben. Wenn er es nicht falsch verstanden hatte, dann war das tatsächlich fast schon eine Art versprechen gewesen. Patrick würde ihm nichts tun, auch wenn sie zu zweit waren. Natürlich, das hatte er ja auch schon oft genug bewiesen. Diese Zeiten waren wirklich vorbei. Hoffentlich würde das auch so bleiben.

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Was sich liebt ... ~ #KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt