Kapitel 65

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Habits - Plested

Meghan Moore, Samstag, 30. Juli, London Borough of Hunslow

»Was hast du mit ihm angestellt?«, wollte Archie von der Rückbank aus wissen, als Harvey mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen in den Wagen stieg und den Motor einschaltete. 

»Was meinst du?«, fragte er, noch immer lächelnd, und schaute in den Rückspiegel, bevor er wendete und dann in Richtung Hauptstraße fuhr, wo er das Auto gekonnt in den mittäglichen Verkehr fädelte. 

»Du hast mit Martin gesprochen!«, erklärte Archie und forderte: »Ich will wissen, worüber.«

»Das ist nicht wichtig, Archie«, meinte Harvey, »die Hauptsache ist, dass er dich nicht wieder belästigen wird, und wenn doch...« Er schaltete das Radio ein. »sagst du mir sofort Bescheid.«

Der Kleine verschränkte trotzig seine Arme vor der Brust und schaute demonstrativ in die entgegengesetzte Richtung, um Harvey sein Missfallen zu verdeutlichen. Ich konnte ihn verstehen, war ich doch selbst mehr als nur neugierig, was Harveys Unterredung mit dem schlecht erzogenen Kind namens Martin anging. 

»Okay, okay«, lenkte mein bester Freund schließlich ein, als wir fast schon in meinem und Archies Wohnviertel angekommen waren. »Ich erzähle dir alles. Aber erst, wenn ich die Angelegenheit mit Meghan und ihrer Schwester geklärt habe, wegen der ich in erster Linie hergekommen bin. Klingt das nach einem Deal?«

»Ja«, antwortete Archie gönnerhaft. 

Ich musste lächeln. 

-

Dianas Auto stand bereits vor der Tür, als Harvey vor dem Haus zum Stehen kam und den Motor ausschaltete. Ich stieß einen leisen Freudenschrei aus, als ich ausstieg und meiner wunderschönen Schwester ansichtig wurde. 

Sie lehnte sich an ihren Wangen, in engen Jeans, Lederjacke und schwindelerregend hohen Stiefeln, der Inbegriff einer Bikerbraut. Ihre großen Rehaugen begegneten meinem Blick und ihre rot geschminkten Lippen verzogen sich zu einem freudigen Lächeln, das mir die Tränen in die Augen schießen ließ. 

Ich stürmte auf sie zu und zog sie in eine feste Umarmung. 

»Luft«, japste sie nach einer Weile theatralisch. »Ich...brauche...Luft!«

»Oh, ich ähm...sorry«, entschuldigte ich mich und trat einen Schritt zurück. 

»Womit habe ich das überhaupt verd-«, sie stockte. »Hey, sag mal, weinst du?«

Ich sagte nichts und unterdrückte ein aufsteigendes Schluchzen. 

Dianas Blick war voller Mitgefühl und Unverständnis. 

Gerade als sie nachhaken wollte, kam Harvey mit Archie an der Hand vorbei und setzte uns darüber in Kenntnis, dass er ihn kurz zu Alessia bringen würde. 

Wir schenkten ihm beide keinerlei Beachtung. 

Irritiert blieb Harvey kurz stehen und unterzog meine Schwester einer zweideutigen Musterung. Dann meinte er:
»Sind die Stiefel nicht ein bisschen zu hoch für deine Verhältnisse?« Natürlich musste er jetzt, im denkbar unpassendsten Moment wieder auf seine kindischen Streitereien mit Diana bezüglich ihres Alters eingehen. 

Und sie schoss natürlich sofort zurück. »Die Antwort lautet Nein«, sagte sie unbekümmert und lächelte ihn triumphierend an. »Ich habe schon Schuhe getragen, die höher waren als dein Niveau. Somit sind diese hier auch kein großes Problem.«

Kopfschüttelnd verschwand er mit Alessias Sohn im Treppenhaus. 

»Der war doch verdammt gut, nicht?«, rief Diana ihm hinterher, worauf das Lächeln auf ihrem Gesicht erlosch und sie wieder mich prüfend ansah. Ich konnte in ihrem Blick wie in einem offenen Buch lesen. Sorge, Liebe und ein kleines bisschen Wut - wahrscheinlich weil ich immer noch nicht mit der Sprache herausrücken wollte. 

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