„Und, wie war dein Vormittag?", fragte Niall, als Louis gegen 14 Uhr endlich in den Aufenthaltsraum kam und seinen Teller auf den Tisch stellte. „Anstrengend. Ich hab Protokolle geschrieben und obwohl Dr Styles sagt, er würde sie nicht kontrollieren, habe ich den Eindruck, dass er mich versucht auf dem falschen Fuß zu erwischen und es dann doch tut. Ich glaube, er macht das mit Absicht, dass er einen in Sicherheit wiegt, um einen zu testen. Was denn?", fragte Louis, weil Niall die Augen aufgerissen hatte und ständig in eine Richtung schielte.
Zu spät hörte Louis die Schritte hinter sich und eine Hand legte sich auf seine Schulter.
„Ja, da könnten Sie recht haben, werter Kollege. Aber vielleicht traue ich Ihnen diese Aufgabe auch einfach zu. Oder es war ein Test, um Ihre Kompetenzen auszutesten. Was davon mein wirklicher Beweggrund war, dürfen Sie sich nun selbst aussuchen, das werde ich Ihnen nicht verraten." Ohne sich umzudrehen, wusste Louis genau, dass sein Oberarzt hinter ihm stand und er gerade wieder ins Fettnäpfchen getreten war. Niall war schon ganz rot im Gesicht davon, sein Lachen zu unterdrücken und erhob sich. „Ich geh dann mal. Meine Pause ist gleich wieder um", piepste er und verschwand rasch aus dem Raum.
Draußen auf dem Flur konnte man von ihm ein herzhaftes Prusten hören.„Sie kennen sich?", fragte Dr Styles und setzte sich Louis gegenüber, ebenfalls einen Teller vor sich. „Ja. Wir sind Freunde", antwortete Louis knapp. Wieso fragte ihn der Arzt etwas persönliches? Was hatte er für eine Absicht? „Jetzt schauen Sie mich nicht so verschreckt an, weil ich Ihnen eine Frage gestellt habe." Die Lippen seines Gegenübers kräuselten sich zu einem schiefen Lächeln und er streckte die Hand nach Louis' Klemmbrett ab. „Jetzt lassen Sie mal sehen, ob Sie wirklich so gründlich arbeiten, wie Ihre Dozenten und Professoren berichtet haben."
Natürlich überließ Louis ihm seine Aufschriebe und sah nervös dabei zu, wie er sich die Brille die Nase hochschob und seine Augen über die Berichte huschten. Hoffentlich hatte er keinen Fehler gemacht, hoffentlich war alles in Ordnung. „Mhm..sehr gut. Sehr ausführlich und genau. Damit kann man etwas anfangen. Wissen Sie, viele Kollegen tendieren dazu, die Berichte so zu verfassen, dass Niemand außer ihnen selbst diese nach Wochen noch verstehen kann. Aber aus Ihrem Bericht kann man sogar ohne viel Vorwissen die richtigen Dinge ableiten. An manchen Stellen sind Sie ein wenig zu detailliert in der Ausführung, aber im großen und Ganzen ist das gut." Dr Styles nickte Louis zu und schob das Klemmbrett zurück: „Das kann so abgetippt werden." - „Wirklich?" Verwundert sah er ihn an. Irgendwie war er davon ausgegangen, dass sein Mentor auf jeden Fall einen Fehler finden würde und dementsprechend war die Überraschung jetzt groß, dass dem nicht so war. „Ja, wirklich. Es war ein Test. Ich konnte Sie nicht ganz einschätzen, da will ich ehrlich sein. Ihre Noten sind hervorragend, aber manch gutem Student mangelt es in der Praxis trotzdem an Sorgfalt und Biss. Seien Sie sich darüber im Klaren, dass ich Sie genau beobachte, egal was Sie tun. Bewahren Sie sich diese Art zu Arbeiten, das ist es, was einen guten Arzt ausmacht." Zum ersten Mal, schenkte Mr Styles ihm ein bewusstes Lächeln und Louis war stolz, dass er ihn zufrieden gestellt hatte. „So und jetzt möchte ich für die verbliebene Zeit meiner Mittagspause nichts Medizinisches hören, sondern mich lediglich mit diesen Frühlingsrollen beschäftigen", sagte er gut gelaunt und begann zu essen.
An diesem Nachmittag, den Louis allein im Büro des Oberarztes verbrachte, um die Aufschriebe in den Computer zu übertragen, wollte sich das Grinsen einfach nicht aus seinem Gesicht wischen lassen. Dass das gemeinsame Mittagessen heute, das Eis zwischen ihnen ein wenig gelockert hatte, ließ sich nicht verleugnen und Louis war motiviert, wie noch nie. Schließlich war es immer gut, wenn man Lob bekam und wenn er ehrlich war, dann wäre es ihm schwer gefallen Biss und Ehrgeiz zu zeigen, wenn der Arzt es nicht honoriert hätte.
Gegen 17 Uhr war er fertig, schaltete den PC aus und brachte die OP Berichte ins Schwesternzimmer, wo man sie den Patientenakten zuordnen würde. Ein wenig planlos, weil er nicht sicher war, was er jetzt zu tun hatte, blieb Louis einen Moment vor dem Zimmer auf der Krankenstation stehen und sah sich um. Hier musste sich sein Chef herumtreiben und die Patienten besuchen, die sie am Morgen operiert hatten. Suchend ging Louis an den geschlossenen Türen vorbei. Hinter vielen war es still, manchmal war ein Fernseher zu hören. Aus einer Tür, die nur angelehnt war, hörte er Stimmen und lauschte, in der Hoffnung, es möge vielleicht Dr Styles sein. Doch es war eine andere Männerstimme: „Halten Sie sich hier fest. Ich setze Sie zurück ins Bett. Geht das?" - „Ja, haben Sie vielen Dank. Ich bin aber auch ungeschickt", sagte eine Frau und klang ganz und gar nicht verlegen. Sie kicherte auch noch. „Das macht doch nichts. In Ihrem Zustand, ist man eben nicht so reaktionsfähig, das kann ich voll und ganz verstehen. Lassen Sie mich nur eben die Scherben auffegen, damit Niemand hineintritt." Schritte näherten sich der Tür und der Pfleger, den Louis gestern nach dem Weg gefragt hatte, kam heraus. Er trug ein Tablett in der Hand. Die Tasse fehlte. „Hallo Mr Tomlinson", sagte er, als er ihn sah und stellte das Tablett in den Essenswagen. Als er seinen Blick bemerkte sagte er: „Sie hatte eine OP am Knie und ist noch ein wenig zittrig von der Narkose. Das ist heute schon die zweite Tasse, die sie fallengelassen hat. Ich überlege schon, ihr nur noch Plastikgeschirr aufs Zimmer zu bringen, dann hätte ich weniger Arbeit. Aber sie macht das ja nicht mit Absicht." Er lächelte verständnisvoll, öffnete einen Wandschrank und holte einen Handfeger hervor. „Mr Malik, haben Sie zufällig Dr Styles gesehen?", fragte Louis, bevor der Pfleger wieder im Zimmer verschwinden konnte. „Ohja, der ist in Raum 62.4", sagte er und verschwand wieder in dem Krankenzimmer, um die Scherben aufzulesen.
Als Louis am Nebenzimmer vorbeiging, war eine Frau zu hören, die telefonierte und er schnappte nur einen Gesprächsfetzen auf: „....aber dieser Pfleger ist schon ein richtiger Schnuckel." Louis gluckste, als ihm klar wurde, dass die Tasse der Patientin heute sicherlich nicht versehentlich zu Bruch gegangen war.
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Six Months • Part I
FanfictionLouis startet sein 6 monatiges Praktikum im größten Krankenhaus Großbritanniens. Mit seinem betreuenden Arzt hat er einen schlechten Start und irgendwie das Gefühl, dass der ihn nicht leiden kann. [Larry-AU] Highest Ranking: #6 Fanfiktion 18.8...