Sein Rat

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„Bis später!", rief Anna, und rannte aus dem Haus, um dem Zigarettenrauch so schnell wie möglich zu entkommen. Ihre Mutter murmelte noch etwas, aber sie konnte es nicht verstehen.

Es war November, weswegen es eiskalt draußen war. Anna drückte ihre dicke Jacke fest an sich, als sie auf dem Schulweg war. In der Schule angekommen sah sie Melissa und ein paar andere Mädchen aus ihrer Parallelklasse und schlich so unauffällig wie möglich an ihnen vorbei.

„Na, wenn das nicht klein Anna mit ihrer zerlöcherten Secondhand Jacke ist.", kicherte plötzlich eine von ihnen und blickte spöttisch zu ihr herüber. Anna lief einfach weiter, aber die Mädchen folgten ihr.

Melissa stellte sich vor sie und schubste sie ein Stück zur Seite.

„Hey, was glaubst du, wer du bist, mich zu ignorieren?" Sie grinste.

„Ja, genau! Was glaubst du, wer du bist?", wiederholte eine ihrer Freundinnen.

Anna sah verzweifelt an sich herunter. Sie hatte die Jacke zum Geburtstag bekommen, der grade mal drei Tage her war. Sie war also neu, aber tatsächlich auch ziemlich schmutzig und zerlöchert. So hatte sie sie bekommen.

„Meine Mama verdient eben nicht so viel Geld, was kann ich denn dafür?", sagte Anna und überraschte sich selbst mit ihrer Lautstärke und dem plärrenden Tonfall.

„Wie ein kleines Kind.", sagte Melissa.

„Ja, ein armes, kleines, hässliches Kind." Die Mädchen kicherten und als Anna weglaufen wollte, stellte eine von ihnen ihr ein Bein, woraufhin sie in den kalten Schnee fiel.

Früher hatte ihre Mutter ihr oft gesagt, dass das alles ihre Schuld sei. Dass die Familie so wenig Geld hätte, weil Anna ja jeden Luxus bräuchte und ihr Vater angefangen hätte zu trinken, weil sie so viel Ärger machte.

„Ohne dich wäre alles viel besser!", sagte sie immer.

Aber es ist nicht meine Schuld! Was kann ich dafür, dass meine Mutter ein Kind bekommen hat? Und was weiß ich, warum Papa trinkt! Anna stand wieder auf. Sie war unfassbar wütend. Sie wusste zwar nicht genau auf wen, aber die ihr nächste Person war Melissa.

Sie! Sie ist es! Wieso kann sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?! Sie hat alles, was ich nicht habe, und trotzdem muss sie mich noch runter machen, um sich gut zu fühlen!

Sie holte aus, und versuchte, Melissa zu schlagen. Sie gab sich alle Mühe, aber sie rutschte ab und fiel erneut in den Schnee.

Die Mädchen kriegten sich gar nicht mehr ein vor lachen.

Eine von ihnen zog an Annas Jacke, bis der Stoff letztendlich nachgab und riss. Sie sagte noch etwas, aber Anna blendete sie aus. Weg, dachte sie. Irgendwohin, nur weg.

Sie sprang auf und rannte so schnell sie konnte vom Schulgelände. So lange, bis sie vollkommen außer Atem war und keine Ahnung mehr hatte, wo sie war. Die Jacke war auf dem Schulhof zurückgeblieben, weswegen sie nun in einem dreckigen T-Shirt mitten auf der Straße einer recht unbelebten Gegend stand und fror. Sie setzte sich auf den Boden in einer kleinen Gasse und dachte wieder an das, was passiert war. So sehr war sie noch nie gedemütigt worden. Sie begann zu weinen, bis sie plötzlich jemand an der Schulter packte. Panisch schreckte sie auf und erkannte einen jungen Mann, der sie besorgt ansah.

„Bist du okay?", fragte der und setzte sich neben sie. Richtig ... es gibt auch noch nette Menschen.

„Ja, ich bin nur ... Ich hatte nur Probleme in der Schule." Der Mann sah ihr Hemd an und nickte dann langsam.

„Ich kenne das. Schüler können grausam sein. Ich hatte früher auch viele Probleme in der Schule, weil meine Mutter zu der Zeit arbeitslos war. Ich bin sehr oft weg gelaufen."

Sein RatWhere stories live. Discover now