12: Der Spur auf der Spur

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Jungs
Mädchen

○●○

"Leana, jetzt komm endlich!", sagte ich ungeduldig und beobachtete sie dabei, wie sie Bücher und Mappen zusammensuchte. Schon mehrmals hatte ich ihr den Vorschlag gemacht, die Schultasche einfach mal abends zu packen, aber sie wollte ja nicht auf mich hören. 
Ich stand schon in der Tür und sah auf die Uhr. Fast acht. Wir waren spät dran.
"Jaha! Nicht jeder ist morgens so fit wie du!", sagte sie genervt und stürmte an mir vorbei. Endlich!
Ich zog die Tür schnell hinter mir zu und wir liefen zügig zur Schule.

"Ah, Fräulein Ponti und Fräulein Belli. Schön, dass Sie auch noch zu uns finden", sagte die Erdkundelehrerin streng und hob eine Augenbraue.
"Tut uns wirklich leid!", meinte Leana außer Puste. "Aber wir-"
"Schon gut, schon gut. Ich werde heute mal ein Auge zu drücken, aber das mir das ja nicht wieder vorkommt! Und Leana macht sich jetzt mal schnell auf den Weg in ihre eigene Klasse!" Wir nickten kurz und ich setzte mich schnell hin. Puh! Noch mal Glück gehabt!

Nach zwei Stunden Erdkunde und einer Pause, die ich mit meinen Freundinnen verbracht hatte und mir Schwärmerein über mehrere Jungs -die ich nicht ganz verstand- anhören musste, hatten wir Geschichte. Aber leider konnte ich nicht bis zum Schluss bleiben, denn ich sollte ja um zehn Uhr am Tor stehen. Die Frage war jetzt nur: Mit welcher guten Ausrede konnte ich den Rest des Tages schwänzen? 

"Entschuldigung?", meldete ich mich.
"Ja, Maria?", fragte mich die Lehrerin.
"Ich habe total starke Unterleibschmerzen! Könnte ich mich bitte hinlegen gehen?", fragte ich mit schmerzverzerrtem Gesicht und hielt mir den Bauch.
"Oh, aber natürlich. Vielleicht holst du dir erst eine Schmerztablette aus der Krankenstation. Soll dich jemand begleiten?" Besorgt musterte sie mich.
"Ich glaube, ich kriege das auch alleine hin." Schnell packte ich meine Sachen ein und hielt mir dabei immer den Bauch. Irgendwie musste es ja glaubwürdig rüberkommen.
"Gute Besserung!" Wurde mir noch zugerufen, bevor die Tür ins Schloss viel. Ich tat immer noch so, als hätte ich Schmerzen, bis ich um die erste Ecke bog. Kurz schaute ich hinter mich, ob mir jemand folgte und als die Luft rein war, ging ich schnell zum Tor. Dieses Mal war ich zu erst da.

Ich nutzte die Zeit und steckte mir meinen Ohrstecker ins linke Ohr. Dann versuchte ich mich schon mit meinen Freundinnen zu verbinden und zu testen, ob die Verbindung stimmte.
"Hey, Falvia, Teresa! Könnt ihr mich hören?" Es knackte zwei mal, bis ich auch schon bekannte Stimmen hörte.
"Aleeeex! Hey! Weißt du eigentlich wie langweilig es hier ohne dich ist?"  Sofort musste ich grinsen.
"Ich kann es mir vorstellen! Aber ohne euch ist es auch nicht gerade interessant hier."
"Wir haben mitbekommen, dass du deinen Partner wechseln wolltest!", hörte ich die beiden lachen.
"Fangt mir bloß nicht damit an! Wenn ihr wüsstet, wie idiotisch Jungs sein können!", sagte ich und verdrehte die Augen dabei.  
"So, so...aber mach dir nichts draus! Man muss sich halt erst an deinen Charakter gewöhnen!" Wie ich Flavias Sprüche vermisste.

Auf einmal tauchte Leonardo auf. "Anscheinend hast du dich schon verbunden. Gut so. Jungs? Baut mal eine Verbindung zu den Mädels auf! BV35 79 JsG 63." Es knackte wieder und dann hörte ich auch schon zwei weitere Stimmen.
"Hallihallo, Mädels!"

Ich ignorierte dies und sah auf meine Uhr am Handgelenk und dann zu Leonardo.
"Du bist spät dran. Sieben Minuten und 23 Sekunden zu spät. Wie kommt's? Ich dachte, du bist hier der Super-Spion?" Ich verschränkte meine Arme und zog eine Augenbraue hoch.  
"Ich brauchte halt eine passende Ausrede. Als Junge ist es nicht so einfach!", verteidigte er sich.
"Du hast starke Kopfschmerzen oder du hast dir beim Sport irgendetwas geprellt oder so und jetzt tut es richtig weh oder einfach Bauchschmerzen....mir fallen eigentlich noch genug Gründe ein", zählte Flavia auf und ich verkniff mir ein Grinsen.
"Ja ja...schon klar! Hab's kapiert. Lass und jetzt gehen, Alexandra."
"Ah, Alexandra...schöner Name", hörte ich und verdrehte dabei die Augen.
"Darf ich vorstellen. Das sind Christian und Luca", sagte Leonardo mit einem bescheuerten Grinsen.
"Ja, und sie sind genauso bescheuert wie du", sprach ich meine Gedanken laut aus.
"Yeah! Wie wir sehen, hast du deine große Klappe immer noch", sagten Teresa und Flavia und ich hörte, wie sie sich abklatschten.
"Jetzt bist du dran, Alex. Stelle uns doch bitte deine lieben Freundinnen am anderen Ende vor", sagte einer der Jungs.
"Das sind Flavia und Teresa. Beide natürlich Top-Agentinnen, keine Frage", erklärte ich, während ich Leonardo dabei ansah. Jetzt verdrehte er die Augen.
"Diese Mission wird nicht nur für dich interessant!"
"Wir müssen euch recht geben. Wird sicher 'ne Menge Spaß machen!"
"Nächstes Mal lassen wir die Verbindungen lieber und gehen alleine!", flüsterte ich Leonardo zu.
"Hey! Das haben wir gehört!", sagten alle vier gleichzeitig.

"Gut. Was hast du genau herausgefunden?", fragte ich Leonardo auf dem Weg.
"Also das Wichtige zu erst: Ich. Hatte. Recht!" Ich blieb stehen und sah ihn wütend an, während er mich provozierend anlächelte. Er wusste genau, dass mich das störte.
"Immer locker bleiben, Alex! Dieser Idiot hat es nicht verdient. Such dir einen Baum oder so und schlag ein paar mal gegen, dann wird's besser!", riet mir Teresa und ich ballte meine Hände automatisch zu Fäusten.
"Hey! Das ist unser Freund! Er ist kein Idiot!"
"Jungs, die Tatsache, dass er euer Freund ist, bestätigt nur, dass ihr alle Idioten seid!", sagte Flavia locker. Ich musste anfangen leicht zu lachen und automatisch verflog ein Teil meiner Wut. Wie ich Flavia und Teresa vermisste.

"Komm, gehen wir weiter", sagte Leonardo etwas eingeschnappt und wir gingen los.
"Willst du mir jetzt sagen, was wir machen? Und wollen wir nicht die Räder nehmen oder so?", fragte ich verwirrt.
"Nein, die brauchen wir nicht und die wären nur im Weg. Also, ich habe bei der Nummer angerufen-"
"Die ICH Franco Pasquarelli entwendet habe!", meinte ich und ein wenig Stolz schwang in meiner Stimme mit.
"Wow, starke Leistung!", hörte ich die Jungs ironisch sagen.
"Ja...also, als ich dort anrief, meldete sich, wie gesagt, eine Frau. Sie dachte auch sofort, ich sei Franco und redete einfach drauf los."
"Muss ja nicht die hellste Leuchte sein..."
"AUF JEDEN FALL-" Langsam wirkte er etwas genervt von den Unterbrechungen und ich lachte in mich hinein. Leider fand ich es nicht nur komisch, sondern auch total sexy wie er sich aufregte. "Auf jeden Fall habe ich mich dann auch als Franco ausgegeben und anscheinend hat es ja geklappt. Dank der Infos, die mir diese Frau offenbart hat, haben meine Jungs dann einen Ort gefunden, der zur Beschreibung passen könnte und sogar hier in der Nähe ist. Darum brauchen wir die Räder nicht und werden da jetzt zu Fuß hingehen. Kondition wirst du ja wohl genug haben, so wie du die Mädchen gestern gequält hast", fügte er am Ende noch hinzu.
"Ich habe sie nicht gequält, aber für einen erfolgreichen Sieg muss man eben auch viel Arbeit und Schweiß investieren!", verteidigte ich mich.
"Oho! Hört an, hört an. Da scheint ja ein richtiger Profi zu sprechen!"
"In was musst du den jetzt schon wieder die Beste sein, Alex?", seufzte Teresa.
"Na ja....also...die anderen Klassen haben eine Wette...ob die Mädels oder die Jungs gewinnen und, na ja, ich helfe ein wenig bei den Vorbereitungen...."
"Kampfsport oder Hip Hop?"
"Hip Hop."
"Alles klar, wir können es uns vorstellen."

Wir liefen noch eine Weile still nebeneinander her, bis wir am Rand eines Waldes ankamen. "Leo, ihr seid gleich da. Ihr müsst nur in den Wald hinein gehen, aber nicht auf dem Weg bleiben, sondern nach der dritten Markierung rechts einbiegen."
"Geht klar. Danke, Jungs!"
"Moment! Das ist doch aber falsch!", warf Flavia ein.
"Ist es nicht!", meinte einer von Leos Freunden genervt.
"Sie müssen schon nach der zweiten Markierung nach Links!", bestand Flavia auf ihre Meinung.
"Gar nicht wahr! Schau doch auf die Karte!"
"Schau DU doch besser auf die Karte!"
"Leute! STOP! Das bringt uns gar nichts, wenn ihr euch nicht einig seid!", unterbrach sie Leonardo. Flavia war auch nicht gerne im Unrecht. Klar, wer war das schon, doch in dieser Situation half es uns gar nicht.

"Flavia, beruhige dich! Teresa, was hast du für mich?", versuchte ich nun die beiden Hitzköpfe auseinander zu halten.
"Beide liegen falsch."
"HÄ?! Aber ihr habt es doch dort auf dem PC vor euch stehen!"
"Ja, aber ihr habt auf die falsche Anordnung geschaut. Wenn man die Karte so betrachtet, dass sie von dort kommen, dann ist es die dritte Markierung."
"Und wenn du dir das so anschaust, dann wäre es die Zweite", erklärte Teresa gerade Flavia.
"Aber die Richtige ist die Vierte!", sagten dann Teresa und einer von den Jungs gleichzeitig. 
"Gut, also die Vierte, Christian?", versicherte sich Leonardo noch einmal.
"Jap!"
"Gut, dann nehmen wir die Vierte. Danke, Tes!", meinte nun auch ich.

Zusammen mit Leonardo betrat ich den Wald und wir bogen nach der vierten Markierung, die jeweils an den Bäumen in gewissen Abständen - ich glaube immer 60 Meter - angebracht waren, ab und kämpften uns querfeldein durch das Dickicht. Wir schoben herabhängende Äste zur Seite und traten auf altes Laub, welches am Boden lag.
Plötzlich spürte ich wie mich jemand ins Gestrüpp hinter ein Gebüsch drückte.
"Was zum-?", aber er ließ mich nicht ausreden, denn er legte seinen Zeigefinger auf meine Lippen und mit dem anderen zeigte er nach vorne. Erst sah ich ihn verdattert an, doch dann blickte ich in die Richtung, in die er zeigte, und meine Augen weiteten sich leicht.

Ich glaube ich träumte! Das. Konnte. Nicht. Real. Sein.

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