Das vierte Jahr: Amelìa

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Als ich neun Mondzyklen später durch das griechische Lager zum östlichen Rand schritt, konnte ich die Angst immer noch spüren. Schon war ich bei den abgebrannten Hütten angekommen und schritt über den sandig aschigen Boden. Ich zwang mich, den verwüsteten Teil des Lagers zu durchqueren, auch wenn sich mir dabei der Magen zusammenzog.

All die Erinnerungen kamen wieder hoch. Mein Herz begann Sprünge zu machen, als ich zurück an die Jagd dachte. An den Moment, in dem das trojanische Heer unsere Krieger mehr oder weniger überrascht hatte. Denn alle hatten wir bei weitem nicht warnen können. Dazu war das Lager einfach zu riesig gewesen.

Andererseits hatte man die feindlichen Krieger zumindest im zweiten Teil des Lagers wütend erwartet. Niemals zuvor hatte ich in der Dunkelheit gekämpft. Und ich hoffe, dass ich es auch nie wieder würde tun müssen.

Als ich den aschigen Untergrund hinter mir gelassen hatte, trabte ich zum Meer, wo ich meine Sandalen auszog. Dann legte ich sie an den Strand und watete ins knöchelhohe Wasser. Eifrig rubbte ich den schwarzen Staub von meinen Füssen. Niemand wusste genau, wie viel Krieger mit ihren Hütten verbrannt worden waren. Doch immer, wenn ich den östlichen Teil des Lagers durchqueren musste, fragte ich mich unweigerlich, welche Asche sich an meine Füsse gehaftet hatte. War es nur die von niedergebranntem Holz oder auch der Überrest eines tapferen Kriegers?

Schnell schüttelte ich mich, um die bösen Gedanken aus meinem Kopf zu bekommen. Dann wusch ich mir mein brennend heisses Gesicht.

Obwohl ich in die herrliche Versuchung kam, mich gänzlich dem kühlen Nass hinzugeben, kehrte ich zu meinen Sandalen zurück. Dann ging ich barfuss den Strand entlang, wo die kleinen Wellen immer wieder meine Füsse benetzten.

Ich konnte mir gar nicht mehr vorstellen, wie es gewesen war, als ich das Meer noch nie gesehen hatte. So weit schien diese Zeit schon zurück. Als wäre ich inzwischen in einem anderen Leben.

Während die Hitze immer stärker wurde, gewann ich an Distanz zum Lager. Nach einer halben Ewigkeit wollte ich mich diesen Morgen endlich wieder einmal waschen. Von Kopf bis Fuss. Und all den Dreck und die Angst für einmal abspülen.

Wie gewohnt schritt ich um eine Klippe, hinter der sich eine kleine Bucht versteckte. Noch nie hatte ich hier jemanden anderen gesehen. Anscheinend konnte die Bucht meine Geheimnisse recht gut bewahren.

Doch gerade als ich über die Steinbrocken kletterte, die ich überwinden musste, wenn ich nicht um die Klippe herumschwimmen wollte, erblickte ich eine badende Gestalt im Wasser. So leise ich konnte schlich ich die Felswand entlang zum Strand. Schliesslich landete ich im schmalen Felsengang, welcher mich nun noch von der Bucht abschnitt. Ich ging ihn langsam entlang und genoss die Kühle in den Steinen.

Die badende Figur hatte sich irgendwie ungewohnt bewegt. Gewiss war ich längst nicht mehr das neugierige und unvorsichtige Weib von früher. Dennoch ging mir das Bild der Gestalt nicht mehr aus dem Kopf. Da meine Augen nicht die allerbesten waren, hatte ich die Person nicht erkennen können. Doch etwas an ihr schien mir unangenehm vertraut.

Schliesslich hatte ich die Stelle im schmalen Tunnel erreicht, wo die Felswand ein kleines Loch hatte. Ganz gegen meine eigentliche Natur wagte ich einen Blick durch die Öffnung. Doch als ich aufs Meer blickte, war die Figur verschwunden.

Hatte ich sie mir nur eingebildet? Vielleicht hatte ich nur einen grossen Fisch gesehen, oder meine Augen hatten mich ganz einfach getäuscht. Aber ich war mir doch so sicher gewesen, dass die Figur da gebadet hatte.

Ohne meiner Verwirrung mehr Raum zu schenken, bewegte ich mich auf den Ausgang des Tunnels zu. Meine Atemzüge waren das einzige Geräusch, dass ich wahrnahm.

Die letzte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt