Kapitel 4

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„Nein. Bitte nicht", flehte ich und empfand Angst. Pure Angst. „Es ist wegen ihm oder?"
„Nein", sagte ich entschlossen, beinahe kreischend und bekam eine Ohrfeige, die mich zum schweigen brachte. Mein Kopf schnellte zur Seite und mein Gleichgewicht schwankte, wobei ich eine Vase mit zu Boden riss, die sofort in tausend Teile zersprang. „Lüg' mich nicht an!"
„Ich lüge dich nicht an, bitte lass mich los. Du bist nicht du selbst", flehte ich verzweifelt und mickrig, während ich mir Tränen aus meinem Gesicht wischte. „Erst wenn du mir versprichst, dass du dieses Haus nie mehr verlassen wirst."
Mein Blick war immer noch auf dem Boden gerichtet, doch ich konnte es ihm nicht versprechen. Ich konnte doch nicht mein Leben lang eingesperrt leben, mit jemanden, der mich misshandelte. Das war keine Liebe.
„Versprich es!", schrie er jetzt schon und wieder spürte ich, wie meine Wange anfing zu schmerzen. „Ich kann nicht", flüsterte ich und wurde augenblicklich zu Boden geschmissen. Ich fiel immer weiter, es wurde dunkel, doch mein Fall war endlos.

Panisch richtete ich mich auf und tastete meinen Arm und meine Hüfte nach Schnittwunden ab. Erleichtert stellte ich fest, dass es keine Erinnerung gewesen war. Es war nur ein Traum, redete ich mir immer wieder ein, um mich zu beruhigen und machte die Nachttischlampe neben mir an. Mit zitternden Händen, strich ich mir meine verschwitzten Haarsträhnen aus meinem Gesicht und atmete mehrmals ein und aus. Anscheinend musste ich geweint haben, denn meine ganze Wange war nass. Der Traum wirkte so real, so echt und ich hatte Angst.

Ich schnappte mir meine beige Strickjacke, die überm Stuhl lag und entschloss mich dazu, kurz einmal an die frische Luft zu gehen. Ich hatte das Gefühl zu ersticken in diesem Zimmer. Ich brauchte einfach kurz Zeit und was anderes um mich herum, um meine Gedanken zu klären. Sie waren laut und furchtbar durcheinander. Ich sah Gesichter, die ich zuvor noch nie sah und sie alle kreisten in meinem Kopf. Bin ich etwa verrückt?

Es stellte sich als gute Entscheidung raus, als ich die ersten Schritte durch die Straße lief und meinen zittrigen Atem langsam wieder unter Kontrolle bekam. Ich lief einfach ein wenig die Straße entlang, auf welcher sich niemand befand und die mit Straßenlaternen beleuchtet war. Der Himmel war klar, sodass der Halbmond und die vielen kleinen Sterne zu sehen waren. Ich unterdrückte dieses Bedürfnis zu schreien und lief anstelle nur vorwärts. Es tat gut und nach jedem Schritt wurde es leichter und besser. Nach drei Minuten kam zu meiner linken ein Waldrand und automatisch blieb ich stehen, um hinein zu schauen.

An sich war es nur ein gewöhnlicher Wald mit normalen Blättern und normalem Boden, welcher bedeckt mit Laub war, aber irgendetwas an ihm zog mich an. Ich hatte das starke Bedürfnis hineinzugehen, so absurd es auch klang. Ein Teil in mir, riet mir sofort umzudrehen und endlich in mein Bett zu gehen. Doch der andere Teil, der mir viel größer erschien, zwang mich fast schon, ein Fuß hinein zu setzen. Ich suchte immer wieder Ausreden, warum ich nicht hinein gehen sollte, doch meine Füße setzten einfach von alleine ihren Weg fort.

Es war, als wenn Sie wüssten was sie machten, doch ich wusste, dass es allein die Neugierde war, die mich lenkte und mich in Versuchung brachte.
Was war dort nur und wieso hatte ich dieses starke Bedürfnis?
Ich haderte, bis ich schließlich mich vom Baum abstieß und beschloss meinen Kopf abzustellen. Ich werde gehen. Käme jetzt ein Serienmörder, wäre ich selber schuld.

Die Tatsache, dass ein 19 jähriges Mädchen mitten in der Nacht, ohne jegliche Erinnerung in den Wald spazierte, versuchte ich einfach zu verdrängen. Nichts hier war normal, warum also sollte ich mich dann so verhalten, als wäre ich es?

Ich schlängelte mich durch die Bäume hindurch, lief rechts, dann ein wenig nach links und irgendwann sah ich Wasser, auf welchem sich der Mond spiegelte. Es sah schön aus und umso länger ich hinauf schaute, umso mehr wurde mir bewusst, dass ich es einmal gesehen haben musste. Rechts war ein kleines Boot aus Holz zu sehen und Licht, welches von einer Laterne stammt, die zu einem kleinem Holzhaus gehörte. Rauch stieg hinaus und das Haus schien auch von innen beleuchtet zu sein.

Remember meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt