#84 - Tausend Gefühle

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Vorsichtig griff ich in das Kästchen und holte den Inhalt heraus.

Es waren zwei Bilder und ein Stückchen Papier. Zuerst sahen wir uns die Bilder an. Das eine war von einer bildhübschen Frau, die schulterlange blonde Haare besaß. Sie saß elegant auf einem Stuhl auf einer Terrasse und lächelte in die Kamera.

»Skye's Mutter«, vermutete Ryan und nahm mir das Bild aus der Hand. Er drehte es um und sah nachdenklich auf die Rückseite. »Das Bild wurde im Juni zweitausend zwei aufgenommen. Hier steht das Datum.«

Ich nahm das andere Bild in die Hand und betrachtete es genauer. Darauf war ein großes Schloss zu sehen. Ich drehte es um und las, was auf der Rückseite stand. »Newcastle West, Limerick. Desmond Castle«, las ich laut vor. »Das ist in Irland, oder?«

Liz schnappte sich das Bild und betrachtete es für einen Augenblick. »Jep«, bestätigte sie nach wenigen Augenblicken. »Das sind wahrscheinlich Erinnerungen an ihre Mutter.«

»Weiß sie überhaupt, dass ihr Tochter entführt wurde?«, fragte ich mich laut.

»Das weiß ich nicht«, antwortete mir Ryan und sah von den Bildern auf. »Was steht auf dem Stück Papier?«

Liz schnappte es sich, bevor ich reagieren konnte, und las es vor. »Liebe Skye«, begann sie. »Ich weiß, dass du wegen der Scheidung deines Vaters und mir eine schwere Zeit durchmachst, aber ich würde es wirklich begrüßen, wenn du dich mal meldest. Kyna vermisst dich, genau wie ich. Ich habe dir noch ein Bild von unserem Lieblingsschloss beigefügt. Im Sommer sind wir da ziemlich oft hingefahren, erinnerst du dich noch? Kyna hat es auch geliebt. Ich hoffe wirklich, dass du in deiner neuen Schule schnell neue Freunde findest und du dich an England gewöhnst. Alles Liebe, deine Mutter.«

»Wer ist Kyna?«, fragte ich verwirrt, als Liz zu Ende gelesen hatte.

Ryan runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Vielleicht ein Haustier?«

»Der Hund!«, rief Liz plötzlich aufgeregt dazwischen. »Ich habe ein Foto von einem Hund auf Skye's Schreibtisch gesehen.«

»Dann ist Kyna wohl der Hund ihrer Mutter«, schlussfolgerte Ryan. »Und Das Portrait von ihrer Mutter hat Skye wohl mit ins dieses Kästchen gelegt, was wohl ihrer Mutter gehört hatte. Die Initialen G.F. stehen für ihre Mutter, denke ich.«

»Dann ist Skye's Verbindung mit dem Brief und den Fotos bestehend«, sagte ich. »Damit könnten wir sie orten!«

»Nicht so schnell«, unterbrach Ryan meine Aufregung. »Du brauchst etwas Übung. Und dafür sollten wir in die Stadt fahren. Da gibt es genug Orte, wo Liz hingehen könnte, damit du sie aufspüren kannst.«

»Wieso machst du das nicht?«, meckerte sie sofort.

»Weil du ohne Führerschein kein Auto fährst, verstanden?« Ryan musterte sie streng.

Sie seufzte und lehnte sich in ihrem Sitz zurück. »Schön, dann fahr endlich los, damit wir anfangen können.«

Ich wandte mich ihr nachdenklich zu. »Hast du überhaupt etwas dabei, was dich damit verbindet oder was dir viel bedeutet?«, fragte ich sie. Ich bezweifelte es.

»Ja, ich habe was dabei. Aber das kriegst du erst, wenn wir wieder in der Innenstadt sind, okay?«

»Klar doch.«

Plötzlich sah mir Ryan direkt in die Augen und mir stockte der Atem, weil mir bewusst wurde, wie nahe wir uns gerade waren. Ich räusperte mich verlegen und rückte etwas von ihm ab. Er bemerkte es, sagte aber nichts.

Dann startete Ryan den Motor und wir fuhren wieder zurück nach Ashford. Da der Weg etwa nur zehn Minuten betrug, waren wir ziemlich schnell zurück. Ryan hielt am Straßenrand und Liz schnallte sich ab.

Dark WhisperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt