"Sehr geehrte Fahrgäste, in Kürze erreichen wir München Hauptbahnhof..."
Den Rest der Ansage blendete ich aus, denn ich wusste bereits, dass wir dort aussteigen würden und mein Blick fand Noah, der neben mir saß und nervös an seinem Ärmel zupfte. An seiner ganzen Körperhaltung konnte ich erkennen, dass er absolut nicht hier sein wollte und jede Möglichkeit nutzen würde, die ihn von der Hochzeit seines Vaters fernhalten würde, nur würde sein Vater absolut nichts davon akzeptieren.
Nachdem ich Noah vorgeschlagen hatte, dass ich gerne mit zu der Hochzeit kommen würde, weil ich wirklich nicht wollte, dass er die Tage mit seinem Vater allein durchstehen musste, hatte er es wirklich irgendwie geschafft seinen Vater zu überzeugen, dass er einen Freund mitbringen konnte. Noch immer glaubte ich, dass der Grund, warum sein Vater letztendlich nachgegeben hatte der war, dass Noah ihm erzählt hatte, dass er die besseren Noten in Mathe wegen mir und unserer Nachhilfe hatte. Ein bescheuerter Grund, aber immerhin hatte es funktioniert und nun saßen wir an diesem Freitagnachmittag gemeinsam im Zug nach München. Frau Schiller hatte es mir zum Glück auch erlaubt, denn ohne ihr Einverständnis hätten wir das nicht so durchziehen können.
Die Idee Noah zu begleiten kam mir, als er im Wald mit seinem Vater telefoniert hatte. Bei dem ganzen Gespräch hatte er so sehr versucht stark zu bleiben, aber an seiner verkrampften Körperhaltung und der Unsicherheit in seinen Augen, konnte ich erkennen, wie sehr es ihn belastete. In mir war einfach wieder der Wunsch gewesen für ihn da zu sein, denn Freunde waren immer füreinander da, auch in schwierigen Situationen. So war es auch immer bei Julia und mir gewesen. In keinem Moment war ich jemals komplett allein gewesen mit meinen Gedanken oder Emotionen und ich war meiner besten Freundin so dankbar dafür. Ich wollte, das Noah auch nicht mehr alles allein durchstehen musste, sondern wusste, dass jemand für ihn da war, wenn er jemanden brauchte.
"Wie fühlst du dich?" Ich stellte meine Frage ganz vorsichtig, denn Noah schien komplett in seinen Gedanken versunken zu sein. Er wirkte abwesend und nachdenklich.
Langsam fand sein Blick dann aber doch meinen und er seufzte leicht. "Nicht gut. Ich habe wirklich überhaupt keine Lust meinen Vater zu sehen und vor seinen Freunden und der Familie der Neuen einen auf glückliche Familie zu machen, aber genau das erwartet er. Er und meine Mutter waren immer wie Schauspieler, wenn andere um uns herum waren, da sie nicht wollten, dass jemand sieht, wie kaputt ihre Ehe und unsere Familie eigentlich ist." Noah hatte den Platz am Fenster und zu der an uns vorbeiziehenden Landschaft wanderten nun auch wieder seine Augen. Fast die ganze Fahrt über, hatte er aus dem Fenster geschaut und gegrübelt. Er hatte wirklich Panik vor diesem Wochenende.
"Du schaffst das. Es sind nur zwei Tage. Sonntag sind wir gegen Abend schon wieder zurück in Erfurt." Ich versuchte ihn damit irgendwie aufzumuntern. Die Hochzeit würde am Samstag sein und heute war irgendein Abendessen mit Familie und Freunden des Brautpaares geplant. Von dem was ich bisher gehört hatte, war alles wohl ziemlich edel und aufwändig geplant. Noah meinte, es würde zu seinem Vater passen, denn der liebte es mit Geld um sich zu werfen und allen zu zeigen, wie viel er davon hatte. "Außerdem bin ich ja da. Dein Vater wird keine Chance bekommen irgendwelchen Mist bei dir abzuziehen." Bei diesen Worten zupfte ein kleines Lächeln an seinen Lippen und ich sah, wie dankbar er war, dass er dieses Wochenende nicht alleine durchstehen musste.
Ich hatte am Anfang ein bisschen Angst davor gehabt, Noah vorzuschlagen, dass ich ihn zu der Hochzeit begleiten wollte, denn vielleicht wäre es zu viel gewesen. Seine Reaktion war allerdings so positiv ausgefallen, dass es sogar mich selbst ein bisschen überrascht hatte, aber es zeigte mir auch, wie viel Vertrauen er bereits in mich hatte und ihm unsere Freundschaft auch ziemlich viel zu bedeuten schien. Nun war ich mehr als froh, dass ich ihm diesen Vorschlag gemacht hatte.
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Irgendwo Ankommen || Nolin
FanfictionDie Geschichte von Colin und Noah komplett neu und komplett anders erzählt. Colin und Noah kommen beide nach den Sommerferien als neue Schüler in das Internat des Albert-Einstein-Gymnasiums in Erfurt. Während Colin zwar offen für neue Erfahrungen un...