POINT OF VIEW
KAI HAVERTZDie Stille in meinem Hotelzimmer war fast erdrückend. Die Wände wirkten enger, der Raum kälter, als er eigentlich war. Draußen hörte ich die gedämpften Geräusche der Stadt, doch sie schafften es nicht, den Knoten in meiner Brust zu lösen. Mein Anzug hing ordentlich gebügelt an der Tür, die Schuhe glänzten perfekt darunter. Alles war vorbereitet, alles lief nach Plan. Und trotzdem fühlte es sich an, als würde ich mich mit jedem Atemzug weiter von mir selbst entfernen.
Ich rieb mir die Schläfen und ließ mich auf die Kante des Bettes sinken. Meine Hände zitterten leicht, was ich mir nicht erklären konnte – oder vielleicht auch nicht erklären wollte. Die Wahrheit war, dass ich nicht hier sein wollte. Nicht in diesem Hotelzimmer, nicht in diesem Anzug, nicht in diesem Leben, das ich mir selbst auferlegt hatte.
„Reiß dich zusammen," murmelte ich zu mir selbst. Es war zu spät, um irgendetwas zu ändern. Die Entscheidung war gefallen, und ich musste sie durchziehen, ob ich wollte oder nicht. Alle dachten, dies sei die perfekte Hochzeit, die Krönung einer perfekten Beziehung. Nur ich wusste, dass es eine Fassade war.
Ein leises Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Ich runzelte die Stirn und stand auf. Wer konnte das sein? Sophia war in einem anderen Hotelzimmer, wie es die Tradition verlangte. Ihre Freundinnen und die Brautjungfern waren bei ihr. Niemand sollte jetzt hier sein.
Ich öffnete die Tür, und in dem Moment blieb die Welt stehen. Julian.
Seine Augen waren gerötet, als hätte er geweint, und seine Lippen zitterten leicht. Ich hatte ihn seit Monaten nicht gesehen, seit unserem letzten Gespräch, das viel zu schnell zu Ende gegangen war. Ich hatte versucht, ihn zu verdrängen, seine Stimme, seinen Duft, seine Berührungen. Aber jetzt, wo er vor mir stand, fiel alles wie ein Kartenhaus zusammen.
„Jule..." Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
„Bitte," unterbrach er mich sofort. Seine Stimme war rau, voller Emotionen. „Bitte heirate sie nicht, Harvey."
Sein Blick durchbohrte mich, und ich fühlte, wie meine Kehle sich zuschnürte. „Was machst du hier?" brachte ich schließlich hervor.
„Ich kann das nicht... ich kann das nicht einfach ignorieren," sagte er, während er die Hände hob, als wollte er sich selbst erklären. „Ich kann nicht einfach tatenlos zusehen, wie du den größten Fehler deines Lebens machst."
„Jule, das ist nicht..." Ich suchte nach den richtigen Worten, nach irgendetwas, das das Chaos in meinem Kopf ordnen konnte. Doch bevor ich weitersprechen konnte, trat er näher, seine Augen glitzerten vor Tränen.
„Kai, ich liebe dich," sagte er, und ich fühlte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte. „Ich liebe dich so verdammt sehr. Ich habe versucht, dich zu vergessen, ich habe alles versucht, aber es geht nicht. Du bist immer in meinem Kopf, immer in meinem Herzen."
Ich schloss die Augen und atmete tief durch. „Jule..." begann ich erneut, doch er ließ mich nicht ausreden.
„Hör auf, mir zu sagen, dass du das tun musst. Hör auf, dir einzureden, dass es keinen anderen Weg gibt!" Seine Stimme wurde lauter, verzweifelter. „Du hast eine Wahl, Kai. Du musst das nicht tun. Wir können einen Weg finden. Zusammen."
Ich schluckte hart und senkte den Blick. Es tat weh, ihn so zu sehen, so verletzlich, so ehrlich. Es tat weh, weil ich wusste, dass ich ihn liebte. Ich liebte ihn so sehr, dass es mich zerriss. Aber ich konnte das nicht. Ich konnte ihn nicht wählen. Nicht in dieser Welt.
„Jule..." sagte ich schließlich, meine Stimme zitterte. „Es tut mir leid. Es tut mir so leid, aber ich kann das nicht ändern."
„Warum nicht?" Er schüttelte den Kopf, seine Stimme brach. „Was hält dich zurück, Kai? Ist es die Angst vor der Öffentlichkeit? Denkst du, ich bin es nicht wert?"
„Nein!" sagte ich sofort und trat näher zu ihm. „Das bist du nicht. Es geht nicht darum, dass du es nicht wert bist. Es geht darum, dass ich... dass ich das nicht kann. Ich kann nicht riskieren, alles zu verlieren."
„Alles?" Er lachte bitter. „Was ist alles, Kai? Deine Karriere? Dein Image? Und was ist mit deinem Glück? Mit deinem Leben?"
Ich schloss die Augen, als seine Worte mich trafen wie ein Schlag in die Magengrube. „Du verstehst es nicht," sagte ich leise. „Ich wünschte, du könntest durch meine Augen sehen. Ich wünschte, du könntest verstehen, wie viel Angst ich habe. Angst, alles zu verlieren. Angst, dich zu verlieren."
„Du verlierst mich gerade," flüsterte er. „Du verlierst mich, Kai. Und es ist deine Entscheidung."
Ich öffnete die Augen und sah ihn an, seine Tränen, seine Verzweiflung. Und ich wusste, dass er recht hatte. Ich wusste, dass ich ihn verlor. Aber es änderte nichts daran, dass ich zu viel Angst hatte, zu viel zu riskieren.
„Ich wünschte, es wäre anders," sagte ich schließlich, meine Stimme brach. „Aber ich kann das nicht. Es tut mir leid, Jule."
Er nickte langsam, als hätte er die Antwort erwartet, aber es machte den Schmerz nicht weniger sichtbar. „Ich habe dich gebeten, für uns zu kämpfen," sagte er leise. „Aber du hast dich entschieden, nicht zu kämpfen."
Ich wollte ihn festhalten, ihn küssen, ihm sagen, dass es mir leidtat, dass ich ihn liebte. Aber ich konnte nicht. Ich konnte nichts tun, außer ihn loszulassen.
„Ich liebe dich," flüsterte ich, und er sah mich an, als wollte er mir glauben. Doch dann drehte er sich um, ging zur Tür und öffnete sie.
„Ich liebe dich auch," sagte er, bevor er hinausging und die Tür hinter sich schloss.
Und ich blieb zurück, allein in meinem Hotelzimmer, mit einem Schmerz, der mich zu ersticken drohte. Ich hatte ihn verloren, und ich wusste, dass ich ihn nie wieder zurückbekommen würde.
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Abseits der Gefühle (Bravertz)
FanfictionSeine Stimme war ruhig, doch ich spürte den Schmerz darin. „Wie kannst du jemanden lieben und gleichzeitig planen, eine andere zu heiraten?" » Kai Havertz und Julian Brandt könnten unterschiedlicher nicht sein: der eine beliebt und unnahbar, der and...