POINT OF VIEW
JULIAN BRANDTDie Luft war kalt, und ich konnte meinen Atem als kleine Wolken vor mir sehen, während ich durch die weihnachtlich geschmückte Stadt lief. Lichterketten spannten sich von den Dächern der Geschäfte, und die Schaufenster waren voller glitzernder Dekorationen. Glühweinstände reihten sich entlang der Straßen, und der Geruch von gebrannten Mandeln und frischen Waffeln lag in der Luft.
Ich wartete an einer Ecke auf Kai, die Hände tief in den Taschen meines Mantels vergraben. Es war einer dieser Abende, an denen ich mich fast normal fühlte, frei von den Gedanken, die mich oft quälten. Der Anblick der Lichter und das Gemurmel der Menschen hatten etwas Beruhigendes, und ich war dankbar, dass Kai vorgeschlagen hatte, uns hier zu treffen.
Ich sah ihn schon von weitem kommen, eingepackt in seine riesige Jacke und seinem Schal, der so dick war, dass er aussah, als hätte er sich eine Decke um den Hals gewickelt. Seine Mütze bedeckte die Hälfte seines Gesichts, und ich konnte nicht anders, als zu grinsen.
„Harvey, du siehst aus wie ein wandelnder Weihnachtsbaum", rief ich, als er näher kam.
„Und du siehst mal wieder aus, als würdest du erfrieren", konterte er und zog mich plötzlich in eine feste Umarmung.
Ich erstarrte für einen Moment, überrascht von der plötzlichen Nähe. Kais Arme waren stark und warm, und er hielt mich so fest, dass ich kaum atmen konnte.
„Warum...warum tust du das?", murmelte ich, mein Gesicht halb in seinem Schal vergraben.
„Halt einfach die Klappe", sagte er leise, seine Stimme war warm, fast beruhigend.
Es dauerte eine Weile, bis er mich losließ. Ich sah ihn verwirrt an, mein Herz schlug schneller, aber nicht wegen der Kälte. „Wofür war das gerade?"
Kai sah mich ernst an, seine Augen suchten meinen Blick. „Das war für alle Situationen, in denen es dir damals Scheiße ging und ich nicht da war."
Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Ich wusste, dass Kai sich schuldig fühlte, nachdem ich ihm von meiner Vergangenheit erzählt hatte, aber ich hatte nicht erwartet, dass es ihn so sehr beschäftigen würde.
„Kai, du... du musst dir keine Vorwürfe machen", sagte ich schließlich, aber er schüttelte den Kopf.
„Doch, Jule", sagte er. „Ich weiß, dass ich nichts dafür kann, aber ich hätte dir damals so gern geholfen. Ich hätte dir diesen verdammten Mist erspart."
Ich schluckte und wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Geste war so unerwartet, so ehrlich, dass ich keine Worte fand, um meine Dankbarkeit auszudrücken. Wir gingen weiter, und die eisige Luft machte unsere Gesichter rot, während wir uns durch die Menge bewegten. Überall waren fröhliche Menschen, Kinder, die mit leuchtenden Augen die Dekorationen betrachteten, und Paare, die sich an den Händen hielten.
Kai und ich redeten über alles Mögliche – die lustigen Trainingseinheiten, die neuesten Streiche von Marcello, und sogar über Sophias Pläne, das Wohnzimmer neu zu dekorieren. Es war leicht, mit ihm zu reden, fast so, als wäre der Moment, als ich ihm von meiner Vergangenheit erzählt hatte, nicht passiert.
Aber trotzdem bemerkte ich es. Immer wieder warf er mir diese Blicke zu – diese bemitleidenden, fast beschützenden Blicke, die mich innerlich kribbeln ließen, und nicht auf eine gute Weise. Kai sprach nicht darüber, aber es war klar, dass er mich in Watte packte. Er war aufmerksam, fast überfürsorglich, und ich wusste, dass das alles aus einem schlechten Gewissen herauskam.
Wir blieben an einem Stand stehen, der Langos verkaufte, und Kai bestand darauf, mir einen auszugeben. „Den musst du probieren, Jule. Der ist besser als alles, was du je gegessen hast."
„Du übertreibst", sagte ich und nahm den warmen, duftenden Teigfladen entgegen. „Aber danke."
Wir aßen, während wir weitergingen, und ich musste zugeben, dass der Langos wirklich gut war. Kai sah zufrieden aus, als er sah, wie ich genüsslich kaute, aber der bemitleidende Blick war immer noch da.
„Kai, hör auf damit", sagte ich schließlich und blieb stehen.
„Hör auf womit?", fragte er und sah mich verwirrt an.
„Hör auf, mich so anzusehen, als wäre ich ein gebrochener Vogel, den du retten musst", sagte ich und sah ihm direkt in die Augen.
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ich hob eine Hand, um ihn zu stoppen. „Ich weiß, dass du ein schlechtes Gewissen hast. Ich weiß, dass du dir Vorwürfe machst, weil du nichts wusstest. Aber, Kai... ich bin nicht dein Projekt. Ich brauche keine Rettung. Ich will nicht, dass du mich bemitleidest."
Kai sah mich einen Moment lang schweigend an, bevor er nickte. „Tut mir leid, Jule. Ich wollte nicht... ich wollte dir nicht das Gefühl geben, dass ich dich anders sehe."
„Das tust du aber", sagte ich ehrlich. „Und ich will, dass du damit aufhörst. Ich will, dass du mich so siehst, wie ich bin – dein Freund. Nicht jemand, der bemitleidet werden muss."
Er atmete tief durch und nickte wieder. „Okay. Du hast recht. Ich war ein Idiot."
„Das siehst du jetzt erst?", fragte ich mit einem schiefen Grinsen, und er lachte.
Die Spannung löste sich, und wir gingen weiter, die Lichter glitzerten um uns herum, und die Luft war erfüllt von der Wärme des Marktes. Wir kauften noch gebrannte Mandeln und teilten sie, während wir weiter redeten und lachten.
Kai war wieder er selbst, und ich war dankbar dafür. Der Abend war schön, und trotz allem fühlte ich mich irgendwie leicht. Es war, als hätte ich ein kleines Stück von dem zurückgewonnen, was mir damals genommen wurde. Und ich wusste, dass ich das Kai zu verdanken hatte.
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Abseits der Gefühle (Bravertz)
FanficSeine Stimme war ruhig, doch ich spürte den Schmerz darin. „Wie kannst du jemanden lieben und gleichzeitig planen, eine andere zu heiraten?" » Kai Havertz und Julian Brandt könnten unterschiedlicher nicht sein: der eine beliebt und unnahbar, der and...