POINT OF VIEW
KAI HAVERTZDas Training lief wie immer – intensiv, schnell und voller Energie. Doch heute fühlte es sich anders an. Ich war nicht sicher, ob es an der Sonne lag, die den Platz in goldenes Licht tauchte, oder daran, dass Jule und ich einfach in der besten Laune waren.
Wir hatten uns in den letzten Tagen häufiger gesehen, und unsere Gespräche waren immer leichter geworden. Das spiegelte sich jetzt auf dem Platz wider. Wir verstanden uns blind, nicht nur im Spiel, sondern auch abseits davon. Wir hatten uns inzwischen so oft geneckt, dass ich nicht einmal mehr sagen konnte, wer damit angefangen hatte.
„Harvey!", rief Jule von der anderen Seite des Feldes. Seine Stimme war immer ein wenig lauter, wenn er mit mir sprach, ein bisschen fordernder. „Hast du den Ball vorhin verschluckt? Beweg dich mal!"
Ich lachte und lief auf ihn zu, während er mir mit diesem breiten Grinsen entgegenblickte, das er immer hatte, wenn er wusste, dass er mich herausgefordert hatte.
„Sei nicht so frech, Jule", sagte ich, während ich mich ihm näherte. „Deine Haarsträhne macht schon genug Arbeit, dir die Sicht zu nehmen."
Er zog eine Augenbraue hoch und schüttelte den Kopf, wodurch die besagte blonde Strähne noch tiefer in sein Gesicht fiel. „Was ist mit meiner Haarsträhne?", fragte er und tat, als wüsste er nicht genau, was ich meinte.
„Sie lebt ihr eigenes Leben", sagte ich mit einem Grinsen und deutete auf seinen Kopf. „Es ist ein Wunder, dass du den Ball überhaupt noch siehst."
Jule zog ein dramatisches Gesicht und strich die Strähne zurück, was für genau zwei Sekunden funktionierte, bevor sie ihm wieder in die Stirn fiel. „Besser?"
„Nicht wirklich", sagte ich und lachte.
„Na gut, Harvey", sagte er und trat näher, seine Augen schmal vor gespielter Ernsthaftigkeit. „Du willst also meine Haare kritisieren? Dann lass uns mal über deinen Bauch sprechen."
Ich sah ihn an, überrascht. „Was ist mit meinem Bauch?"
„Der ist nicht da", sagte er trocken und deutete mit einem breiten Grinsen auf meinen Mittelbereich.
„Was?", rief ich und sah ihn gespielt entrüstet an. „Mein Bauch ist perfekt! Hart wie Stahl."
Jule lachte laut, ein echter, tiefer Klang, der selbst den Trainer dazu brachte, kurz den Kopf zu heben und uns einen warnenden Blick zuzuwerfen. Doch wir ignorierten ihn – das machten wir meistens.
„Hart wie Stahl?", wiederholte Jule, und ich konnte sehen, dass er die Herausforderung annahm. „Das glaube ich erst, wenn ich es überprüft habe."
Ich wollte etwas erwidern, aber bevor ich dazu kam, trat Jule einen Schritt näher und legte seine Hand direkt auf meinen Bauch.
Ich erstarrte. Es war keine große Sache – zumindest sollte es das nicht sein. Aber in diesem Moment fühlte ich, wie meine Kehle plötzlich trocken wurde und mein Herz einen Schlag aussetzte.
„Hm", murmelte er nachdenklich, während er seine Hand leicht drückte. „Ich weiß nicht, Harvey. Hart wie Stahl fühlt sich anders an."
„Hör auf, Jule", sagte ich und trat einen Schritt zurück, während ich versuchte, mein Gesicht neutral zu halten. „Ich hab gesagt, er ist hart wie Stahl, nicht dass er ein verdammter Panzer ist."
Er lachte wieder, sein Grinsen jetzt noch breiter. „Na gut, Harvey. Du hast deinen Punkt gemacht. Aber ich behalte das im Auge."
„Du bist unmöglich", sagte ich, obwohl ich selbst grinsen musste.
Der Trainer unterbrach unsere kleine Szene mit einem lauten Pfiff. „Havertz! Brandt! Wenn ihr genug geplaudert habt, könnten wir vielleicht zurück zum Training kommen?"
„Ja, Coach!", riefen wir im Chor, bevor wir uns gegenseitig einen Blick zuwarfen, der deutlich machte, dass wir nicht bereuten, was auch immer wir gerade getan hatten.
Das Training ging weiter, aber unsere kleine Interaktion hing noch in der Luft. Jule war so locker, so unbeschwert, dass es schwer war, nicht von seiner Energie angesteckt zu werden. Wir neckten uns den ganzen Tag über, und obwohl der Trainer uns immer wieder ermahnte, konnte ich nicht aufhören zu lachen.
In einem stillen Moment, während wir auf unseren nächsten Drill warteten, sah ich ihn an. Seine Haarsträhne fiel ihm wieder ins Gesicht, und er schob sie schnell zurück, ohne darüber nachzudenken. Es war so typisch für ihn – dieser Mix aus Leichtigkeit und Tiefe, der ihn so einzigartig machte.
„Was glotzt du so?", fragte er schließlich, ohne mich anzusehen.
„Nichts", sagte ich und schüttelte den Kopf, obwohl ich immer noch lächelte. „Einfach nur froh, dass du mein Jule bist."
Er sah mich an, und für einen Moment war da etwas in seinem Blick, das ich nicht ganz deuten konnte. Dann schüttelte er den Kopf und lachte. „Du bist echt ein Idiot, Harvey."
„Und trotzdem bist du hier", sagte ich und grinste.
„Ja, ja", murmelte er, bevor der Trainer wieder pfiff und wir zurück an die Arbeit gingen.
An diesem Tag wurde mir klar, dass ich niemanden sonst in meinem Leben wollte, der mich so verstand wie Jule. Und obwohl wir uns ständig gegenseitig aufzogen, wusste ich, dass er genau das Gleiche dachte.
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Abseits der Gefühle (Bravertz)
FanfictionSeine Stimme war ruhig, doch ich spürte den Schmerz darin. „Wie kannst du jemanden lieben und gleichzeitig planen, eine andere zu heiraten?" » Kai Havertz und Julian Brandt könnten unterschiedlicher nicht sein: der eine beliebt und unnahbar, der and...