Nach dem Abend hatten Leonie und Alisha nicht weiter über den Vorfall nach dem Konzert geredet, was Alisha mit nur noch mehr verwirrenden Gefühlen sitzen ließ. Auch mit der Feststellung, dass Felicia nun ziemlich sicher von ihren Gefühlen wusste, wusste sie nichts anzufangen. Sie wusste es immer noch nicht hundertprozentig, und sie wollte sich selbst auch nicht Felicia gegenüber offenbaren, sosehr sie dieser auch vertraute. Mit ihren Gefühlen völlig durcheinander geschmissen und einem tiefen Verlangen nach Leonie und ihrer Nähe verstrichen die Wochen eine nach der anderen. Sie traf sich in der Zeit oft mit Leonie, doch irgendetwas war anders, jedenfalls fühlte es sich für sie so an. Es war, als würde jemand langsam einen Keil zwischen sie treiben, mit jedem Mal ein wenig weiter. Sie traute sich einfach nicht mehr, Leonie zu nahe zu kommen und Leonie schien es auch zu vermeiden, sich ihr unnötig zu nähern. Ein paar Mal, nachdem sie sich abends voneinander verabschiedeten, konnte Alisha kaum ihre Tränen zurückhalten. Sie war so verzweifelt, denn alles, was sie mit Leonie die letzten Monate aufgebaut hatte, schien auf einmal stetig auseinanderzufallen. Sie gewöhnte sich daran, sich nachts in den Schlaf zu weinen und weigerte sich vehement dagegen, jemandem davon zu erzählen, denn sie hatte Angst davor, dieses Thema anzuschneiden. Wenn sie das irgendwem erzählte, würde sie auch alles, was dahinter steckte preisgeben müssen, und das hätte sie nicht verkraftet. Wenn doch nur ihre Eltern nicht so streng und konservativ wären, dann könnte sie vielleicht mit ihnen reden. Doch jedes Mal, wenn sie dachte, ihre Eltern würden es schon irgendwie akzeptieren, dass sie Leonie liebte, verfiel ihr Vater beim Abendessen wieder einmal in einen Redeschwall über die heutige Jugend, deren Ideologien, wie unnatürlich es doch wäre, mit dem gleichen Geschlecht eine Beziehung zu führen und dass man solche Leute alle in Irrenanstalten schicken sollten, wobei ihre Mutter natürlich jede seiner Aufregungen befürwortete. Sie fühlte sich so alleine. Sie wusste nicht mehr weiter. Sie wollte das alles nicht mehr. Mit der Zeit fiel sie wieder in ein Loch, in das sie es seit Monaten nicht mehr gefallen war. Sie ging kaum noch raus, redete mit fast niemandem mehr und verschloss sich einfach der Welt. Sie verbrachte die meiste Zeit in ihrem Zimmer und lenkte sich mit Spielen, Filmen oder Youtube von ihren Gefühlen ab. Felicia, Maria und Lea waren für sie vergessen und nur mit Leonie tauschte sie manchmal ein paar Nachrichten aus, wenn diese mal nach ihr schaute. Aber selbst das zwang sie sich nur ab, damit Leonie sich keine Sorgen machen würde. Am liebsten wäre sie gar nicht mehr hier. Am liebsten würde sie all das vergessen, alles was sie die letzten Monate getan und erlebt hatte, alles was sie gesagt hatte, und sogar Leonie selbst wollte sie vollkommen vergessen. Jedes Mal, wenn ihr dieser Gedanke kam, brach sie wieder in Tränen aus und sank noch ein wenig tiefer in ihr Loch. Wollte sie wirklich die Person, die sie auf dieser Welt am meisten liebte, vergessen? Ihr Kopf wollte es. Denn wenn sie Leonie vergaß, würde alles wieder gut werden, doch ihr Herz hielt sich stur an den unzähligen Gefühlen und Erfahrungen fest, die sie mit Leonie verband. Immer weiter rutschte sie in die Schlucht der Verzweiflung, doch sie wollte nichts dagegen tun. Wofür denn auch? Doch während sie sich vor der Welt verkroch, drehte die sich weiter. Der erste Advent kam und ging und plötzlich war es Dezember, womit auch Alishas Geburtstag nicht mehr weit entfernt lag, doch das nahm sie in ihrem von der Welt abgeschotteten Zustand überhaupt nicht wahr.
Dezember war nun offiziell angebrochen und das brachte eine wunderbare Weihnachtsstimmung mit sich. Es schneite nun öfters und die Häuser um sie herum so wie ihr eigenes waren Weihnachtlich geschmückt und glitzerten nur so vor Lichterketten. Der Geruch von Plätzchen erfüllte das Haus und die Weihnachtslieder, die ihre Mutter in der Küche hörte, während sie am Abendessen oder weiteren Knabbereien werkelte, wärmten Alisha erfrorenes Herz ein wenig. Auch wenn sie immer noch in ihrem Loch der Hoffnungslosigkeit steckte, ließ es sich in ihrer eigenen Haut ein wenig besser aushalten als zuvor. Irgendwie schaffte sie es auch nun auch wieder, mit der Schule hinterher zu kommen und in den Stunden aufzupassen. Sie ließ sich sogar einmal dazu überreden, mit ihrer Mutter zusammen einen Marzipanstollen zu backen. Und als ihre Mutter sie eines späten Nachmittags losschickte um ein paar Sachen einzukaufen, traf sie Maria im Supermarkt und sie quatschten kurz, nachdem Maria sie entdeckt hatte. Das kleine, zufällige Aufeinandertreffen zauberte ihr für den Rest des Tages ein leichtes Lächeln auf die Lippen. Es waren nur kleine Schritte, doch mit der Zeit fühlte sie sich ein wenig besser. Und obwohl sie sich ihren Gefühlen und Gedanken immer noch nicht stellen wollte, bedrückten diese sie nicht mehr allzu sehr. Als endlich ihr Geburtstag, der 13. Dezember, hereinschneite, war sie immer noch nicht topfit, aber sie war der Aufmerksamkeit gewachsen, die ihre Eltern und ihre Freunde ihr schenkten. Ihre Eltern hatten ihr ein paar Sachen für sie besorgt, über die sie sich unglaublich freute und Leonie, Felicia, Maria und Lea ließen sie in der Schule auch nicht leer ausgehen. Sie freute sich so sehr über die Zuneigung ihrer Freunde und bedankte sich überglücklich bei allen. Sie fühlte sich an diesem Tag so gut und solange sie bei ihren Freunden war, schien die ganze Hoffnungslosigkeit und die Verzweiflung wie verflogen, doch als sie wieder nach Hause ging kam wieder alles zurück, als wäre es nie weg gewesen. Ihr Vater war noch Arbeiten und ihre Mutter war länger noch bei einer Feier auf ihrer Arbeit, somit war sie ganz die Einzige zuhause und ganz alleine mit ihren Gedanken. Betrübt machte sie sich Tee und zog sich dann in ihr Zimmer zurück, wo sie ihre kuscheligen Klamotten anzog und sich auf ihr Bett legte. Dort lag sie eine Weile und dachte über den Tag nach. Es war heute schön in der Schule gewesen. Sie war die ganze Zeit bei ihren Freundinnen gewesen und hatte sich getraut, auch ein paar Witze zu machen und hatte mit ihnen lachen können. Doch ihr war klar, dass sie das für eine Weile wahrscheinlich nicht wieder erleben würde. Heute war ihr Geburtstag gewesen und alle hatten ihr etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt als sonst. Jetzt war das vorbei und sie war wieder alleine. Warum konnte sie nicht einfach mehr mit ihren Freunden reden? Warum war sie so schwach? Sie wollte mit jemandem reden. Sie wollte nicht alleine sein. Anscheinend war ihr Wunsch erhört worden, denn kurz darauf klingelte es plötzlich an der Tür. Alisha wusste, dass es wahrscheinlich nur der Postbote war, doch sie freute sich über jede Ablenkung von ihren Gedanken und jede bisschen Menschlichkeit. An der Tür wurde noch einmal geklingelt, als sie langsam die Treppe hinunter und durch den Flur tappte. Ich komme ja schon, dachte Alisha, kein Grund so ungeduldig zu sein. Nochmal wurde geklingelt und nun war Alisha leicht genervt. Was ist denn so wichtig, dass man sie so hetzen musste? Sie wollte eigentlich die Tür öffnen und genervt "Ja?" fragen, doch als sie die Tür öffnete vergaß sie völlig, dass sie überhaupt genervt war. Es war, als sie ein LKW frontal erwischt. Sie hielt instinktiv die Luft an, alles in ihr flatterte wie Schmetterlinge und ihr Herz setzte für eine Sekunde aus. Vor der Tür stand, verlegen und mit roten Wangen, Leonie.
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Was ich dir nicht sagen kann (Eine Omorashi-Story)
Short StoryAlisha ist ein 17-Jähriges Mädchen, etwas schüchtern und introvertiert. Doch eines Tages kommt es zu einer peinlichen Situation, die aber nicht nur negative Gefühl mit sich zieht. Meine erste Omorashi-Geschichte. Für jeden, der mit dem Begriff und...