Kapitel 128 - Der letzte Versuch - Teil 2

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Knapp zwei Stunden vor dem Ende ihrer Spielzeit, krochen sie schließlich gemeinsam in die Ameisenhöhle.

Während Feiying und Alucard relativ gelassen wirkten, fühlte sich Bahe eher dem wie immer hochnervösen Stallion verbunden. Bahe war schließlich der Einzige, der den Riesenameisen noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hatte.

Dazu kam nun der Blick in die dunkle Höhle, deren Ende in der Finsternis verschwand und die Tatsache, dass er für ihren finalen Schlag gegen die Ameisenkönigin hauptverantwortlich war...

Angespannt atmete er so ruhig wie möglich tief ein und aus, um seine Nervösität unter Kontrolle zu kriegen und das leichte Zittern seiner Hände zu verbergen.

Nicht umsonst hatte er in den letzten Stunden vehement mit dem Bogen trainiert. Der Anfang war gar nicht so einfach gewesen. Es bedurfte einiges an Übung das eigene Mana in den Bogen hinein zu lenken und dieses anstelle von Pfeilen zu nutzen. Besonders schwierig war es den Manafluss in den Bogen hinein aufrecht zu erhalten. Zumindest, wenn er mehr als ein paar hundert Schadenspunkte verursachen wollte.

Denn ab einem Schwellenwert von fünfhundert genutztem Mana wurde es ungleich schwieriger die Kontrolle über den geladenen Bogen zu behalten. Mehr als einmal war es Bahe nicht gelungen, was ungezielte Schüsse auf die Höhlenwände in den hinteren Bereichen des Höhlensystems zur Folge hatte.

Auf diese Weise brach Bahe nach und nach immer mehr Fels aus den vorherigen Gängen, bis er schließlich in der Lage war nahezu sein komplettes Mana im Bogen zu halten. Bahe konnte sich noch genau erinnern, wie nicht nur seine Arme, sondern sein gesamter Körper unter Anspannung stand, als er seinen stärksten Angriff schließlich zu Testzwecken auf eine Felswand abfeuerte.

Die Gewalt des Treffers kam einer Explosion gleich und löste eine Kettenreaktion aus, die beinahe das gesamte Höhlensystem zum Einsturz brachte. Knapp sechzig Meter von ihrem aktuellen Standort entfernt, verschloss nun ein Geröll- und Gesteinshaufen jedwede Rückzugsmöglichkeit, die sie zum weiteren Training hätten nutzen können. Mal ganz davon abgesehen, dass die Staubentwicklung sie beinahe umgebracht hätte. Eine gute Stunde waren sie wie verrückt am Husten gewesen. Ihre provisorischen Atemmasken aus mehreren Kleidungsschichten hielten zwar den Staub ab, aber erschwerten natürlich das Atmen. Außerdem hatte Bahe sich zusätzlich auch noch um den Bergbären kümmern müssen. Es war die reinste Tortur gewesen, die ganze Zeit die zeternde Limona in einen Ohr zu haben, während auf der anderen Seite Brocken regelrecht hysterisch um Balu besorgt war.

Apropos Balu, den dicken Bergbären hatten sie mit vereinten Kräften regelrecht durch den schmalen Felsspalt ziehen und schieben müssen. Seitdem hockte Balu mit Bahes Elementaren ein paar Meter von ihnen entfernt und warf ihnen beleidigte Blicke zu. Als ob es ihre Schuld wäre, dass sie bei seinen Ausmaßen ein geringes Maß an Gewalt nutzen mussten, um ihn überhaupt vorwärts zu bekommen...

„Alle bereit?", fragte Feiying.

„Bringen wir es hinter uns", murrte Stallion. „Ich habe diese verdammte Höhle satt..."

Bahe und Alucard nickten und gemeinsam setzte sich die Gruppe in Bewegung.

Seine Teammitglieder hielten zielstrebig auf den hinteren Teil der Höhle zu, was Bahe leider viel zu schnell ging. Er war noch immer viel zu sehr damit beschäftigt sich umzusehen und die schwache Leuchtkraft ihrer Kristalle erleichterte diesen Prozess nicht gerade.

Als sie wenig später, auf der anderen Seite der Höhle, an dem gigantischen Torbogen ankamen, sah Bahe zum ersten Mal die in den Stein gehauenen Abbildungen, von denen ihm die Anderen erzählt hatten. Fasziniert betrachtete er für einen Moment die grob dargestellten Szenen, ehe er seine Aufmerksamkeit Feiying widmete, der gerade zu sprechen begann: „Jetzt sind wir hier... Kann es losgehen?"

Bahe nickte nur nervös.

Stallion und Alucard taten es ihm gleich. Die Anspannung war aber auch ihnen anzusehen.

„Ok...", sagte Feiying grimmig und schlug seine Axt leicht an die Stelle, an der sich die unsichtbare Barriere befinden musste.

Genauso, wie Bahe es aus den Schilderungen seiner Teammitglieder kannte, erschien augenblicklich eine Lichtbarriere und warf Feiyings Axt mit doppelter Wucht zurück. Dank des ursprünglich geringen Schwungs, konnte Feiying seine Axt jedoch problemlos abfangen.

Während Stallion, Feiying und Alucard sich danach angespannt dem Höhleninnern zuwandten, spähte Bahe aufmerksam hinter die Barriere und versuchte die Ameisenkönigin auszumachen.

Es verging ein quälender Moment der absoluten Stille, ehe sich plötzlich eine gigantische Monstrosität an die Barriere warf.

Allmählich verstand Bahe weshalb sich seine Teammitglieder bereits umgedreht hatten. Der Anblick der Monsterameisenkönigin und der Gedanke daran, dass sie es schon bald mit dieser Kreatur aufnehmen mussten, ließ ihn von Sekunde zu Sekunde nur nervöser werden.

„Drehe dich besser schon mal um, Bahe", meinte Feiying. „Und denke an deine Ohren. Es wird gleich losgehen."

„Hmm...", raunte Bahe und wandte sich der löchrigen Felsformation inmitten der Höhle zu. Danach hielt er sich druckvoll die Ohren zu und wartete.

Knapp zwanzig Sekunden später war er heilfroh, dass seine Teammitglieder den ganzen Prozess schon mehrfach mitgemacht und ihn gewarnt hatten. Die Ameisenkönigin hinter ihnen, gab ein derart ohrenbetäubendes Kreischen von sich, dass er ohne Ohrenschutz vermutlich taub und desorientiert gewesen wäre.

„Sie kommen", hörte Bahe kurz danach nur gedämpft Alucards Worte. Scheinbar mussten sich seine Ohren erst wieder an die normale Lautstärke gewöhnen.

„Wir müssen noch ein paar Meter nach links", ergänzte Alucard wenig später und ging bereits vor.

Feiying, Stallion und Bahe schlossen schnell zu ihm auf, als auch schon die ersten Riesenameisen aus den Tunneln der mittigen Felsformation auftauchten.

Bahe hielt gespannt den Atem an. Es war etwas anderes es aus Erzählungen zu hören, als wirklich zu erleben. Die Massen an Monsterameisen, die auf sie zu krabbelten waren einfach nur furchterregend.

Doch glücklicherweise hatten seine Teammitglieder inzwischen die Schwachstelle des Ameisenschwarms ausgemacht. Die riesigen Insekten waren langsam.

Nun ja... zumindest so langsam, dass man ihnen im flotten Tempo entfliehen konnte und genau darauf baute ihr Plan auf.

Beim ersten Mal hatten Feiying, Stallion und Alucard den Fehler gemacht beim ersten Anblick der Ameisenkönigin zurück zu rennen. Dadurch wurden sie in der langgezogenen Höhle von den Monsterameisen eingekesselt, da die Viecher es aus der mittigen Felsformation nicht weit zum Rand der Höhle hatten. Doch jetzt wo sie hier an einem Ende der Höhle standen, mussten die Riesenameisen einen weit größeren Weg zurücklegen, wodurch sich der Hauptteil des Ameisenvolkes bereits von der mittigen Felsformation löste, ehe die ersten Exemplare bei ihnen angekommen waren.

„Sollen wir los?", fragte Bahe, dem die Viecher allmählich zu nah kamen.

Doch die anderen Drei schüttelten nur mit den Köpfen.

„Wir lassen sie bis auf zehn Meter an uns heran", erinnerte ihn Alucard. „Wartet noch einen Moment."

Bahe musste mit einem mulmigen Gefühl im Magen schlucken, als er Alucards Worte hörte. In dieser Situation noch abwarten zu müssen, war die reinste Folter. Aber der Moment wollte einfach nicht enden...

„Noch ein paar Meter...", sagte Alucard gerade laut genug, um das Heranstürmen der Monsterameisen zu übertönen.



Teil 1/1!

RiBBoN


Die Legende vom Elementflüsterer - Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt