Erster Schultag

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Es war der erste Tag des neuen Schuljahres. Der Morgen war warm, eine leichte Brise wehte und die Sonne stand schon weit über dem Horizont, als Alisha endlich aufwachte. Müde rekelte sie sich und streckte sich im Bett. Sie war noch extrem verschlafen, weil sie letzte Nacht nicht gut hatte einschlafen können. Ihr schwirrten die Ereignisse des gestrigen Tages selbst jetzt noch im Kopf herum. Es kam ihr alles wie ein Traum vor, ihr Gespräch mit Leonie, wie sie sie umarmt hatte, was sie ihr zu Ende gesagt hatte. Sie stand schnell auf und wusch sich das Gesicht, sie wollte so schnell wie möglich vergessen, dass sie Leonie das gesagt hatte. Das war doch voll lächerlich, wie hatte sie das nur sagen können? Und falsch war es noch obendrein. Wie hatte sie ihre Freundin so anlügen können? Doch so sehr sie es auch versuchte, das Bild von dem Moment wurde nur klarer. Wie sie sich an Leonie klammerte, ihr Gesicht, ihre Augen, ihr Gesichtsausdruck, nachdem sie den letzten Satz ausgesprochen hatte. Was hatte Leonie wohl gedacht, nachdem sie ihr das gesagt hatte? Hatte sie das überhaupt zur Kenntnis genommen? Vielleicht hatte sie es nur als ein Freundschaftliche Geste gesehen, war es das nicht auch irgendwie? Einfach nur eine Aussprache ihrer Dankbarkeit für so eine gute Freundin. Es machte überhaupt keinen Sinn, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, sie machte sich nur unnötig Sorgen.

In der Schule suchte sie als erstes ihre Klasse auf, in der Hoffnung dort Leonie zu finden. Doch diese war offensichtlich noch nicht angekommen. Merkwürdig, dachte Alisha, Leonie ist doch sonst immer schon da, wenn ich ankomme. Leonies Abwesenheit machte Alisha nur noch nervöser. Was wenn sie es doch komisch fand und deswegen nicht zur Schule gekommen ist, um mir aus dem Weg zu gehen? Ihr Kopf sagte ihr, dass das überhaupt kein Sinn machte, doch ihr Herz war dennoch erfüllt mit einem schwer zu beschreibenden Schmerz und Schuldgefühlen. Auch nach längerem warten kam und kam Leonie nicht und mit jeder Minute wurde Alisha nervöser. Sie vermisste Leonie so sehr, dass es sie fast zerriss. Sie arbeitete wie auf Auto-Pilot, während sie ihre Schreibsachen aus ihrem Rucksack holte und noch einmal auf ihr Handy schaute, in der Hoffnung, dass Leonie ihr eine Nachricht geschickt hatte. Sie konnte sich nicht erklären, warum sie so sehr an Leonies Abwesenheit litt. Sie hatte sie doch fast die ganzen Ferien nicht gesehen, warum war sie jetzt also so gebrochen, als sie nicht da war? Konnte es sein, dass es an ihrem Geständnis über ihre Vorliebe lag. Sie hatte sich so verstanden gefühlt. Sie hatte gedacht, dass sie die Einzige war, die auf so bescheuerte Sachen stand, doch jetzt hatte es sich herausgestellt, dass ihre beste Freundin diese Vorliebe mit ihr teilte, und sie fühlte sich auf einmal nicht so allein in der Welt wie zuvor. Sie musste an Leonies sanfte Hand denken, die ihre Hand zu Leonies Hose führte und sie gegen ihren Schritt presste. Die Erinnerung hob ihre Stimmung ein wenig.

Mit einem Knall wurde die Tür aufgestoßen und alle Köpfe drehten sich zur Ursache des Geräuschs. Leonie stand in der Tür, ihre Haare ganz zerzaust, ihre Wangen gerötet und schnell atmend. Schnell setzte sie sich auf den Platz neben Alisha und flüsterte ihr zu, "Puh, ich hab so was von verschlafen! Ich konnte letzte Nacht gar nicht einschlafen und heute morgen habe ich meinen Wecker verpennt." Sie kicherte kurz. Alisha lächelte sie an, unbeschreiblich glücklich, sie wieder bei sich zu haben, doch Leonie schaute in eine andere Richtung und beachtete sie gar nicht. Alisha war sich ziemlich sicher, dass man ihr Herz hatte zerbrechen hören können. Sie starrte Leonie eine Sekunde an, dann schaute sie betroffen auf ihre Hände. Wie hätte sie jemals hoffen können, dass Leonie ihr nicht übelnahm, was sie ihr gesagt hatte. In einem Augenblick war eine gesamte Welt vor ihren Augen zusammen zusammengefallen und in ihre Augen stiegen Tränen. Nicht heulen, sagte sie sich selbst, du hast dir das selbst angetan, du hast dir wieder zu viele Hoffnungen gemacht. War doch klar, dass sie das komisch findet, sie ist nicht so unfähig wie du. Alisha wagte noch einen Blick zu ihrer Freundin, doch diese Blickte immer noch verschlafen stur geradeaus.

Die Stunden schlichen dahin, als wären es Jahre. Alisha wollte nicht hier sein, nicht in der Schule und nicht in dieser Welt, wo Leonie sie nicht beachtete. Sie hatte ein paar kurze Gespräche mit Leonie geführt, doch diese hielten sich immer kurz, weil Leonie schnell wieder den Kopf auf den Tisch legte und wegnickte. Sie hatte in der Nacht wohl keine Sekunde geschlafen, so viel wie sie auf ihrem Tisch schlief. Alisha wusste nicht, was sie mit sich selbst anfangen sollte, und war geistig nicht ganz anwesend. Andauernd ließ sie die Geschehnisse von letztem Abend in Revue passieren. Sie konnte es nicht lassen, es war wie in ihr Gehirn gebrannt. Einfach an alles, an jede Berührung von Leonie, an ihren Geruch, an ihre Gesichtsausdrücke, an jedes Wort konnte sie sich erinnern, doch jetzt kam es ihr vor wie ein Traum. Es fühlte sich alles weit her an, ohne jegliche Gleichheit zur Realität. Sie wollte sich bei Leonie entschuldigen, für alles, wie egoistisch sie gewesen war, wie dumm, wie unfähig, wie abnormal sie war. Sie wollte es ansprechen, doch Leonie war die ganze Zeit am Schlafen oder kurz davor einzuschlafen. Alisha fühlte, wie sie immer tiefer in die Taubheit sank. Sie war sauer auf sich selbst, auf die Welt und ein kleines bisschen auf Leonie. Was sollte das alles? Warum störte sie das alles so sehr? Konnte sie nicht einfach normal sein? War es denn nicht normal, seinen Freunden zu sagen, dass man sie gernhatte? Wieso also überforderte sie diese Situation so sehr?

Was ich dir nicht sagen kann (Eine Omorashi-Story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt