III. Schwert und Stein

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Die Fort bei Beruna war immer ein friedvoller Ort. Noch nie habe ich hier auch nur irgendeine Wache gesehen. Bis jetzt.

Nun waren schwere Baufahrzeuge, Kutschen und hunderte Arbeiter am Werk, um eine Brücke zu bauen. Sie fällten großflächig die Bäume und zerstörten die wundervolle Natur, nur um etwas zu bauen, was noch mehr Narnianen terrorisieren würde. Vorsichten lugten wir hinter einigen gestapelten Holzstämmen hervor.

"Vielleicht ist das doch nicht der beste Weg, den Fluss zu überqueren", murmelte Susan, woraufhin ich nur zustimmend nicken konnte. "Als ich vor ein paar Wochen das letzte Mal hier war, war hier noch nichts." Peters Blick ruhte eine Weile auf mir, bevor er noch einmal über die Baumstämme sah. "Das ist Miraz", kommentierte ich, als ich meinen Onkel auf einem schwarzen Pferd nicht weit von uns entdeckte. Mit einer Kopfbewegung deutete Peter an, dass wir wieder zurückgingen, was wir auch schnell taten.

Am Ende landeten wir wieder an der Stelle, wo Lucy Aslan gesehen hatte.

Sie lief noch ein wenig am Rande der Klippe entlang und erklärte, wo sie Aslan gesehen hatte, bis ihr der Boden unter den Füßen wegrutschte. Panisch rannten wir zu dem Loch im Boden, nur um Lucy auf einem Weg nach unten sitzen zu sehen. "Genau hier", meinte sie dann lächelnd, während wir einer nach dem anderen nach unten stiegen. Peter sprang zuerst runter und fing uns dann nach und nach auf. Ich half von oben, da vor allem Trumpkin wegen seiner Größe ein paar Schwierigkeiten hatte.

Als dann alle unten waren, hielt Peter noch beide Arme und die Höhe und deutete mit einer Handbewegung an, dass ich hinunterspringen sollte. Ich setzte mich hin, atmete tief durch und sprang dann runter. Peter fing mich an der Taille auf und setzte mich sicher auf dem Boden ab. Seine warmen Hände an meiner Taille ließen meine Haut kribbeln. Mir fiel erst jetzt auf, wie blau seine Augen eigentlich waren. Ein dunkles Blau, wie die Untiefen eines Gewässers.

Ein Räuspern, das wahrscheinlich von Susan kam, riss mich aus meiner Trance. Peter nahm so schnell seine Hände weg, dass ich mich fast ein zweites Mal erschreckte. Susan schüttelte nur mit dem Kopf, bevor sie sich umdrehte und Lucy und Trumpkin folgte. Edmund im Schlepptau.

Im selben Moment, als ich mich fürs Auffangen bedankte, hatte Peter sich entschuldigt. Über das gleichzeitige "Alles gut" lachten wir beide kurz, bevor wir den anderen folgten. So war er mir wesentlich sympathischer als vorher. Ich bevorzuge eindeutig den lachenden Peter über den grummeligen Wegweiser.

Der Weg nach unten war zwar etwas uneben und holprig, aber letztendlich kamen wir alle unverletzt am Flussufer und dann auch an der anderen Seite der Klippe an. Da es aber langsam dunkel wurde, war unsere letzte Abhandlung, nach Holz für ein Lagerfeuer zu suchen. Nachdem wir alle um das knisternde Feuer Platz gefunden hatten, schliefen wir auch schon wenig später ein. Zumindest ich, denn ich war absolut geschafft.

Ich hatte erwartet, den nächsten Tag ruhig und gelassen aufzuwachen, doch da hatte wohl jemand andere Pläne gehabt. Peter versuchte zwar, leise zu sein, aber durch die Jahre im Wald war mein Gehörsinn geschärft. Seine Schritte in meiner Nähe weckten mich. Als ich die Augen aufschlug, sah ich ihn, wie er gerade um eine Ecke davon schlich. Erst dann bemerkte ich, dass Lucy fehlte.

Wie vom Blitz getroffen sprang ich auf und weckte die anderen, gerade als ich aus der Ferne Klingen gegeneinander schlagen hörte. Mein Schwertgürtel hatte ich schon um, weshalb ich sofort zu den Geräuschen eilte.

Nur um Kaspian und Peter kämpfen zu sehen. Kaspian hatte Peters Schwert in der Hand und Peter hielt einen Stein in die Höhe, als ich mich zwischen die beiden stellte. "Es reicht. Warum zum Henker kämpft ihr überhaupt?" Kaspian sah mich an, als wäre ich ein Fiebertraum. "Charlotte?" Ich seufzte erleichtert, als beide ihre Waffen herunternahmen. "Kaspian, das ist Hochkönig Peter. Peter, mein Bruder, Prinz Kaspian."

"Er hat euch gerufen", hörte ich Trumpkin sagen. Woher Kaspian auch immer Susans Horn hatte. Die Frage war für später. Langsam sah ich mich um und bemerkte hunderte Narnianen, die alle hinter Kaspian standen. Wie er das wohl geschafft hatte?

Kaspians Blick glitt von Trumpkin zurück zu Peter. "Richtig, aber ich dachte, ihr wärt älter." Dabei musste ich ihm recht geben. Ich war allerdings schon der Meinung, dass sie tot waren. Stellt sich heraus, sie sind alle in meinem Alter und jünger. "Wenns dir lieber ist, dann kommen wir in ein paar Jahren wieder", kommentierte Peter, woraufhin ich nur lächelnd die Augen rollte. Ich trat auch wieder ein paar Schritte zurück, sodass ich nicht mehr zwischen den beiden stand, sondern daneben. Kaspian verneinte das gleich.

"Ihr seid nur ... ich hätte eigentlich etwas anderes erwartet", meinte er und sah Susan ein wenig länger an als den Rest. Konnte ich ihm aber auch nicht übel nehmen. A) sieht Susan wirklich gut aus und B) war das bei mir mit Peter sicher nicht anders gewesen.

"Ein gemeinsamer Fein verbindet selbst die ältesten Gegner", philosophierte Trüffeljäger. Er war ein Dachs, der zusammen mit Trumpkin und Nikabrik, einem schwarzen Zwerg, zusammenlebte. Und dafür, dass er so grummelige Mitbewohner hatte, war er ein absoluter Schatz. Er war einer der Ersten, wenn nicht sogar der Erste, der mich damals akzeptiert hatte. Gelegentlich hatte er mir sogar Essen vorbeigebracht, was wirklich lieb von ihm war. Heutzutage freute er sich einfach, wenn ich mal vorbeischaute.

"Wir haben voller Ungeduld auf eure Rückkehr gewartet, Sire", erklärte Riepischiep, eine Ritter-Maus, an Peter gewandt. "Unsere Herzen und Schwerter stehen euch zu Diensten." Ein Blick zu Peter reichte aus, um den Stolz und die Freude auf seinem hübschen Gesicht klar zu erkennen.

Als Lucy Riepischiep als niedlich bezeichnete, wandte er sofort ein und gab ihr wesentlich heldenhaftere Adjektive zur Auswahl. Den Fehler hatte ich auch zu Beginn begangen, aber ich wurde dafür erst einmal mit dem kleinen, aber verdammt spitzen Degen gepickt. Riepischiep mochte es nämlich überhaupt nicht, als irgendetwas Kleines, Niedliches oder irgendein anderes 'Abwertendes' bezeichnet zu werden. Seine Worte, nicht meine.

Danach erklärte er noch Peter, dass er Waffen für seine Armee besorgt hatte. Wir brachen wenig später auf, um zu dem Waffenlager zu gehen. Da ich keinen Schimmer hatte, wo wir überhaupt hinliefen, folgte ich einfach und fand mich wieder in meiner Zweierreihe neben Peter.

"Nächstes Mal wäre es gut, wenn du dich nicht vor mich stellst, während ich versuche, jemandem einen Stein gegen den Kopf zu schlagen." "Ich konnte ja wohl kaum zulassen, dass du meinen Bruder erschlägst. Ebenso wäre es nicht gerade vorteilhaft gewesen, wenn er dir dein eigenes Schwert in die Brust rammt." Peter schnaubte lachend, sah aber trotzdem weiter nach vorn. "Das wäre nicht passiert." Mit den Augen rollend, verbeugte ich mich spielerisch vor ihm. "Natürlich, Peter, der ach so Prächtige. Aber entschuldigt meinen Fauxpas, meine Hoheit."

Wäre mir nicht das kleine Zucken an der Ecke seines Mundes aufgefallen, hätte ich behauptet, dass er mich nicht gehört hatte. Ich hielt es für nämlich erstaunlich, dass er mir dafür nichts gegen den Kopf geworfen hatte.

Vielleicht mochte er ja auch seine Titel aus meinem Mund? Den Gedanken verwarf ich aber genauso schnell, wie er gekommen war. Das war kaum realistisch.

Oder doch?


Für dich entschieden (Peter Pevensie - Narnia)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt