Harry hatte es tatsächlich geschafft, den Abend bisher ganz allein zu meistern. Severus hatte ihm noch etwas zu essen hingestellt, aber den Rest musste er so schaffen. Er hatte sogar das Geschirr abgewaschen, obwohl Severus eigentlich gesagt hatte, er solle alles stehenlassen. Danach hatte er sich im Bad fertig gemacht und lag nun im Bett. Seine Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Er glaubte zwar nicht wirklich, dass Severus und Tim sich näherkommen würden, denn keiner von beiden machten diesen Anschein, aber trotz allem ließ es Harry einfach nicht los. Sicher war es dämlich eifersüchtig zu sein. Nicht nur, weil sicher nichts zwischen den beiden geschehen würde, sondern auch weil aus ihm und Severus einfach nichts werden würde. Harry brauchte einfach etwas Abwechslung. Vielleicht sollte er Hermine, Draco oder auch Ron schreiben? Aber wie schreiben, wenn man nichts sah? Aber es gab doch so einen Diktierzauber. Harry selbst hatte ihn nie benutzt, denn man brauchte eine spezielle Feder dafür und er hatte bisher nicht eingesehen, eine nur dafür zu besorgen, aber nun war es wohl nötig. Er würde Severus danach fragen. Harry drehte sich auf die Seite, aber der Schlaf wollte nicht kommen. Seufzend setzte er sich auf. Er brauchte einen Tee, vielleicht würde das helfen, ihn etwas zu beruhigen. Er schwang die Beine vom Bett und überlegte, ob er seinen Pulli überziehen sollte, entschied sich aber dagegen, da ihm trotz des kalten Wetters draußen, fast immer zu warm war. Nur in T-Shirt und Boxershorts tastete er sich in die Küche. Er war insgeheim schon stolz darauf, dass er sich inzwischen so gut zurechtfand. Harry bewegte sich vorsichtig, seine Handflächen über die Arbeitsfläche der Küche gleitend, bis sie den Wasserkessel berührten. Er füllte den Kessel und stellte ihn auf den Herd. Das Feuer zu entfachen war leichter, als er am Anfang gedacht hatte. Er stellte sich eine Tasse und den Tee bereit und setzte sich gedankenverloren an den Küchentisch. Seine Sorgenspirale ließ ihn einfach nicht los. Was machte er eigentlich hier? Er hätte einfach ablehnen sollen herzukommen. Sicher Severus half ihm mit der Situation umzugehen, aber jeder Tag, jede Stunde in der Nähe des anderen machte alles nur noch schwerer. Als das Geräusch des Kessels schließlich ankündigte, dass das Wasser bereit war, streckte Harry seine Hand aus, um die Kanne zu ergreifen. Seine Finger umfassten den Griff, aber in dem Moment, als er das Wasser umschütten wollte, passierte das Unfassbare. Sein Griff rutschte ab, vielleicht wegen der Feuchtigkeit oder einer unerwarteten Bewegung, und die Welt schien in Zeitlupe zu erstarren, als er spürte, wie die Kanne kippte. Das heiße Wasser schoss wie ein entfesselter Strom heraus und ergoss sich über Harrys Arm und nackten Oberschenkel. Es war, als würde ein Blitz aus brennendem Schmerz ihn treffen. Er konnte nicht anders, als einen durchdringenden Schrei auszustoßen, der durch das stille und leere Haus hallte. Der Schmerz war überwältigend, ein brutaler Weckruf, der alle anderen Gedanken hinwegfegte. Instinktiv und in einer Mischung aus Schock und Reflex setzte Harry das Wasser ab und drückte seine verbrühte Haut gegen die kühle Wand. Er keuchte, während Wellen von Schmerz durch seinen Arm pulsierten. Jeder Herzschlag schien wie ein Hammerschlag auf die verletzte Stelle zu wirken. Er stand da - zitternd und versuchte, verzweifelt den Schmerz zu unterdrücken und nicht in Panik zu verfallen. Seine Haut prickelte und brannte, als ob tausend Nadeln ihn stachen. Harry wusste, dass er schnell handeln musste, aber der Schmerz lähmte seinen Verstand, machte es schwer, klar zu denken. In diesem Moment, als der Schmerz beinahe unerträglich wurde, hörte er eilige Schritte auf ihn zukommen. Die Tür zur Küche flog auf und Harry wusste sofort, dass Severus da war.
»Harry, was ist passiert?«, Severus' Stimme war ruhig, aber seine Augen suchten hastig nach der Quelle von Harrys Schmerz. Als er die gerötete und dampfende Haut auf Harrys Arm sah, verschärfte sich sein Blick. Mit schnellen, geübten Bewegungen war er bei ihm, zog ihn sanft von der Wand weg und begutachtete die Verletzung mit der Präzision eines Heilers.
»Was ist mit ihm?«, Harry hörte durch den Nebel von Schmerzen, Tims besorgte Stimme.
»Er hat sich übel verbrüht«, sagte Severus sorgenvoll. Harry konnte nur stammeln, unfähig, den Schmerz und das Geschehene in Worte zu fassen. Severus, der die Dringlichkeit verstand, handelte schnell, seinen Zauberstab schwingend, um den Schmerz zu lindern und die Wunden zu kühlen. Die Magie, die von Severus' Zauber ausging, war wie ein sanfter Regen auf Harrys verbrannter Haut. Trotzdem spürte er, wie sein Körper sich nach einer Ohnmacht sehnte.
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Blind Shades
FanfictionHarry Potter kehrt nach dem Krieg nach Hogwarts zurück, um sein letztes Schuljahr zu wiederholen, und verliebt sich hoffnungslos in Severus Snape. Nach einer Auseinandersetzung mit diesem verletzt sich Harry so schwer, dass er erblindet. Von Schuldg...