XV

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Das Jahr verging.
Callisto kämpfte sich durch den Unterricht, die Schikanen einzelner Persönlichkeiten, durch von Trauer geprägte Tage und durch einsame Stunden. Aber zeitgleich nahm sie sich etwas mehr Zeit, für Freunde.
Immer wieder half sie den Weasley Zwillingen dabei, irgendwelche Streiche zu spielen. Wobei sie selber nie an den Streichen beteiligt war, sie lenkte meistens nur Lehrer oder ältere Schüler ab, damit die Zwillinge problemlos ihren Schabernack vorbereiten konnten.
Sie nahm als Zuschauer an jedem Qudditch Spiel teil und war eine der ersten die davon mitbekam, dass Charlie von der Englischen Nationalmannschaft angeworben wurde. Auch, dass er das Angebot ablehnte, erfuhr sie als erste. 
Mit Remus hielt sie einen stetigen, wenn auch langsamen Kontakt. Oftmals dauerte es länger als einen Monat, bis sie eine Antwort von ihm erhielt und manchmal waren seine Antworten nicht mehr als ein paar Zeilen, in denen er sich entschuldigte, dass er nicht mehr schrieb, er aber gerade im völligen Umzugsstress steckte. Sie hatte aufgehört zu zählen, wie häufig er umgezogen war. Allerdings kam es ebenso oft vor, dass seine Briefe mehrere Seiten lang waren, und er mit ihr Weisheiten teilte, Erfahrungen und Anekdoten.
Sie genoss es sehr, wieder Kontakt zu ihm zu haben, und wann immer sie einen Brief von ihm erhielt, freute sie sich unglaublich. Sie hatte das Gefühl, durch ihn ein Stück ihres Bruders wiederzuhaben, ein Stück ihrer glücklichen Kindheit. 
An Sirius' Geburtstag erhielt sie tatsächlich einen Brief von ihm, in welchem er ein Bild mitschickte, von dem letzten Geburtstag, den sie zusammen gefeiert hatten. Auf dem Bild waren nur sie drei zu sehen, denn Peter hatte das Bild gemacht, und James war um diese Zeit noch nicht bei ihnen gewesen (er hatte schon mit Lily zusammen gewohnt, und war erst nach dem Frühstück bei ihnen aufgetaucht). Sie lachten alle in die Kamera und vor ihnen, auf dem Tisch, stand ein großer Kuchen mit Kerzen. Jeden Tag betrachtete sie das Bild, und jeden Tag dachte sie, dass sie so unfassbar glücklich aussahen.
Ihre Animagus-Verwandlung klappte von Mal zu Mal besser, und es dauerte nicht lange, bis Professor Jackalope ihre Unterrichtszeiten von jedem zweiten Tag auf zwei Mal die Woche reduzierte, weil sie den Unterricht eigentlich nicht mehr brauchte. Doch wusste sie nicht so recht, was sie mit ihrer neu-gewonnenen Freizeit anstellen sollte. Also verbrachte sie noch mehr Zeit mit den Zwillingen, erkundete das Schloss mit ihnen und stellte all den Unsinn an, den sie in ihren ersten beiden Jahren verpasst hatte. Das sorgte zwar für einiges an Tratsch (wie konnte eine Drittklässlerin so viel Zeit mit Erstklässlern verbringen?), doch das störte sie nicht wirklich. 
Sie galt zwar noch immer als Streberin, allerdings tat es ihrem Ruf sehr gut, mit den Unruhestiftern Zeit zu verbringen und es geschah immer häufiger, dass Leute sich einfach so mit ihr unterhielten. Oft hatten sie auch zu viel Angst vor ihr; immerhin sah sie noch immer so aus wie einer der vermeintlich gefährlichsten Mörder ihrer Zeit. 

Als sie am Ende des dritten Schuljahrs wieder zurück ins Waisenhaus fuhr dachte sie, dass dieses Jahr ihr bisher schönstes Schuljahr gewesen war. Und so schön es auch war, einmal nichts lernen zu müssen, oder keine Hausaufgaben zu haben, um die man sich kümmern musste, allerdings vermisste sie Hogwarts bereits an ihrem ersten Ferientag ganz schrecklich.
In diesen Ferien wurde sie von den Weasleys eingeladen, und so verbrachte sie eine Woche bei ihnen im Fuchsbau. Auch mit den beiden jüngsten Geschwistern, Ron und Ginny, verstand sie sich sehr gut und zu ihrer großen Überraschung, besuchte Bill seine Familie in der Woche, als auch Callisto dort war. Es war die schönste Ferienwoche, die sie je gehabt hatte, und als sie Remus davon berichtete, wurde ihr Brief fast fünf Seiten lang. 
Wie immer ging sie am ersten Wochenende im August in die Winkelgasse und kaufte all ihre Utensilien fürs nächste Schuljahr. 
Ihr viertes Schuljahr ähnelte dem dritten unglaublich. Zwar war Percy nun der älteste Weasley an der Schule, sie vermisste Bill und Charlie gleichermaßen, aber ansonsten änderte sich nichts. Nur dass sie Hagrid noch häufiger bei seiner Arbeit half, weil sie weniger lernen musste, als die anderen Schüler, weil sie das allermeiste schon einmal gelernt hatte. Außerdem hatte Professor Jackalope seinen Unterricht einmal völlig verändert, da er dazu übergegangen war, ihr Nachhilfe in jedem Thema zu geben, welches sie nicht sofort verstand. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Professor alles dafür tun, damit sie auf jeden Fall eine gute Schülerin blieb, und sie war ihm unendlich dankbar dafür. Über die Jahre hatte sie tatsächlich angefangen, den strengen Professor zu mögen. Allerdings trug es sich zu, dass ihr das beinahe zum Verhängnis wurde...

21.04.1991
Als sie an diesem Morgen erwachte, hingen schwere Wolken über Hogwarts und der Umgebung. Es war ein ungewöhnlich unfreundlicher Tag, für April. 
Guter Dinge machte sie sich auf den Weg in die große Halle. Am Vorabend hatten Professor Jackalope und sie noch sehr lange gemeinsam gelernt, da Snape ihr am Freitag als Strafarbeit, dass sie es gewagt hatte, in seinem Unterricht mitzuschreiben, aufgetragen hatte, ein Fläschchen Veritaserum zu brauen. Doch mit ihrem Professor zusammen, hatte sie es geschafft und war bereit, Snape den Trank morgen zu präsentieren. 
Als sie allerdings in die große Halle kam, fand sie diese fast leer vor. Das war ungewöhnlich, doch je länger sie darüber nachdachte, desto mehr hatte sie das Gefühl, dass schon den ganzen Morgen etwas nicht stimmte. Wem auch immer sie den Morgen über begegnet war, niemand hatte sie gegrüßt und alle hatten schnell den Blick gesenkt, wenn sie vorbeigekommen war. 
Verwundert verließ sie die große Halle wieder, und überlegte, ob es heute einen Termin gab, welchen sie vergessen haben könnte. Doch schon bald würde sie erfahren, was heute war. Als sie nämlich auf dem Weg zurück in den Gryffindor Gemeinschaftsraum war, lief sie Snape über den Weg, welcher sie durch zusammengekniffene Augen ansah.
"Mitkommen.", knurrte er dann und verwundert lief sie ihm hinterher. Was war denn heute los? Jeden anderen Lehrer hätte sie wohl gefragt, nicht aber Snape. Also schluckte sie die Frage herunter und folgte ihm stumm.
Der Professor führte sie durch das Schloss nach draußen, an Hagrids Hütte vorbei und zum Rand des verbotenen Waldes, wo auch alle anderen Lehrer standen. Sie hatten einen Kreis um etwas gebildet, und schienen die Neuankömmlinge nicht bemerkt zu haben. Lautstark räusperte Snape sich, und sofort traten alle Lehrer einen Schritt beiseite, sodass Callisto sehen konnte, was sie umringten.
Professor Jackalope lag regungslos auf dem Boden, und neben ihm standen Professor Dumbledore und Professor McGonagall.
"Professor Dumbledore, ich habe Miss Black gefunden.", sagte Snape monoton. "Sie war auf dem Weg zu den Gryffindor Gemeinschaftsräumen."
Der Schulleiter sah rüber und blickte Callisto an, welche nicht begreifen konnte, was sich hier gerade abspielte. Bevor er, oder irgendwer anders, etwas sagen konnte, hatte sie sich in Bewegung gesetzt und war zu dem Mann gelaufen, welcher dort im Gras lag. 
"Nein...", flüsterte sie und fiel neben ihm auf die Knie. Sie brauchte kein Professor sein, um zu verstehen, dass Jackalope tot war.
Nur am Rande ihres Bewusstseins nahm sie war, wie sie von Professor McGonagall von der Leiche weggerissen wurde, und wie sie von Hagrid auf den Arm genommen und wieder ins Schloss getragen wurde. Sie verstand nicht, was sie gesehen hatte. Erst als Hagrid sie wieder auf ihre Füße stellte, konnte sie wieder sprechen.
"Was ist passiert?", fragte sie leise, und ihre Stimme bebte.
"Irgendwer hat den armen Professor Jackalope umgebracht.", schniefte Hagrid. "Und manche glauben, du hättest etwas damit zutun."

Painful Truth // Remus Lupin FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt