Kapitel 1

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Am nächsten Morgen erwache ich vom Klopfen an meiner Hüttentür. Am liebsten hätte ich es ausgeblendet, aber das Geräusch wird immer lauter und ungeduldiger, je länger ich es ignoriere. >>Wer zum Dad kommt so früh zu meiner Hütte?<<, frage ich mich, während ich widerwillig die betörende Wärme meines Bettes verlasse.

Als ich die Tür öffne steht Jason vor mir.  >>Hey Nico, ich wollte...<<, beginnt er, während ich zeitgleich frage:  >>Was bei allen Seelen der Unterwelt ist passiert, dass du mich so früh weckst?<<   >>Früh?<<, fragt er.  >>Nico, es ist halb 10!<<  >>Ja, sag ich ja, früh!<<  Er schüttelt den Kopf.  >>Ich bin heute halb acht aufgestanden.<<  >>Das tut mir herzlich leid für dich, aber was willst du jetzt?<<  >>Eigentlich wollte ich nur fragen ob du Lust hast, mit uns auf ein Konzert zu kommen. Wir haben noch zwei Karten frei, weil Hazel und Frank abgesagt haben. Frank hat in letzter Zeit so viel zu tun als Praetor, und Hazel hilft ihm seine Aufgaben zu erledigen.<<

Ich starre ihn verwirrt an.  >>Du willst, dass ich mit dir auf ein Konzert gehe?<<  >>Ja, mit uns<<  >>Wer kommt den sonst noch mit?<<  >>Die ganze Argo II Crew bis auf Hazel und Frank. Ach ja, und Calypso kommt auch noch mit.<<

Immer noch ziemlich verwirrt über die Einladung, frage ich Jason weiter aus: >>Und was ist mit der zweiten Karte?<<  Er zuckt mit den Schultern.  >>Wir werden sehen. Also kommst du jetzt mit oder nicht?<<  Ich überlege kurz. Eigentlich kann es nicht schaden, ich habe nicht wirklich etwas zu tun.  >>Von mir aus, wenn du mir sagst wann das ist<<  >>Cool!<<, antwortet Jason grinsend. >>Das Konzert ist nächsten Freitag um drei. Ich muss jetzt los, ich muss noch jemanden für die zweite Karte finden.<<  Er lächelt mir noch einmal zu, dreht sich dann um und geht.

Überrumpelt vom plötzlichen Ende des Gesprächs, bleibe ich noch einige Sekunden im Türrahmen stehen und sehe ihm nach, wie er in Richtung Apollo Hütte verschwindet. Dann drehe ich mich um und schließe die Tür hinter mir.

Müde bin ich jetzt nicht mehr, deswegen ziehe ich mich um, anstatt mich, wie ich es sonst getan hätte, wieder ins Bett fallen zu lassen. Da ich Will versprochen habe, ihm noch mit den übriggebliebenen Verletzten zuhelfen, auch wenn dass, so habe ich zumindest das Gefühl, mittlerweile eigentlich nicht mehr nötig wäre, bei der kleinen Anzahl an Patienten, und Wills Heilkünsten, mache ich mich danach zur Krankenstation auf.

Die letzten Tage sind schön gewesen, für Tage nach einer Schlacht versteht sich. Es ist jetzt fast zwei Wochen her, dass wir die Schlacht gegen Gaia und ihre Armee gewonnen haben und langsam kehrt der Alltag zurück. Nachdem die drei Ruhetage bei Will auf der Krankenstation (die hatten übrigens hauptsächlich daraus bestanden, dass Will morgens bei mir am Krankenbett aufgetaucht ist, mir Tee hingestellt und mich über meinen Zustand, mein Leben und Gott und die Welt (Verzeihung: Götter und die Welt!) ausfragt hat), habe ich begonnen ihm vom Morgen bis zum Nachmittag auf der Krankenstation zu helfen, und danach mit den anderen das Camp wieder in Ordnung zu bringen.

Auch wenn Will viel zu tun gehabt hat, mit den vielen verletzten Campern, hat er es trotzdem immer irgendwie fertiggebracht, mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Und zwar wortwörtlich zu zaubern. Ich meine es war kurz nach der Schlacht! Wir haben so viele Camper verloren, und so viele standen auf der Schwelle zum Tod. In solchen Zeiten ist es besonders schwer, der Sohn des Hades zu sein. Dann fühle ich mich, als wäre ich der Sohn des Mannes, der all das Leid über meine Freunde bringt, indem er sie in die Unterwelt holt. Aber dass alles war nicht mein Vater. Es waren Gaia und ihre Titanen. Und wenn die Toten nicht in die Unterwelt gelangen... Eigentlich brauche ich eh nicht zu erzählen was dann passiert. Schließlich hatten wir diese Nummer schon einmal.

Bei der Krankenstation angekommen, begrüßt mich Will, der gerade das Schienbein von einem Jungen aus der Hermes Hütte betastet. >>Der Bruch ist schon gut geheilt. In ein paar Tagen sollte solltest du wieder laufen können.<<, sagt er zu dem Jungen und reicht ihm ein Stück Ambrosia. Der bedankt sich und Will wendet sich mir zu.  >>Was machst du denn schon so früh hier? Bist du aus dem Bett gefallen?<<  >>In gewisserweise schon.<<, antworte ich. >>Haben wir denn noch viel zu tun?<<  >>Nein, ich denke wir können heute früher Schluss machen. Dann haben wir vielleicht noch Zeit in den See zu springen, bevor wir den anderen mit dem Camp helfen. Heute soll es ziemlich heiß werden.<<  >>Gibt es denn überhaupt noch etwas, was wir aufräumen müssen?<<, frage ich.  >>Ich habe auf dem Weg hierher nichts mehr gesehen.<<  >>Nicht mehr viel.<<, antwortet er.

Während wir die Verletzten pflegen (eigentlich macht Will die meiste Arbeit) schweifen meine Gedanken ab.  >>In den See springen...<<, mein Herz macht ein paar unrythmische Hüpfer, beim Gedanken an Wills Vorschlag. Was ist bloß mit mir los? Will hat einfach nur vorgeschlagen gemeinsam schwimmen zu gehen. Daran ist nichts besonderes. Außer, dass ich normalerweise nicht einfachso spontan mit Freunden schwimmen gehe. Dass ich eigentlich nie jemals mit irgendwem schwimmen war, seit meine Schwester den Jägerinnen beigetreten ist. Der Gedanke an sie versetzt mir ein Stich ins Herz, wie jedes mal. Es gibt so viele Errinerungen, die von diesem Schmerz getrübt werden. Früher hatte ich sie in jeder Situation im Hinterkopf, dass ist weniger geworden, aber der Schmerz ist gleich geblieben. Nein Stop, Stop! Aufhören! Ich darf mich nicht schon wieder von dieser Dunkelheit überwältigen lassen! Heute ist ein sonniger Tag, ich sitze mit Will Solace auf der Krankenstation (ich sitze, er steht am Bett eines Campers) und er hat mich vor ein paar Minuten eingeladen, später schwimmen zu gehen. Will Solace... Scheiße! Diese Ecke meiner Gedanken war nicht das Ziel, als ich mich aus der Schwärze hervorgegraben habe! Naja, aber Schwärmerei ist besser als halbe Depression, oder? Kann man das Schwärmerei nennen? Oder ist das etwas anderes? Bin ich... Nein! Blödsinn! Alles Blödsinn!


The story of SolangeloWo Geschichten leben. Entdecke jetzt