Kiara
Ich folge ihm in das kleine Zimmer neben Tevez' Büro und stelle erleichtert fest, dass Tevez nicht hier ist.
"Die Tür.", merkt der Unbekannte an, nachdem er sich auf das schwarze Ledersofa gesetzt hat. Breitbeinig hängt er dort und schaut mich erwartungsvoll an. Immer wieder zuppel ich an dem kurzen Kleid, obwohl es überhaupt keinen Grund dafür gibt. In weniger als 5 Minuten wird er es mir wahrscheinlich sowieso vom Leib gerissen haben.
Was also versuche ich hier noch zu verdecken?
"Was möchtest du denn?", frage ich heiser, nachdem ich die Tür geschlossen haben.
Mein Herz rast wie verrückt und ich höre meinen Puls in meinen Ohren. Wie ein Trommeln pocht es in meinen Ohrmuscheln, weil ich nicht mit ihm alleine sein will. Das Lächeln von seinen Lippen ist nahezu vollständig verschwunden, sodass ich glaube etwas Schadenfreude in seinem Gesicht zu erkennen.
Er antwortet mir nicht, sondern führt seine Hände zum Bund seiner dunkelblauen Anzughose und öffnet kinderleicht den ersten Knopf. Mein Atem geht schneller, während er mich mit seinem Blick fixiert.
Das grüne Lacoste-Emblem blitzt hervor, als er den Reisverschluss öffnet und noch immer meine Bewegungen und Reaktionen scannt.Schluckend überwinde ich die letzten Meter und stütze mich möglichst verführerisch auf seinen Oberschenkeln ab, um mich elegant zwischen seine Beine zu knien. Absichtlich schaue ich ihm nicht in die Augen, auch wenn ich gelesen habe, dass Männer es anziehend finden.
Ich kann ihn nicht ansehen.
Ich schaffe es einfach nicht, weil ich das Gefühl habe, als würde er mir in die Seele schauen können. Als würde er die echte Kiara sehen können."Wie heißt du?"
Seine dunkle Stimme beschert mir Gänsehaut am ganzen Körper und ich könnte meine Hand dafür ins Feuer legen, dass er Kettenraucher ist."Tessa.", lüge ich ihn an und ziehe seine Anzughose herunter.
Zumindest will ich das, doch er hebt verflucht nochmal seine Hüfte nicht an.Als ich es ein zweites Mal probieren will, greift er ruckartig und fest nach meinen Handgelenken und beugt sich vor, sodass ich auf dem Hintern lande und ihn ängstlich ansehe.
Er wird mir doch wohl nichts antun?
"Und wie alt ist Tessa?", will er wissen, ohne dass er daran denkt meine Hände loszulassen. Er hat mich fest im Griff; das will er mir damit sagen. Es besteht keine Chance zu entkommen, wenn er das nicht will.
"23.", hauche ich und ziehe meinen Kopf zurück, weil er mir immer näher kommt. Jedenfalls bilde ich mir ein, dass ich seinen Atem, der so verrucht nach Rauch und Minze riecht, gemischt mit seinem nach Zedernholz riechenden Parfum, auf meinem Gesicht spüren kann.
Unter seinen Blicken, die schärfer sind als jedes Adlerauge, fühle ich mich nackt. Plötzlich schäme ich mich für meinen schlechten Eyeliner und für mein nicht passendes Make Up. Das erste Mal habe ich das Gefühl, als würde sich ein Mann wirklich für mein Gesicht interessieren.
Als würde er sich alles genau einprägen wollen, als würde er unter meine Fassade blicken wollen.
"Und wie alt ist Tessa, wenn sie nicht gerade Tessa ist?"
Mein Herz setzt aus.
"Was?", quietsche ich laut, weil ich mich ertappt fühle.
Mein Herz rast erneut und ich kriege das Gefühl, als würde ich gleich umkippen. Ich zerre an meinen Handgelenken, damit er mich los lässt, doch er denkt nicht mal dran.Der große Typ verstärkt den Griff um meine Handgelenke und verzieht keine Miene.
"Ich habe Tessa gefragt, wie alt sie ist, wenn sie nicht gerade Tessa ist."Er wiederholt seine Worte deutlich. Fast zu deutlich. So deutlich, dass er sie fast zischt. Jedes einzelne Wort betont er, wobei er nicht einmal den Mund richtig öffnet. Er zischt diese Worte durch seine weißen Zähne, lediglich seine Lippen bewegen sich.
"Ach wie unhöflich von mir. Vielleicht sollte ich Tessa erstmal fragen, wie sie heißt, wenn sie nicht gerade Tessa ist.", formuliert er seine Frage neu und zieht mich ruckartig näher an sich heran, damit er sich nicht mehr so weit zu mir herunter beugen muss.
"Ich weiß nicht, was du meinst.", schüttel ich aufgeregt meinen Kopf und kämpfe gleichzeitig mit den Tränen.
"Wirklich, ich weiß nicht, wovon du sprichst.""Dafür, dass Tessa nicht weiß wovon ich spreche, ist sie aber ganz schön aufgeregt, oder?", flüstert er dicht an meinem Gesicht.
"Du hältst mich fest, natürlich bin ich da aufgeregt!", verteidige ich mich mit zitternden Stimme.
"Pscht Pscht, kein Grund laut zu werden.", ermahnt er mich vollkommen entspannt. Er nimmt meine Handgelenke in eine Hand und greift mit der rechten hinter sich. Mit großen Augen beobachte ich, wie er eine schwarze Waffe hinter seinem Rücken hervor zieht und sie neben sich auf das schwarze Ledersofa legt.
Ich sehe helle Punkte vor meinen Augen, kann kaum noch etwas von dem Raum sehen. Jetzt ist es vorbei, jetzt werde ich umgebracht. Er tötet mich in dem Hinterzimmer von Tevez' Büro und niemand kriegt es mit.
"Dein Name.", brummt er und nimmt die Hand von der Waffe.
"Kiara.", wimmere ich und breche in Tränen aus. Er hat gar keine Ahnung wie er mich hiermit demütigt. Er zwingt mich, ihm einen wichtigen Teil meiner Identität zu verraten, obwohl es nicht sein Recht ist. Niemanden hier geht meine private Person etwas an, niemanden.
"Es gibt schlimmere Namen, kein Grund zu weinen.", ärgert er mich, obwohl er genau weiß, dass ich nicht deshalb weine. Er schaut mir ins verheulte Gesicht und verfolgt eine Träne, die aus meinem Augenwinkel läuft.
"Und wie alt ist Kiara?"
"Bitte, warum tust du das? Das geht dich gar nichts an. Ich mache alles was du willst.", flehe ich ihn an mich endlich loszulassen und mit dieser elendigen Fragerei aufzuhören. Das einzige was er hier tut, ist mich zu demütigen. Er sitzt hier und will mich demütigen, in dem er mir intimste Fragen stellt.
Fragen, der man keiner Nutte stellt.
"Wofür ist das wichtig? Du willst doch nur Sex. Ich tue doch was du willst, aber bitte hör auf mich zu fragen, wer ich wirklich bin.", schluchze ich und sehe ihn zum ersten Mal in die Augen.
In die Augen, in denen ich mich anscheinend so getäuscht habe.
"Bitte.", wimmere ich, weil ich mich so hilflos fühle.
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Schwarz wie die Nacht
ChickLitWas macht man, wenn man keinen Ausweg aus der Armut hat? Was macht eine Frau, wenn sie keine Möglichkeit auf ein angenehmeres Leben hat? Wo geht sie hin, wenn sie auf sich alleine gestellt ist und ihre Familie ernähren muss, weil der Vater zu betru...