63. Kapitel

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G E O R G I E


Die Zelltüre wurde geöffnet und ich wurde auf die Beine geschleift. Sie hatten mir zuvor die Fesseln abgenommen und mir befohlen, das neue rosa, enganliegende Cheongsam-Kleid anzuziehen, als wäre der kommende Anlass es wert, hübsch auszusehen.

»Mitkommen.« hiess es von den Wachen und ich musste erst gar nicht nachhacken, um zu verstehen, wohin ich gebracht wurde. Es war so weit, ich sollte das Tor für sie öffnen, oder besser gesagt, für ihn, den Todbringer.

Hades.

Ich hatte vermutet, dass ich Angst haben würde, dass ich mich wie verrückt vor der Begegnung mit ihm sträuben und vor Panik zittern würde, doch die Zeit in der Zelle hatte mich abgestumpft und für die geringste Gefühlsregung dumpf gemacht.

Sie führten mich durch die Gänge der Gruft, hielten dann vor einer schweren Massivholztüre an und öffneten sie mit einem Schlüssel.

Und was ich dann sah ... verwirrte mich. Ich kannte diese Gänge, war sie schon einmal entlanggerannt. Das kalte Grauen kroch meine Glieder hoch, während ich an den Totenschädel und der Knochenwand vorbeilief.

»Aber wie können wir bereits in den Katakomben sein? Muss ich nicht durch ein Portal reisen?« fragte ich verdattert. Musste ich nicht hoch in den Norden, wo Arya und Xenos gerade auf der Suche nach Hades waren?

Die Wachen ignorierten mich und dann traten wir durch den grossen Bogen in das unterirdische Gewölbekomplex. Es sah aus wie das letzte Mal. Die eingebuchteten Nischen, die aus der Wand gebauten Senkgräber.

Und dann sah ich Reyna und Hades vor dem Spiegel stehen, hinter ihnen stand eins der ausgewählten Mädchen von der Arena und sie schien alles andere als erfreut, hier unten zu sein. Ich folgte ihrem verstören Blick und entdeckte die restlichen Mädchen, die zu einem Berg gehäuft in einer der Nischen lagen.

Ich schlug erschrocken meine Hände vor den Mund und wich zurück.

Ihre weissen Gewänder waren Blutdurchtränkt, ihre Handgelenkte skrupellos aufgeschnitten. Das hier war ein Massenlager an Leichen von unschuldigen, jungen Mädchen, die nicht hätten tot sein dürfen.

»Nein! Ich will das nicht! Das war bestimmt nicht Ozuros Wille!« schrie das Mädchen und wehrte sich verzweifelt gegen die Griffe der Wachen, die sie zum grossen Spiegel schleiften.

»Nein, aber es ist meiner!« herrschte Reyna, die in ihrem schwarz goldenen Kleid vor dem Spiegel stand und dem Wachen mit einem Nicken befahl, anzufangen.

Der Mann, der das Mädchen festhielt, holte blitzschnell ein Messer hervor und schnitt ihr über die Pulsader.

»Nein!« entfuhr es mir und ich sprang nach vorne, wurde jedoch sofort von meinen Wachen zurückgehalten und grob an sie gezogen. »Reyna! Das kannst du nicht tun!«

Reyna die mich nur eines kurzen Blickes würdigte, deutete dem Wachen, weiterzumachen. Er schleifte das Mädchen zum Spiegel, stiess sie zu Boden, sodass sie auf der Glasoberfläche zu liegen kam und ihr Blut auf die Scheibe tropfte.

Dann hörte ich die Stimmen der Schatten.

Bluuuuut!

Wir wollen ihr Bluuuut!

Jaaaaaa! Hungeer!

Sie drückten sich von der anderen Seite des Spiegels an die Scheibe, gierig und ausgehungert klebten ihre Münder an dem Spiegel, als wollten sie jeden Tropfen ihres Bluts austrinken. Und genau so war es. Das Blut des Mädchens sickerte durch die Glasscheibe und sobald die Schatten den ersten Geschmack erhaschten, schrien sie in heller Begeisterung auf.

Wieso in aller Monde taten Reyna und Hades das dem Mädchen an? Was wollten sie damit bezwecken? Mussten sie die Schatten füttern, um sie zu zähmen? War es das?

Mir wurde schlecht, aber ich konnte nicht wegsehen, konnte das arme Mädchen, deren Augen bereits trüb wurden, nicht im Stich lassen. Als alles zu Ende war, häuften sie sie auf den Berg zu den anderen Leichnamen.

»Ich habe euch das gegeben, wonach ihr verlangt habt. Nun gibt mir meinen Preis.« verlangte Hades, dessen Gestalt immer noch unter der dunkelblauen Robe versteckt war, von den Schatten und legte seine Hände gegen die Scheibe. Reyna tat es ihm gleich und dann sah ich, wie ein schwarzer Strom aus dem Spiegel in ihre Glieder floss.

Ich kniff meine Augen zusammen, als könnte ich dadurch schlauer werden, was hier gerade geschah.

Als kein Strom mehr von den Schatten aus ging, erhoben sich beide vom Boden. Reyna schloss selig ihre Augen. »Endlich. Das letzte Mal war schon zu lange her.« seufzte sie, dann öffnete sie ihre Augen und in den purpurfarbenen Augen funkelten rote Flammen.

»Was habt ihr getan? Was soll das Ganze?« Sie hatten die Mädchen geopfert, das war mir klar. Aber was bekamen sie von den Schatten? Welchen Preis war das Blut unschuldiger Mädchen gewesen? Und was für eine Prinzessin tat dies ihrem Volk an?

Reynas Lippen verzogen sich zu einem grossen Lächeln. »Es ist Ozuros Wille, Georgie. Er gibt uns die Kräfte, die uns von Geburt an zusteht.« Dann öffnete sie ihre Fäuste und Flammen tanzten an ihren Fingern.

Reyna war einfach nur abscheulich. »Das ist nicht Ozuros Wille, Reyna, das hier ist kaltblütiger Mord an deinem Volk, um von Dämonen das zu bekommen, was du willst! Das hier ist schwarze Magie!«

Aus Reynas Augen sprühten Funken. »Ich bin ein Drachenblut!«

»Nein, bist du nicht!« schoss ich zurück. »Sonst bräuchtest du nicht ein dutzend Mädchen umzubringen, die es nicht verdient hatten, für so etwas zu sterben! Du hast sie alles angelogen, du hast sie für etwas in den Tod geschickt, was nicht existiert!«

Reyna verzog wütend ihren Mund und setzte bereits zu einer pfeffrigen Antwort an, als Hades uns unterbrach und mich daran erinnerte, von wem hier die eigentliche Gefahr ausging.

Er wuchtete seinen Stab in den Boden. »Genug! Wachen, bringt sie zum Spiegel, es ist an der Zeit!«

Jetzt hatte ich doch Angst. So sehr Malvera mich auch für diesen Moment vorbereitet hatte, ich war es dennoch nicht.

Die Wachen schleiften mich durch die Halle, während jede Zelle meines Körpers in die andere Richtung rennen wollte. Alles in mir schrie mich an, die Beine in die Hand zu nehmen und vor diesem Monster fortzulaufen. Oh Gott, ich konnte das alles nicht, ich konnte das nicht! Die Angst frass mich von innen auf, verschlang mich mit ihren scharfen Zähnen und ich schaute panisch um mich, in der Hoffnung, einen Ausweg zu finden.

Dann stiessen sie mich vor Hades auf die Knie. »Ah!« Ich schlug hart auf dem Sandboden auf und Staub wirbelte in die Luft. Zitternd vor Furcht sah ich auf, während er auf mich niederstarrte. Dann zog er seine Kapuze herunter und ...




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Erstes Kapitel der Lesenacht! 🥳

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