Als Kieran und ich am nächsten Tag um vierzehn Uhr im Hausflur standen, klopfte mein Herz nervös. Mrs Campbell konnte ein Segen oder ein Fluch sein. Doch das würden wir erst erfahren, wenn es so weit war. Im Gegensatz zu mir schien Kieran vollkommen ruhig und gelassen.
»Pass bitte auf dich auf, ja?« Besorgt sah Audra mich an, die Hände eindringlich, aber sanft, auf meinen Schultern. Ihr gefiel es nicht, dass wir uns trennen mussten. Aber es war nicht für allzu lang. Zumindest nicht, wenn alles gut ging.
»Ja, mache ich. Keine Sorgen.«, versuchte ich sie zu beruhigen. Noch einmal schlang sie ihre Arme um mich. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr unglaublich schwer fiel, mich anschließend wieder loszulassen.
»Audra, ich bin doch nur für ein paar Stunden weg.«, sagte ich lächelnd. Doch sie antwortete nicht und drückte mich nur noch fester an sich. Schließlich ließ sie mich mit einem Seufzen und sah mich noch ein letztes Mal an. Ihre Stirn hatte sich vor Sorge gekräuselt. Dann wandte sie sich an Kieran.
»Und du passt bitte auch auf dich auf.«, bat sie ihn. Für einen Augenblick, der kaum länger als ein Wimpernschlag anhielt, huschte ein überraschter Ausdruck über sein Gesicht, ehe er so schnell wieder verschwand, dass ich ihn mir auch hätte einbilden können. Kieran nickte knapp. Seufzend trat Audra einen Schritt zurück. Voller Sorge sah sie uns dabei zu, wie wir aus der Tür traten. Kaum war ich draußen, empfing mich ein warmer Wind. Noch vor wenigen Wochen hätte ich angewidert mein Gesicht verzogen und mich wieder im Haus verkrochen. Doch jetzt stellte ich fest, dass mir die Wärme des Windes weniger ausmachte, als zuvor. Natürlich war sie noch immer zutiefst unangenehm, doch nicht so unmöglich auszuhalten wie vorher.
Samuel hatte uns das Auto bereits vor die Haustür gestellt. Ein belustigtes Auflachen entwischte mir, was mir sofort Kieran Aufmerksamkeit bescherte. Das jedoch ignorierte ich. Bills Auto war alt und klapprig. Genau wie das Auto, mit dem er Lucius und mich aus London gebracht hatte und genau wie das Auto, mit dem Lucius und ich anschließend nach Morvah gefahren waren. Hatte Bill etwa nur solche klapprigen Mühlen? Wieso wunderte mich das nach den letzten beiden Autos überhaupt noch?
»Das sieht nicht sonderlich fahrtüchtig aus.«, bemerkte Kieran skeptisch, als er das neongrüne Monstrum von Klapperkiste betrachtete.
»Oh, glaub mir. Das fährt.«, erwiderte ich amüsiert. Das war wirklich das hässlichste Auto, das mir je untergekommen war. Diese neongrüne Farbe sprang einen geradezu an. Kieran sagte dazu nichts, sondern stieg einfach auf der Fahrerseite ein. Abwartend blickte er zu mir, damit ich ebenfalls einstieg. Ich musste gar nicht erst fragen, ob er überhaupt Autofahren konnte. Mühelos startete er den Motor und fuhr an. Vor uns öffnete sich das Tor ganz von selbst und das Gebäude hinter uns wurde immer kleiner und kleiner. Bis es schließlich ganz hinter den Bäumen verschwunden war.
Die ersten Minuten vergingen schweigend. Kieran hatte sich ganz auf die Straße konzentriert, über die die Navigation ihn lotste. Der Wald wich den Feldern und wir begegneten nun auch anderen Autos.
»Glaubst du, das ist eine Falle?«, fragte ich schließlich.
Zuerst blieb er still, ehe er mir dann doch antwortete. »Ich weiß es nicht.«, gestand Kieran. »Aber ich würde mir nicht allzu große Hoffnungen machen.« Aber ich wollte mir Hoffnungen machen. Was blieb mir anderes übrig? Ich musste hoffen, dass sich unsere Lage eines Tages besserte. Und um sie verbessern zu können, mussten nun einmal Menschen mitwirken.
Kieran, der mir scheinbar ansah, was in mir vorging, sagte: »Hoffnungen werden meist enttäuscht.« Wieder einmal sprach er mit solch einer Gleichgültigkeit, als würde er nicht aus eigener Erfahrung sprechen. Dabei wusste ich doch, dass er es tat. Schon wie er von seiner einstigen Gefühllosigkeit und auch von den Elitesoldaten erzählt hatte, hatte sich aus seinem Mund beinahe wie eine Geschichte angehört. Eine Geschichte, zu der er selbst keinen oder kaum Bezug hatte. War das ein Schutzmechanismus? Sich von den eigenen Erlebnissen zu distanzieren? Oder lag das einfach daran, dass er einst seine Gefühle abgeschaltet hatte?
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Freya Winter - Mutant
Science FictionMutanten. Genveränderte Menschen. Die neue Zukunft. Weltverbesserung. So sollte es zumindest laut Ambrosia sein, ehe das Experiment nach hinten losging. Sie sind schneller als normale Menschen, stärker und anders. Die perfekten (Nicht-)Menschen. Un...