Hinweis
Wer das Spiel auf Kickstarter unterstützt und bereits den ersten Teil gespielt hat, sollte mit dem Erscheinen des vollständigen Titels noch einmal von vorne anfangen. Viele Rätsel und Elemente der Hintergrundgeschichte bauen aufeinander auf und sollten daher im Gedächtnis sein.
Zwei junge Menschen. Zwei eigensinnige Köpfe. Zwei, denen ihre Welt so nicht passt, die viel verändern, die ausbrechen wollen. Ein Junge und ein Mädchen, die an unterschiedlicheren Orten nicht sein könnten: Der eine im All, die andere in einem beschaulichen kleinen Dorf. Und doch werden sie beide ihre Lebenswelt grundlegend ändern...
Broken Age erzählt parallel die Geschichte von Vella und Shay, wobei der Spieler jederzeit zwischen den beiden Hauptcharakteren wechseln kann. Eine Verbindung gibt es dabei anfangs nicht, nach einem Drittel der Spielzeit überschneiden sich dann jedoch Geschichten und Rätsel. Gegenstände werden aber zu keinem Zeitpunkt ausgetauscht. Der Verlauf der Geschichte ist insgesamt recht linear, auch wenn bei mehreren Spielabschnitten einzelne Aufgabenketten in unterschiedlicher Reihenfolge erledigt werden können. Das schadet dem Titel aber überhaupt nicht, die Erzählweise wirkt geradlinig und zieht den Spieler schnell in seinen Bann. Der Aufbau ist sehr gelungen, man findet sich schnell in die Welt ein und verfolgt gespannt das Geschehen. Dabei werden auch zahlreiche liebevoll ausgestattete Schauplätze besucht. Schön, aber nicht aufdringlich umgesetzt sind viele humorvolle Dialoge und Anspielungen im Laufe des Spiels.
Die Charaktere sind allesamt recht gut entwickelt und haben eine ausreichende Tiefe. Allerdings sind Motive, Gefühle und Motivation der beiden Protagonisten Shay und Vella nicht immer nachvollziehbar, was wohl der recht kompakten Erzählweise geschuldet ist. Ein wenig platt wirkt hingegen das Finale und die Auflösung der sonst schönen Hintergrundgeschichte. Statt die aufgebauten Konflikte tatsächlich zu lösen, endet der Titel recht abrupt in einer ""Und-jetzt-ist-dann-auch-alles-plötzlich-gut-""-Bilderbuch-Manier. Da helfen auch die nett gemachten Bildchen im Abspann nicht viel, die einen weiteren Verlauf skizzieren. Das ist schade, denn der Titel hätte einen runderen Abschluss verdient. Immerhin ist die Geschichte jedoch vollständig in sich geschlossen, was bei aktuellen Adventure-Titeln auch keine Selbstverständlichkeit mehr zu sein scheint. Insgesamt eignet sich die Geschichte sehr gut für Kinder, auch wenn sie bei einigen Rätseln vermutlich Hilfe benötigen werden.
Mit einem schönen handgemalten Grafikstil geben die Schauplätze in Broken Age ein gelungenes Bild ab. Der Stil, der ein wenig an ein Bilderbuch erinnert, transportiert sowohl positive wie auch bedrohliche Momente der Geschichte wunderbar. An vielen Orten gibt es nette Details zu entdecken und zahllose Animationen lassen die Umgebung lebendig erscheinen. Für nahezu jede Aktion der Hauptcharaktere gibt es eine eigene Animation, auch für die Nebenrollen. Das wirkt sich enorm positiv auf die Atmosphäre aus. Ebenfalls gut umgesetzt ist der Wechsel von Spielszenen in Zwischensequenzen, der kaum auffällt. Insgesamt bedeutet das: Broken Age ist definitiv schön anzusehen. Leider passen in der deutschen Version Text und Mundbewegung häufig überhaupt nicht zusammen, was den grafischen Eindruck ein wenig stört.
Besonders schön ist der voll orchestrierte Soundtrack, der stets die Waage zwischen perfekter, dynamischer Untermalung der Szene und unauffälligem Verbleiben im Hintergrund hält. Ebenfalls gelungen sind die Geräusche, die stets passend die aktuellen Geschehnisse lebendig werden lassen. Die deutschen Sprecher (und dabei sind einmal nicht die üblichen Verdächtigen zu hören) leisten insgesamt sehr gute Arbeit und verleihen ihren Charakteren die notwendige Tiefe. Gerne folgt man so auch längeren Dialogen. Einzig etwas nervig wirken sich die piepsigen Stimmen einiger Raumschiffbewohner aus, die – ebenso wie im englischen Original – besonders bei häufiger Wiederholung etwas Ausdauer verlangen. Trotz der insgesamt gelungenen Sychronisation gab es allerdings offenbar ein Zeitproblem bei der Synchronisation: Besonders bei Vella ist häufiger deutlich zu hören, dass die eingesprochenen Texte massiv geschnitten und beschleunigt wurden. Auch bei anderen Charakteren sind zum Teil deutlich Schnitte und zum Teil auch Beschleunigungen bemerkbar. Offenbar haben sich die Entwickler nicht die Mühe gemacht, Szenen an die Übersetzung anzupassen. Teilweise hätte dort aber eine Verlängerung um nur eine Sekunde ausgereicht, um die Szene nicht zu gehetzt erscheinen zu lassen oder zu verhindern, dass ein Charakter noch spricht, während der Spieler schon die Auswahl der nächsten Dialogzeilen vor sich hat. Während Musik und Geräusche also perfekt sitzen, leidet die deutsche Synchronisation ein wenig unter technischen Aspekten.
Das Spiel wurde sehr gründlich übersetzt. Das bedeutet nicht nur, dass die Menüs auf Deutsch sind und deutsche Untertitel eingeblendet werden können, sondern auch, dass alle Elemente, die im Spiel selbst vorkommen (wie etwa beschriftete Schilder) deutsche Texte enthalten. Ein Luxus, den man selten in fremdsprachigen Spielen serviert bekommt.
Insgesamt ist die Übersetzung gelungen, auch wenn durch sie leider einige Wortspiele des Originals verloren gehen. Allerdings wird stets versucht, diese durch deutsche Versionen zu ersetzen. Insgesamt bleibt die Übersetzung dem Original treu und leistet gute Arbeit.
Über die Steuerung von Broken Age gibt es nicht allzu viel zu sagen: Per Klick wird gelaufen, die rechte Maustaste oder ein Ziehen des Mauszeigers in die linke untere Ecke blendet das Inventar ein (alternativ hilft auch die Taste ""I""), Gegenstände werden per Ziehen und Fallenlassen mit anderen Objekten oder der Umgebung kombiniert. Eine an manchen Stellen durchaus wünschenswerte Hotspot-Anzeige gibt es nicht. Wer alle notwendigen Objekte finden will, muss fleißig über den Bildschirm fahren. Besonders beim Finale kann das leicht zum ärgerlichen Übersehen einer Laufmöglichkeit führen. Sehr gelungen ist das Speichersystem, das vollautomatisch im Hintergrund arbeitet und keine Wüsche offen lässt. Auch manuelles Speichern ist problemlos möglich. Während sich Teil 1 zum Teil noch recht absturzfreudig zeigte, sind diese Probleme in der vollständigen Version behoben. Etwas ärgerlich ist, dass sich Dialoge nur komplett und nicht Satz für Satz überspringen lassen.
Im ersten Drittel (dem ehemaligen ersten Teil) bewegen sich die Rätsel konsequent auf einem niedrigen bis leicht mittleren Niveau. Geübte Rätsler dürften selten länger nachdenken, bevor sie ihren nächsten Plan in die Tat umsetzen. Dafür gibt es einige größere Schauplätze, deren Erkundung erst einmal etwas Zeit und Erinnerungsvermögen fordern. Ab dem Zwischenfinale zieht der Schwierigkeitsgrad der Rätsel dann merklich an. Gegen Ende werden gar Zettel und Stift notwendig. Alle Aufgaben bleiben dabei fair, auch wenn die ein oder andere Kopfnuss zu knacken ist. Auch die letzte Rätselkette, bei der mehrere Aktionen korrekt hintereinander ausgeführt werden müssen, ist eher anspruchsvoll. Insgesamt schätzen wir daher die Spielzeit auf 9 bis 11 Stunden, bis der Abspann über den Bildschirm flackert.
Es ist spannend, es sieht sehr schön aus, stellt vor allem nach dem ersten Drittel gute Rätsel und es hört sich gut an: Das sind die Dinge, die an Broken Age überzeugen können. Die fantasievolle Welt ist schön ausgearbeitet - krankt jedoch an der Vollbremsung am Ende und technischen Kleinigkeiten bei der deutschen Synchronisation. Und womit der Titel auf jeden Fall zu kämpfen hat: Er ist nicht das, was offenbar die meisten Backer erwartet haben - ein besonders umfangreiches, stark an klassische Adventure-Titel angelehntes Spiel. Vielmehr hält sich der Titel eher an aktuelle Standards was Spiellänge und Aufbau angeht. Betrachtet man Broken Age jedoch losgelöst davon, bleibt ein wirklich schön gemachtes, kurzweiliges Spiel mit einer netten Geschichte und guten Rätseln. Und so haben wir den Titel bewertet.
Broken Age hat mich innerhalb kürzester Zeit in seine Welt entführt. Die Aufteilung der Geschichte in zwei unabhängige Stränge hat mir gut gefallen, ebenso die Inszenierung. Die Wendungen in der Geschichte sind überraschend und gut gemacht. Insgesamt ist das beste Wort für den Titel wohl kurzweilig. Ein Spiel, das Spaß macht, gut unterhält und nach dem ersten Drittel auch ab und zu die grauen Zellen fordert. Ohne den Ballast der Erwartungen durch die riesige Kickstarter-Investitionssumme im Nacken definitiv ein schönes Spiel. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
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