Schmalspurbahnen in Indien
Die wenigen verbliebenen Schmalspurbahnen (toy trains) in Indien sind Relikte der Kolonialzeit, die meist für die alljährlich durchgeführten Umzüge der britischen Beamtenschaft in angenehmere, höhergelegene und damit kühlere Sommerhauptstädte im ausgehenden 19. Jahrhundert gebaut werden. Sie sind somit nicht nur für Eisenbahnenthusiasten touristisch interessant, sondern bilden eine Möglichkeit, bequem an sehenswerte Orte zu gelangen – in der 1. Klasse vielfach noch mit einem Hauch von Kolonialherrendekadenz.
Allgemeines
[Bearbeiten]Die Züge werden von der Staatsbahn betrieben. Reservierungen sind daher über deren System möglich, jedoch mit den üblichen Schwierigkeiten verbunden. Besonders zur Zeit regionaler Festivitäten und um das Divali-Fest Ende Oktober kann es schwierig sein, Plätze zu bekommen. Im Zweifelsfall buche man eine unbestätigte Reservierung.
Aufgrund der niedrigen Preise sollten sich Europäer nicht scheuen, in der 1. Klasse zu reisen. Aber auch in der zweiten Klasse ist die Reise problemlos möglich. Es mag Gepäckbeschränkungen geben, die aber meist nicht durchgesetzt werden. So kann man sein Gepäck evtl. gut unter dem Sitz verstauen.
Viele der Strecken werden hauptsächlich von indischen Touristen genutzt. Einige haben aber auch noch eine wichtige Funktion für die ortsansässige Bevölkerung.
Strecken
[Bearbeiten]Die erwähnten Bahnen sind als UNESCO-Welterbe anerkannt, abgesehen von der Strecke nach Matheran, hier ist die Aufnahme erst beantragt.
Darjeeling Himalayan Railway
[Bearbeiten]Die wohl bekannteste und sicherlich sehenswerteste Schmalspurstrecke (610 mm) führt über 78 km vom 1 Bahnhof New Jalpaiguri Junction (NJP; 114 m über NN), das ist der Hauptbahnhof der Millionenstadt Siliguri, zum 2 Bahnhof Darjeeling (2135 m) im Zentrum des berühmten Teeanbaudistrikts im Nordosten Indiens. Die Strecke ist Teil des UNESCO-Welterbes. Die durch Erdrutsch verursachten Schäden, die zu einer mehrjährigen Unterbrechung der Strecke geführt hatten, wurden bis November 2014 fast vollkommen beseitigt. Den Verkehr nahm man erst wieder 2018 auf. 2022 fährt ein Zug täglich, es gibt nur noch I. Klasse und A/C, die gesamte Strecke.
Fahrplanmäßig werden für die Strecke mit 13 Haltepunkten acht Stunden benötigt (knapp 10 km/h), die meisten Fahrten dauern über elf Stunden. Der Weg führt über mehrere Spitzkehren und 360-Grad-Schleifen. Das sprichwörtliche Blumenpflücken der oft auf Armeslänge vom bewaldeten Berghang entfernten Strecke ist durchaus möglich.
Die alten Dampfloks und offenen II. Klasse-Waggons sind nur noch als “joy train” auf den 7 km zwischen Ghoom und Darjeeling im Einsatz.
- Anreise
NJP liegt an der wichtigen Durchgangsstrecke von Assam nach Kolkata und entlang des Ganges nach Delhi. Es gibt auch einen Fernbus von Kathmandu nach Siliguri (1,5 Tage), der allerdings während des Monsuns nicht regelmäßig verkehrt.
Nilgiri Mountain Railway
[Bearbeiten]Die 26 km lange Nilgiri Mountain Railway ist die einzige Schmalspurbahn Südindiens im Bundesstaat Tamil Nadu. Die Bahn fährt durch die „blauen Berge“ ins Zentrum des Nilgiris Hills District. Sie wird zwischen Mettupalayam (326 m) und Udhagamandalam (2203 m), so der offizielle Name des Bahnhofs bei Ooty (= Ootacamund), noch mit Dampfloks, auf einer Teilstrecke als Zahnradbahn betrieben. Sie führt über rund 250 Brücken. Fahrplanmäßig benötigt man – 5mal täglich – bergauf knapp fünf Stunden, bergab 3,5 Stunden. Ooty war zu Kolonialzeiten von Mai bis Oktober Sitz der Regierung der Madras Presidency.
- Unterkunft
- 1 Solomon House, Missionary Hill, Coonoor Road, Ooty, 643001 (behind RTO Office). Tel.: (0)423-2447506, E-Mail: [email protected]. (Im internationalen Jugendherbergsverband.) Preis: Schlafsaal: 250 Rs., Doppel: 2000 Rs.; (Nebensaison rund 30% niedriger) (Stand: 2015).
- Anreise
Vom nächsten größeren Bahnhof Coimbatore Junction fährt man zunächst nach Mettupalayam (4 Züge täglich), dem Beginn der Strecke. Mit dem Nilgiri Express (Zug № 12672) kommt man einmal täglich direkt von/nach Chennai (rund 530 km).
Nahe des Bahnhofs von Ooty befindet sich die Busstation mit regelmäßigen Verbindungen nach Coimbatore (80 km), Calicut (187 km) sowie über Mysore (166 km) nach Bangalore (277 km).
Kalka–Shimla Railway
[Bearbeiten]Die 1 Kalka–Shimla Eisenbahn verbindet über 96 Streckenkilometer den 3 Bahnhof Kalka in Kalka (658 m) mit dem 4 Bahnhof Shimla in der sehenswerten ehemaligen Sommerhauptstadt Britisch-Indiens, Shimla (2076 m). Die Strecke mit über 860 Brücken wird heute nur noch mit Dieselloks befahren. Von den 107 ursprünglichen Tunnels werden noch 102 benutzt.
Die vier täglichen Züge hinauf verlassen mit einer Ausnahme Kalka am frühen Morgen zwischen 4 und 6 Uhr. Letzte Abfahrt ist mit der Himalayan Queen um 12.10 (Zug № 255; Anschluss nach Delhi).
- Anreise
Die 276 km lange Anschlussstrecke Delhi–Kalka ist vollkommen elektrifiziert. Während der heißen Hochsaison und zum örtlichen Festival Anfang Oktober – dann sind auch in Shimla die Zimmer ausgebucht – kann es schwierig sein, Fahrkarten 1. Klasse zu reservieren. Ggf. kann das Ausländerbuchungsbüro im Obergeschoss des Bahnhofs New Delhi weiterhelfen. Um Shimla zu erreichen, ist der Zug den lokalen, miserabel gewarteten Bussen oder überteuerten Taxen der Kalka-Shimla Taxi Union (Tel.: 91 177 2658225) in jedem Fall vorzuziehen.
(Flüge zum Shimla Airport (IATA: SLV, ICAO: VISM), ein Miniaturlandeplatz ausgelegt für max. 50 Passagiere, im 22 km entfernten Jubbarhatti ist seit der Pleite von Kingfisher keine Anreisealternative mehr.)
- Unterkunft
Es gibt keinen Grund, in Kalka zu übernachten. Für längere Stops ist der retiring room des Bahnhofs ausreichend.
Matheran Hill Railway
[Bearbeiten]Die 21 km lange Strecke (Spurweite 610 mm) zwischen Neral (40 m über NN) und Matheran (ca. 800 m) in den Western Ghats im heutigen Bundesstaat Maharashtra wurde 1901–1907 erbaut. Seit den 1980er Jahren werden nur noch Dieselloks eingesetzt. Während der Monsunsaison kann es zu längeren Streckensperrungen kommen. Fahrkarten der ersten Klasse kosten etwa das siebenfache der zweiten.
Matheran ist Indiens einzige autofreie “Hill Station” (Plastiktüten sind auch verboten). Man verlangt eine Kurtaxe von ₹ 25 pro Besuch (Stand: 2012). Aufgrund seiner Nähe zu Mumbai (90 km) und Poona (120 km) ist es ein populäres Ziel indischer Wochenendausflügler, so dass dann Unterkünfte knapp werden. Ein Besuch bietet sich besonders für diejenigen an, die keine der größeren Hill Stations in den Vorbergen des Himalaya besuchen können, oder wenn man einige Tage vor Heimflug nicht in der Großstadt verbringen möchte. Matheran verfügt über ein ansehnliches Netz an Wanderwegen in gutem Zustand, was selbst für Hill Stations in Indien untypisch ist. Man kann auf ihnen ohne größere Höhendifferenzen auf der Hochfläche des Tafelbergs umhergehen. Es gibt eine Vielzahl von Aussichtspunkten. In den Wäldern der umliegenden Berge gibt es zahlreiche freilebende Affen und man kann die Vogel- und Insektenwelt erkunden.
- Unterkunft
Hotels in Matheran sind für indische Verhältnisse überteuert und verlangen oft einen mindestens zweitägigen Aufenthalt.
- 2 Hope Hall Hotel, Plot Number MT-77 M.G. Rd., Matheran 410 102. Tel.: 91 2148 230253. Duschen aus dem Eimer, Handtücher möglichst selbst mitbringen. Es gibt auch günstigere kleinere Zimmer. Geöffnet: 9.00-1.00. Preis: 4-Bett: 2500 Rs, 5-Bett: 3500 (keine kleineren Räume); Nebensaison ca. 35 % billiger; keine Kinderermäßigung.
- Anreise
Neral Junction kann durch Nahverkehrszüge, die wegen ihrer notorischen Überfüllung berüchtigt sind, vom Hauptbahnhof Mumbai (CTS) erreicht werden. Allerdings sind diese so weit von Mumbai entfernt in Neral noch nicht überfüllt und man hat eine gute Chance auf einen Sitzplatz. Schnellzüge auf diesem Weg sind der Deccan Express oder der Koyna Express. Von Poona gelangt man einfach mit dem morgendlichen Sinhagad Express in rund zwei Stunden nach Karjat, die restliche kurze Strecke nach Neral mittels lokalem Zug. Am Bahnhof von Matheran werden Kombitickets verkauft für den Toy-Train und den Anschluss in Neral auf der Hauptstrecke, jedoch nur für den Nahbereich.
Kangra Valley Railway
[Bearbeiten]Die 164 km lange Strecke von Pathankot (330 m) über Ahju (1290 m; Streckenkilometer 155) nach Joginder Nagar in Himachal Pradesh ist touristisch interessant, da Ahju als Durchgangsort ins drei Kilometer entfernte Bir dient, das wegen seiner großen exiltibetischen Gemeinschaft zu einem Zentrum für Ökotouristen, freiwillige Helfer und Meditierende geworden ist. Die in 762-mm-Spur angelegte Strecke wurde erst in den 1920ern gebaut. Bei der Streckenführung vermied man Tunnels. Sie führt, besonders im Abschnitt von Mangwal bis Kangra, entlang teilweise atemberaubender Bergpanoramen. Die meisten der 6-7 Züge täglich fahren in beiden Richtungen am Morgen und bieten meist nur zweite, das heißt in Indien „Holzbankklasse“.
In den letzten Jahren kam es mehrfach zu Betriebsunterbrechungen, da illegaler Kies- und Sandabbau im Flussbett zu Unterspülungen der Gleise führte. Zum einen steht die Bahn auf der Welterbe-Bewerberliste, zum anderen plant das Bahnministerium Ausbau auf indische Breitspur.
Sonstige
[Bearbeiten]Es gibt noch weitere Schmalspurbahnen, die für Enthusiasten von Interesse sein mögen, aber keine touristisch interessanten Gebiete erschließen, so z.B.:
- die Satpura-Bahnen um Jabalpur und Gondia in Madhya Pradesh, deren Spurverbreiterung von 762 mm auf Breitspur bereits durchgeführt wird.
- die Gwalior Light Railway, verbindet über 199 km 2-3mal täglich Gwalior Junction mit Sheopur, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 35 km/h.
Ansonsten betreiben einige Privatfirmen Schmalspurbahnen, die vor allem in Bihar Zuckerrohr, andernorts in Stahlwerken Fracht befördern.
Weblinks
[Bearbeiten]- Reservierungs-Website der indischen Staatsbahn (engl.; langsam ladend)
- Online-Kursbuch “Trains at a Glance”
- Beschreibung einer Fahrt Kalka–Shimla und Darjeeling-Bahn
- Pathankot-Jogindar Nagar Kangra Valley Rail (engl.)
- Indian Steam Railway Society