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Ueber Gefühl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: K. W. Justi
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Titel: Ueber Gefühl
Untertitel:
aus: Neue Thalia. 1792–93.
1793, Dritter Band,
S. 284–285
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: G. J. Göschen'sche Verlagsbuchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
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Originalherkunft:
Quelle: UB Bielefeld bzw. Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[284]
IV.
Ueber Gefühl.


Die kalte Ruhe der Vernunft zu wärmen,
Goß Gott in uns den Funken Leidenschaft,
Nicht um in Kummer langsam uns zu härmen;
Nein, zur Empfindung unsrer Menschenkraft.

5
Und welches Unheil schaft das Himmelsfeuer,

Das die Natur in unsre Seelen goß!
Es macht aus Engelherzen Ungeheuer
Und bricht der Tugend heil’ges Siegel los:

Der Mann ist elend, der mit trüben Augen

10
Durch Gottes gute schöne Schöpfung schielt;

Nur Blumen bricht, um Gift daraus zu saugen,
Und feindlich in der Unglücksweisheit wühlt.

Doch elend ist auch, dessen weiche Seele
Ein kleines sterbendes Insekt entführt,

15
Ein Heimchen, aufgescheucht aus seiner Höle,

Und ein zertretner Wurm zu Thränen rührt.

[285]

Dort fliegt im Schwunge seiner Hochgefühle,
Von Kraft und Muth die kleinste Sehne voll,
Der Jüngling nach des Ruhmes Schattenspiele,

20
Und erndtet, statt des Beyfalls, Neid und Groll.


Hier sitzt der Handelsgeist bey vollen Kasten,
Und überzählt den köstlichen Gewinnst,
Und übersinnet ohne auszurasten
Der künft’gen Unternehmung Hirngespinnst;

25
Dort steht er in der schwerbetheerten Jacke

Und blickt verzweifelnd nach dem Mast empor,
Und jammert auf dem neugeborstnen Wracke,
Auf dem er seinen letzten Deut verlor.

Wir trinken Heil und Gift aus Einer Quelle;

30
Die Wirkung lieget in dem Maas des Zugs;

Gefühl ist Himmel, und Gefühl ist Hölle,
Ist Kraft der Wahrheit und ist Dunst des Trugs.