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Seite:Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin V 412.jpg

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– 9° R., am 17. Februar in Pendschkent in den Bergen um 7½ Uhr früh – 11° R. In den Bergen fällt der Schnee sehr tief, während Samarkand nur von einer leichten Schneedecke bedeckt wird. Thauwetter und gleichzeitig starke Hitze traten am 18. Februar ein; während und seitdem entwickelte sich die Vegetation mit rapider Schnelligkeit.

Was nun die Cultur des Seidenwurmes betrifft, so scheint dieselbe sehr alt zu sein; wahrscheinlich von China nach Samarkand verpflanzt, gelangte sie in früheren Jahrhunderten hier zu hoher Blüthe, während sie im vorigen Jahrhundert vollkommen darniederlag, theils in Folge der Verbote der Emire gegen den Luxus, theils weil die für diese Cultur nöthige Sorgfalt die trägen Asiaten ermüdete, oder weil die Arbeit nicht mehr hinreichenden Gewinn abwarf. Die Cocons wurden schlecht behandelt; man zerdrückte sie, um die Puppe zu tödten und die schon beschmutzte Seide wurde beim Spinnen noch mehr mißhandelt. Die Einnahme der Stadt Merw im Jahre 1787 brachte jedoch eine wesentliche Veränderung in der traurigen Lage dieser Industrie hervor. Nachdem nämlich Emir Usbeg vom Stamme der Manghit diese Stadt dem Bairam-Khan entrissen und gänzlich zerstört hatte, vertheilte er die Einwohnerschaft, welche als Züchter von Cocons wie als Seidenspinner einen gleichgroßen Ruf genossen, über die Städte Buchara’s als Sklaven. Diese verbreiteten nun ihre einheimische Methode der Seidenzucht in ihren neuen Wohnsitzen, und seit jener Zeit begann unter den Bucharern eine neue Aera für die Seiden-Industrie, welche wesentlich erleichtert wurde durch die große Masse der Maulbeerbäume, welche damals, wie theilweise noch jetzt, in Buchara hauptsächlich ihrer Fruchte wegen gezogen wurden.

Mein Augenmerk war nun darauf gerichtet, die verschiedenen Arten des Maulbeerbaumes kennen zu lernen, wozu der neben der Moschee Chirundur gelegene Bazar, auf welchem an Markttagen die verschiedensten Arten dieses Baumes feilgeboten werden, mir die beste Gelegenheit darbot. Kassak heißt der hier wildwachsende Maulbeerbaum, auf welchen alle anderen Arten aufgepfropft werden; derselbe hat eine leicht gerunzelte Rinde, die Knoten sitzen nahe an einander, seine Wurzel ist kräftig, und gedeiht derselbe überall. Meistentheils wird er jung veredelt, und beginnt von der Stelle der Aufpfropfung an seine Verästelung. Ein Bündel von 15 Stück Kassak von der Stärke eines Daumen und von kräftigem Aussehen wurde mir für 10 Kopeken verkauft. Man findet ihn mitunter auch größer werden und veredelt dann jeden Ast einzeln. Er trägt rothe Beeren, große Samenkörner, welche jedoch als Speise nicht beliebt sind; seine Blätter hingegen werden von den Seidenwürmern sehr gern gefressen.

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Diverse: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. Fünfter Band. Berlin: Dietrich Reimer, 1870, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zeitschrift_der_Gesellschaft_für_Erdkunde_zu_Berlin_V_412.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)