Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour) | |
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wiederspiegelt, und vor allem – ich wiederhole es – jene göttliche Sorglosigkeit schildern, die sich um nichts kümmert, als um die geliebte Frau? Ein „Ja“ oder ein „Nein“, von einem liebenden Manne ausgesprochen, hat etwas Feierliches, das man sonst nirgends findet, und selbst zu anderer Zeit an demselben Manne nicht.
Heute Morgen um neun Uhr ritt ich an dem reizenden englischen Park des Marchese Zampieri vorüber, der auf den letzten Ausläufern jenes waldreichen Hügellandes liegt, an das sich Bologna anschmiegt und von dem aus man einen herrlichen Blick auf die reiche grüne Lombardei, das schönste Land der Erde, hat. In einem Lorbeergebüsch im Parke Zampieri, von dem aus man meinen Weg übersehen konnte, der nach dem Wasserfall des Reno bei Casa-Lecchio führt, bemerkte ich den Grafen Delfante. Er war tief in Träumereien versunken und erwiderte meinen Gruß nur zerstreut, obwohl wir den Abend vorher bis zwei Uhr nachts zusammen verbracht hatten. Ich ritt weiter nach dem Wasserfall und über den Reno und kam schließlich nach ungefähr drei Stunden wieder an dem Boskett des Parks Zampieri vorbei, wo ich den Grafen immer noch stehen sah, genau in der gleichen Haltung, an eine hohe Pinie gelehnt, die über die Lorbeerbüsche hinwegragte. Ich fürchte, diese Einzelheiten sind zu einfach und nichtssagend. Delfante kam, Tränen in den Augen, auf mich zu und bat mich, niemandem von seiner starren Unbeweglichkeit zu erzählen. Ich war gerührt; ich schlug ihm vor, mit mir umzukehren und den Rest des Tages gemeinsam auf dem Lande zu verleben. Nach zwei Stunden hatte er mir
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_082.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)