über die Bewohner jener Gegenden eine so gewaltige Herrschaft aus, daß sie, so oft die dazu bestimmte Zeit kommt, alles Andere liegen und stehen lassen und Tage lang in den Theatern sitzen, um die Titanen, Corybanten, Satyrn und Rinderhirten anzusehen. Und diese Rollen werden sogar von Männern aus den ersten Familien getanzt, welche die höchsten Würden in jeder Stadt bekleiden, und weit entfernt, sich Dessen zu schämen, sich auf dieses Talent noch mehr, als auf Adel, Amt und Würden einbilden.
80. Bis jetzt sprach ich von den Tugenden des Tänzers; nun laß dir aber auch Etwas von den Fehlern sagen, die sich an ihnen häufig finden. Der körperlichen ist bereits erwähnt worden: die geistigen aber will ich dir mit Folgendem bemerklich machen. Da es unmöglich ist, daß Alle gleich sehr gebildet seyen, so muß es wohl deren genug geben, die aus Unkunde des Schicklichen arge Verstöße im Tanzen begehen. Einige bewegen sich falsch und verstoßen gegen die Musik, so daß der Rhythmus etwas ganz Anderes angibt, als was ihr Fuß beschreibt. Andere beobachten zwar den Tact, kommen aber mit den Dingen selbst, die sie darstellen, bald zu früh, bald zu spät, was ich selbst einmal mit angesehen zu haben mich erinnere. Ein Tänzer nämlich, der die Geburt Jupiter’s und Saturn’s Kinderfraß vorstellen sollte, gerieth, durch die Aehnlichkeit des Gegenstandes verleitet, in die Jammergeschichte des Thyest. Ein Anderer, der die Semele tanzen wollte, wie sie vom Blitze getroffen wird, verwechselte sie mit der Glauce, welche in der Zeit weit später war als Jene. Solche Verstöße Einzelner berechtigen uns übrigens
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. J. B. Metzler, Stuttgart 1827–1832, Seite 900. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0900.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)