Verschiedene: Die Gartenlaube (1882) | |
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Heyse, Gottfried Keller, Wilhelmine von Hillern und Andere, sind ihre Mitarbeiter, verschiedene ihrer Artikel, so der „Zug nach Sedan“ von J. von Verdy, Moltke’s Briefe über Rußland, der Briefwechsel Schiller’s mit dem Herzoge von Augustenburg, herausgegeben von Max Müller, erregten weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufsehen, und so ist die Achtung, welche sie sowohl im Inlande, wie im Auslande genießt, eine unbestrittene.
Eine ähnliche Tendenz, wie die „Rundschau“, verfolgt auch die im Frühjahr 1877 von Paul Lindau in’s Leben gerufene Zeitschrift „Nord und Süd“, doch zeigt diese mehr ein kosmopolitisches Gesicht. Sie hält sich principiell von allen politischen Fragen fern und läßt darum auch die nationale Grundstimmung nur selten durchklingen. Auch will sie offenbar mehr unterhalten, als unterrichten, mehr im Gesellschaftszimmer und Boudoir, als in der Studirstube gelesen werden und trägt in Folge dessen auch ein weit eleganteres Kleid, als die „Rundschau“. Sie erscheint in sauberster und geschmackvollster typographischer Ausstattung und bringt außerdem noch in jedem Hefte ein Portrait in Radirung. Im Mitarbeiterstabe fehlt es ebenfalls nicht an hervorragenden Männern; wir nennen Geibel, Bodenstedt, Rittershaus, Scherenberg, Heinrich Kruse, Felix Dahn, Wilbrandt, Anzengruber, Fontane, Rudolf Lindau, Leopold von Ranke, de Bary und R. von Ihering. Anfangs erschien „Nord und Süd“ bei Georg Stilke in Berlin, aber schon im Januar 1879 ging es in den Verlag von S. Schottländer in Breslau über.
Einen mehr gelehrten Charakter trägt die „Deutsche Revue“. Sie strebt vor Allem nach Vollständigkeit und behandelt in jeder Nummer eingehend jedes einzelne Gebiet des öffentlichen Lebens, der Wissenschaft, Kunst und Literatur. Ihre ständigen Mitarbeiter geben fortlaufende Berichte, die in erster Linie informiren sollen. Die wichtigsten Referate liefern auch hier nur Männer von Bedeutung. So schreibt von Schulte über Politik, Gareis über Staats- und Rechtswissenschaft, Laspeyres über Nationalökonomie und Statistik, Carus Sterne über Naturwissenschaften, Birnbaum über Landwirthschaft, Landgraf über Handel, Gewerbe und Industrie, Carrière über Philosophie, Schasler über Kunst etc. Herausgeber der „Deutschen Revue“ ist Richard Fleischer, Verleger derselben war bei ihrer Gründung 1876 Karl Habel; jetzt ist es Otto Janke in Berlin.
In allerjüngster Zeit ist endlich noch die im Verlage von E. L. Morgenstern in Leipzig erscheinende Zeitschrift „Auf der Höhe“ in die Reihe der deutschen Revuen getreten; sie will vor Allem eine internationale Revue sein; sie beabsichtigt, fortwährend die gesammte europäische Literatur im Auge zu behalten und fortlaufend über die ganze europäische Gesellschaft zu berichten. Fürwahr, ein kühnes Unternehmen, das die ganze Energie des Herausgebers, des bekannten Romanschriftstellers Leopold von Sacher-Masoch (dem jüngsthin in der Redactionsführung R. Armand zur Seite getreten ist), erfordern wird. Ein abschließendes Urtheil können wir uns über das interessante Unternehmen noch nicht bilden, da nur erst wenige Hefte desselben vorliegen, die jedoch neben großer Mannigfaltigkeit des Gebotenen viel redactionelle Umsicht bekunden und somit für die Zukunft Gutes versprechen.
Unsere junge Revuen-Literatur hat sich, wie obige Uebersicht zeigt, bereits üppig entwickelt, aber sie wird trotzdem noch manche Wandlung durchzumachen haben. Es fehlt ihr vor allem noch an eigenartigem, nationalem Charakter; überall in unserer Revue-Literatur macht es sich noch bemerkbar, daß man sich hier an ein französisches, dort an ein englisches und endlich sogar an ein amerikanisches Muster anlehnt. Erst wenn die deutschen Revuen ganz und gar deutsche Eigenart zeigen, dann erst werden sie auch im ganzen Umfange das sein, was sie sein sollen und wollen: ein Spiegel des deutschen Culturlebens.
Allerlei Hochzeitsgebräuche.
Das Erste, was meine Augen am 2. März 1851, am Tage nach meiner Ankunft, in Nantes erblickten, wohin mich die Regierung des Prinz-Präsidenten Napoleon als Flüchtling nach den deutschen Sturmjahren internirt hatte, war eine Volkshochzeit. Ich saß eben beim Frühstück im Hôtel „Zum Schilde Frankreichs“, das am Quai der Loire bei dem Landungsplatze der Dampfschiffe liegt, die zwischen Angers und Nantes auf- und abfahren, als mich lustige Fiedelklänge an’s Fenster lockten; es war ein langer, langer Zug von munteren Paaren, eins nach dem andern, dem ein Violinspieler aufspielend voranging. „Was ist das?“ fragte ich den Wirth.
„C'est une noce, Monsieur.“
Eine Hochzeit! Ich nahm es für ein gutes Vorzeichen und meine Hoffnung hat mich nicht getäuscht: ich habe seitdem in meinem zwanzigjährigen Aufenthalte in Frankreich alle möglichen Rollen bei diesem schönsten Feste des Lebens gespielt, ich betone: alle, verehrte Leserin, und einen reichen Schatz von freundlichen Erinnerungen eingeheimst. Wenn ich aber je in einem Landesstrich – ich habe allerlei Provinzen bereist und bewohnt – nicht dabei sein konnte, so ließ ich mir doch erzählen, was da „ländlich sittlich“ war. Und da sich die Leserin sicher für dieses Fest interessirt – „denn dies ist doch die größte Freude, auf die ein Mädchen hoffen kann,“ sagt der gemüthliche Gellert – so will ich ihr einiges von den Gebräuchen mittheilen, die dabei in verschiedenen Gegenden Frankreichs herrschen.
In Paris haben die Hochzeitsgebräuche nichts abweichend Eigenthümliches; die Volkshochzeiten ziehen zuweilen vor die Barrière hinaus und nehmen dann in den dortigen „Guinguetten“ (Weinwirthschaften mit Garten) ein für den Fremden besonderes Gepräge an, aber seit dem riesigen Anwachsen der Stadt verschwindet auch dieser Rest von Originalität. Bei den kleinbürgerlichen Hochzeiten, die in den billigen Restaurants des Palais royal abgehalten werden, soll, wenn man den Witzblättern glauben darf, noch der alte Scherz vorkommen, daß sich während des Nachtisches ein jugendlicher Spaßvogel, meist ein Knabe, unter den Tisch schleicht und der Braut heimlich das Strumpfband löst, welches dann zerschnitten und unter die Gäste vertheilt wird. Wo aber die angeheiterte Gesellschaft an diesem einer derberen Zeit entstammenden Gebrauche noch festhält, da weiß die Braut das Bedenkliche dabei zu umgehen und drückt dem Knaben unter dem Tische eine Handvoll zugeschnittener Bänder in die Hand, mit dem die Einbildungskraft der Gäste fürlieb nehmen muß. Ein besonderes Pariser Herkommen ist es noch, daß nach dem Hochzeitsmahl die Gäste in das Boulogner Gehölz fahren; beim oberen Teiche, See genannt, halten sie an und gehen um denselben spazieren. Man sieht hier oft mehrere solcher glücklichen Paare sich zusammenfinden; der Fremde erkennt die Braut besonders an dem Orangeblüthenkranz und -Strauß, der in Frankreich an Stelle der Myrte tritt.
Nur in dem Lande selbst, der „Provinz“, findet man noch volksthümliche Gebräuche, aber man eile, wenn man die Reste von der früheren bunten Mannigfaltigkeit noch sehen will! Denn „die Cultur, die alle Welt beleckt“, fährt auf den Schienen der Eisenbahn in die verborgensten Winkel. Da ist z. B. die keltische Bretagne, eines der eigenthümlichsten Länder, wo noch ein Dialekt der alten Ursprache der Gallier gesprochen wird. Bei meinen mehrjährigen Wanderungen durch diesen Keltenwinkel fand ich nur noch geringe Reste der Gebräuche vor; doch an Einem hielten die Frauen auf dem Lande fest, an ihrer pittoresken einheimischen Kleidung, wie sie namentlich bei festlichen Gelegenheiten getragen wird.
Diese malerische Nationaltracht sah ich einmal im Flecken Batz an der Seeküste im Departement der Niederloire zu schnöder Geldspeculation benutzt; ich schlenderte durch die Gassen des alterthümlichen Ortes, als mich eine Frau, die unter der Thür ihres Hauses stand, anredete: „Wenn Sie wollen, so ziehe ich mich Ihnen als Braut an.“ Natürlich gegen Geldentschädigung. Es mißfiel mir, das Festkleid vor einem Fremdling zum Erwerbe benutzt zu sehen; es kam mir wie eine Entweihung vor – ich lehnte ab.
Der Flecken Batz nahe bei Saint-Nazaire zeichnet sich in jeder Hinsicht durch ein charakteristisches Gepräge aus; die männliche Bevölkerung soll von Sachsen, normännischen Seeräubern, abstammen, die einst hier gelandet und sich niedergelassen haben; ihr
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_416.jpg&oldid=- (Version vom 18.3.2023)