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Seite:Die Gartenlaube (1864) 112.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Ding; gegen eine After-Barmherzigkeit ist mit Recht die Menschheit mit Entrüstung erfüllt. Mag auch Marburg in seinem Processe verurtheilt worden sein, die Oeffentlichkeit hat doch zugleich ihr Verwerfungsurtheil über jenes System der Heuchelei und der Scheinheiligkeit gesprochen, und kein Hirtenbrief des Mainzer Bischofs wird das schwarze Mal hinwegwaschen können, das der ultramontanen Partei durch Marburg unauslöschlich auf die Stirn gedrückt wurde.[1]




Blätter und Blüthen.

Naturwissenschaftliche Zeitungsschau. Nr. 1. Einen lautsprechenden Beweis, mit welcher unverantwortlichen Leichtfertigkeit die Reclame alle Mittel ergreift, giebt eine sächsische Zeitschrift in der zweiten Nummer des Jahrgangs 1864. In derselben empfiehlt ein Herr Schlossermeister Richter aus Geringswalde die Construction seiner Blitzableiter, und sagt unter Anderem:

„Die bedeutende Anziehungskraft und Leitungsfähigkeit meiner Blitzableiter habe ich durch eigene Erfahrung kennen gelernt. Beim Aufmachen ist es mir mehrfach vorgekommen, daß ein Gewitter in der Nähe aufstieg, nach dessen Entfernung der noch nicht der Erde zugeführte Blitzableiter dermaßen mit Elektricität gefüllt war, daß beim Berühren der Leitstäbe elektrische Schläge erfolgten. Dieses Experiment kann man bei einem Blitzableiter meiner Construction bei Annäherung eines Gewittern dadurch anstellen, daß man den Leitstab über der Erde von dem untern Ende abschraubt und das obere Ende mit einer Glasflasche soweit von der Wand abdrückt, daß es den untern Stab nicht mehr berührt; an dem abgedrückten Stäbe ist dann leicht ein elektrischer Schlag oder wenigstens ein schwaches Knistern zu beobachten.“

In dieser Reclame ist zweierlei zu verwerfen. Erstens beweisen die nach Entfernung eines Gewitters dem Leitstabe des noch nicht in die Erde geleiteten Blitzableiters entlockten elektrischen Schläge durchaus nichts für die „bedeutende Anziehungskraft und Leitungsfähigkeit“ im Einzelnen, und ebenso wenig etwas für eine besondere Vortrefflichkeit der in Frage stehenden Blitzableiter im Ganzen. Dergleichen scheinbar wissenschaftliche Präambeln, mögen sie nun absichtlich oder unabsichtlich sein, bewirken nur einn Täuschung des Publicums. Zweitens aber ist die Anstellung des Prüfungsversuches, zu welchem der Herr Schlossermeister Richter das Publicum auffordert, geradezu mit den höchsten Gefahren verknüpft. Die elektrische Spannung der Atmosphäre läßt sich in ihrer Stärke nie so ohne Weiteres bestimmen, eine in ihrem Aussehen sehr gefährlich erscheinende Wolke braucht gar kein Gewitter hervorzurufen, während bei ganz unverfänglichem Himmel sehr bedeutende Elektricitätsmassen in der Luft vorhanden sein können, welche aus einem Blitzableiter, dessen Verbindung mit der Erde, wie es Herr Richter vorschreibt, unterbrochen ist, schon ganz erhebliche Schläge zu erzeugen im Stande sind. Bei einem entschieden ausgesprochenen, herannahenden Gewitter aber wird vollends die Heftigkeit dieser Blitzschläge eine ganz unberechenbare.

Als vor etwas über hundert Jahren die Fragen nach der atmosphärischen Elektricität und nach der Natur der Gewitter unter den Naturforschern und Physikern aufgeworfen und behandelt wurden, machte de Romas, ein sehr erfahrener Physiker und geschickter Experimentator, verschiedene Versuche, indem er Metallspitzen (Auffangestangen) an Papierdrachen anbrachte und diese in die Luft steigen ließ. Obgleich nun die Leitung zur Erde nur aus einer Schnur mit einem dünnen, eingesponnenen Metalldraht bestand, die in Bezug auf Wirksamkeit lange nicht mit den Leitungen unserer Blitzableiter verglichen werden kann, so waren doch die Schläge, die de Roman erhielt, so heftig, daß er davon zu Boden geworfen wurde.

Noch schlimmer erging es dem Professor Richmann in Petersburg. Derselbe hatte zur Anstellung ähnlicher Versuche die Leitung den von seinem Hause herabgeführten Blitzableitern in derselben Weise, wie es Herr Richter in Geringswalde verlangt, unterbrochen. Trotzdem er nun die Gefahr genau kannte und alle möglichen Vorsichtsmaßregeln angewandt hatte, welche einem Physiker zu Gebote stehen, wurde er doch von einem Funken, der dem Blitzableiter entfuhr, getödtet. Und wenn dies einem im Experimentiren bewanderten und mit den einschlagenden Verhältnissen genau vertrauten Forscher widerfahren konnte, würde dann die Gefahr für das große Publicum nicht mindestens ebenso groß sein, wenn es der Richterlichen Aufforderung gemäß auf diese Weise die Brauchbarkeit seiner Blitzableiter prüfen wollte? – Herr Richter spricht allerdings nur von schwachem Knistern, damit ist aber nichts gesagt. Wenn die Blitzableiter wirklich zweckmäßig eingerichtet sind, so wird sich das schwache Knistern bis zum verderblichsten Blitzschläge steigern können.

Wir sehen es für unsere Pflicht an, eindringlichst davor zu warnen, daß die Leitungsstangen der Blitzableiter, welche die Elektricität in die Erde zu führen bestimmt sind, in der angegebenen Weise von einander geschraubt und die Leitungen dadurch unterbrochen werden. Schließlich dürften die Journale, welche technische und naturwissenschaftliche Kenntniß im Publicum verbreiten wollen, daran zu erinnern sein, daß es ihre erste Pflicht ist, derartige Reklamen, wie die hier in Frage stehende, gründlich zu prüfen, ehe sie sich dafür verantwortlich machen.


Eine neue preußische Bevormundung der deutschen Kleinstaaten.

Wie bekannt, haben mehrere von den zum sogenannten deutsch-österreichischen Postverein gehörigen kleineren Staaten, wie z. B. Anhalt, Waldeck etc., durch Vertrag dem Staate Preußen die Verwaltung ihrer Postanstalten übergeben, offenbar doch nur in der Absicht, die Wohlthaten und Vortheile derselben ihren Staatsangehörigen in möglichster Weise zu sichern, in keinem Fall aber ihre Unterthanen dadurch den Maßregeln der preußischen Polizei und innern Politik zu unterwerfen. Die Regierungen dieser Kleinstaaten mußten dabei unter allen Umständen erwarten, daß die Gesetze ihrer Länder von den preußischen Postbeamten, die hier nichts anderes sind, als die Vermittler des Verkehrs, pflichtgemäß beachtet und befolgt und in keiner Weise umgangen oder gar verletzt würden.

Die preußischen Postbehörden scheinen anderer Meinung zu sein. Im Herzogthum Anhalt sowohl, wie im Fürstenthum Waldeck, ist bekanntlich unsere „Gartenlaube“ nach wie vor erlaubt, die dortigen Buchhandlungen nehmen ungehindert Bestellungen an, und die Postanstalten beider Länder, welche verpflichtet sind auf alle in beiden Staaten erlaubten Zeitungen und Wochenschriften ebenfalls Abonnements anzunehmen, haben also unbedingt kein Recht Bestellungen auf die nur in Preußen verbotene „Gartenlaube“ zurückzuweisen. Trotzdem weigern sich die unter den Gesetzen beider Staaten fungirenden Postbeamten, Abonnements dortiger Landeskinder auszuführen, und üben somit den Bürgern nichtpreußischer Staaten gegenüber eine Polizei aus, zu der sie in keiner Weise verpflichtet oder berechtigt sind.

Da wir ein Mißverständniß oder eine Willkür seitens der Postbeamten nicht voraussetzen wollen, so müssen wir eine bestimmte Anweisung der preußischen Postbehörden annehmen. Das ist aber ein Eingriff in die Rechte fremder Staaten, und wir halten es für unsere Pflicht, diese neue preußische Bevormundung zu veröffentlichen, damit die betreffenden Staaten das gesetzwidrige Gebahren der preußischen Beamten ihrer Postanstalten kennen lernen und ihre Souverainetätsrechte wie die Rechte ihrer Staatsbürger in ihren Staaten ihrer Würde gemäß wahren.

Der Herausgeber der „Gartenlaube“. 

Zur Nachricht!

Die specielle Quittung über die mir mittlerweile wieder sehr reichlich eingesandten, sich auf etwa 800-1000 Thaler belaufenden Beiträge für die braven Schleswig-Holsteiner – worunter abermals einige interessante Opfergaben patriotischer Frauen – wird in der nächsten Nummer erfolgen.

Heute nur noch zwei kleine Berichtigungen: In Nr. 3 bitte ich anstatt 8 Thlr. vom Liederkranz zu Leipzig, vom Liederkranz zu „Ernstthal“ und in Nr. 5 anstatt 20 Thlr. vom landw. Verein zu Plohn bei Lengefeld, bei „Lengenfeld i/V.“ zu lesen.

Ernst Keil. 

  1. Als kurzes Nachwort wollen wir dem vorstehenden Artikel nur die Bemerkung anfügen, daß wir von verschiedenen Seiten, namentlich aber aus den Rheingegenden, dringend aufgefordert worden sind, in unserem Blatte eine wahrheitsgetreue, objectiv unparteiische Darstellung der vielbesprochenen Vorkommnisse im Mainzer Invalidenhospitale und des Aufsehen erregenden Warburg’schen Processen zu veröffentlichen. Wir haben uns solchem Ansinnen nicht entziehen zu dürfen und wegen der gewünschten Mittheilungen uns an die zuverlässigste Quelle, den ehemaligen Mainzer Hospital- und Invalidenhauspfarrer, Herrn Biron, als einen Mann wenden zu müssen geglaubt, der, zu den betreffenden Verhältnissen in engster Beziehung stehend, mit der Sachlage gründlich vertraut ist. Indem wir diese Mittheilungen aufnehmen, wie sie uns gegeben worden sind, erklären wir uns jedoch ausdrücklich bereit, auch etwaigen Modifikationen dieser oder jener erzählten Einzelheit von anderer Seite die Spalten der Gartenlaube nicht verschließen zu wollen.
    D. Red. 
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_112.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)