Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Mit Federn, die wohl reiner Sinn gespendet,
Wie üppig Land mit Gras, sich überziehn.
139
Und dieses Werk war so geschwind vollendet,Und voll die Deichsel und das Räderpaar,
Bevor die Brust ein O! und Ach! beendet.
142
Und Häupter trieb, als er verwandelt war,[1]Der Wagen vor, an den vier Ecken viere,
Drei aber nahm man auf der Deichsel wahr,
- ↑ [142 – 160. Der Gedankenfortgang ist hier dieser: Durch die widergöttliche, wenn auch gutgemeinte, Gütertheilung der Kaisermacht mit der Kirche vornehmlich, unter Mitwirkung anderer, äußerer und innerer Feinde, ist die Kirche bereits „verwandelt“, von ihrem wahren Wesen abgekommen. Nun wird dem Abfall vollends die Krone aufgesetzt, indem in dem Wagen, dem rasch 7 Häupter und 10 Hörner, (2x3 4), gewachsen sind, eine freche Hure als Herrscherin, wo früher Beatrix war, sich erhebt, welche, mit einem Riesen buhlend, durch ihn den Wagen sammt Deichsel ganz vom Baum des Gehorsams und des Kaiserthums loslösen und entführen läßt. – Demgemäß müssen also die 7 Häupter und 10 Hörner (aus Offenb. 17) hier die Verkehrung jener, der Kirche ursprünglich gegebenen, inneren Lebenskräfte und Lebensnormen darstellen, welche schon Hölle 19, 109 als die sieben Sacramente oder auch sieben Gaben des Geistes und die zehn Gebote bezeichnet sind. Es sind also die sieben Todsünden und daraus hervorgehend, den zehn Geboten im Gegensatz entsprechend, deren nunmehrige zehnfache d. h. jedesmalige, Uebertretung zu verstehen. Daß endlich die Hure, wie schon zu V. 38 bemerkt, parallel dem Adler, die empirische Papstmacht in ihrem damaligen Verweltlichungsstreben und insofern auch die, dieses Fehlers besonders schuldigen, zeitgenössischen und früheren Päpste, bedeute; daß dieselbe nicht ohne tiefere Beziehung in V. 154 f. mit Dante, dem unbeugsamen Ghibellinen, zu liebäugeln suche; daß der Riese das französische Haus, besonders Philipp den Schönen, schmeichelhaft genug repräsentire und mit dem ganzen Schlußvorgang der Ablösung der, also zum Ungeheuer verwandelten, Kirche vom Baum und Fortführung derselben in den „Wald“ die Verlegung des Papstsitzes nach Avignon, diese schmachvollste Erniedrigung des röm. Stuhls (zu Hölle 19, 82), gemeint sei – dies alles bedarf kaum besonderer Erwähnung und der Leser wird die Mühe der Durcharbeitung durch diese bildervolle Vision reichlich belohnt finden durch den Eindruck der gewaltigen Wirkung, welche eine so kühne Darstellung, gerade hier, am seligen Paradiesesort, der unsichtbaren, wahren Kirche, wie sie sein soll, engegengehalten, auf die Zeitgenossen des Dichters gehabt haben muß. Denn sinnig und durchschlagend in jeder Beziehung muß der Gedanke genannt werden, gerade hier, in dem Theil des Gedichts die ganze Verderbniß der Kirche vorzuführen, welcher der ganzen Entwicklung nach recht eigentlich das Symbol der wahren Kirche, des rechten Kirchenzustandes auf Erden sein soll.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Komödie_-_Streckfuß_-_388.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Komödie_-_Streckfuß_-_388.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)