Der alte Großvater und der Enkel (1812)
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Es war einmal ein alter Mann, der konnte kaum gehen, seine Knie zitterten, er hörte und sah nicht viel und hatte auch keine Zähne mehr. Wenn er nun bei Tisch saß, und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen mußte sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen, und noch dazu nicht einmal satt, da sah er betrübt nach dem Tisch, [356] und die Augen wurden ihm naß. Einmal auch konnten seine zitterigen Hände das Schüsselchen nicht fest halten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er aber sagte nichts und seufzte nur. Da kauften sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller, daraus mußte er nun essen: wie sie nun da so sitzen, so trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. „Was machst du da?“ fragt der Vater. „Ei, antwortete das Kind, ich mach ein Tröglein, daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß bin.“ Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fangen endlich an zu weinen, holten alsofort den alten Großvater an den Tisch, und ließen ihn von nun an immer mit essen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete.
Anhang Band 1
So erzählt es Stilling in seinem Leben II, 8. 9. wie wir es gleichfalls oft gehört, sonst wird auch gesagt, das Kind habe die Scherben von der irdenen Schüssel aufgelesen und sie für seinen Vater aufheben wollen. Ein alter Meistergesang (No. 83. in dem Codex den Arnim besitzt) enthält die Fabel ganz abweichend, und giebt eine Chronik als seine Quelle an: Ein alter König hat seinem Sohn das Reich abgetreten, der ihn aber lebenslang erhalten soll. Der Sohn verheirathet sich, und die junge Königin klagt über das Husten des Alten. Der Sohn läßt den Vater unter die Stiege auf Stroh legen, wo er viele Jahre, nicht besser als die Hunde, leben muß. Der Enkel wird groß, bringt seinem Großvater alle Tage Essen und Trinken, einmal friert dieser und bittet um eine Roßdecke. Der Enkel geht in den Stall, nimmt eine gute Decke, und schneidet sie in Unmuth entzwei; der Vater fragt, warum er das thue? „die eine Hälfte bring ich dem Großvater, die andere heb ich auf, dich einmal damit zu bedecken.“ (S. Wunderhorn II, 269.) Ein altfranzös. Fabliau (bei Meon 4, S. 479. 485.) weicht davon nur wenig ab: der Sohn verstößt auf Antrieb seiner Frau den alten Vater, der bittet um ein Kleid, das schlägt er ihm ab, dann um eine Pferdedecke, weil das Herz ihm vor Frost zittere. Der Sohn heißt sein Kind mit dem Alten in den Stall gehen und ihm eine geben, der Enkel schneidet sie mitten entzwei, der Großvater verklagt ihn deshalb, der Enkel vertheidigt sich aber bei seinem Vater, er müsse die Hälfte für ihn aufheben, wenn er ihn erst aus dem Haus treibe. Da geht der Sohn in sich und nimmt den Großvater in allen Ehren wieder zu sich. In Paulis Scherz und Ernst. (Dänisch: Lystig Skiem: eg Atvor S. 73.) bittet der Großvater um ein neues Kleid, der [LII] Sohn giebt ihm zwei Ehlen Zeug, das alte damit zu flicken. Darauf kommt der Enkel weinend und will auch so zwei Ehlen Zeug haben, der Vater giebt sie ihm und das Kind versteckt sie unter eine Latte am Dach, und sagt dann: es hebe sie da für seinen Vater auf, wenn er alt werde. Da bedenkt sich dieser eines bessern.
Anhang Band 2
[LXVIII] Num 78. (der Großvater.) Vgl. Walter von der Vogelweide I. 129a.
die jungen spotent alse dar der alten:
„beitent unz üwer jugent zerge,
swaz ir nu tunt, daz rechent üwer jungen.“