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ADB:Willigis

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Artikel „Willigis, Erzbischof von Mainz“ von Karl Uhlirz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 43 (1898), S. 282–289, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Willigis&oldid=- (Version vom 29. November 2024, 13:21 Uhr UTC)
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Willigis, Erzbischof von Mainz (Mitte Januar 975 bis zu seinem Tode am 23. Februar 1011). Jahr und Ort seiner Geburt sind unbekannt, wie überhaupt seine Herkunft im Dunkeln liegt. Schon die erste Nachricht darüber, die uns Thietmar von Merseburg überliefert (Chron. lib. 3 cap. 5), zeigt die Anfänge der später so üppig wuchernden Legendenbildung: wir können ihr nur entnehmen, daß W. ein Sachse war, wol in der Gegend von Walbeck, vielleicht in Schöningen, das sich seiner von altersher rühmt, als Sohn eines Landwirths geboren worden ist. Wie das in hohen und niedern Kreisen damals und später gerne geschah, dürfte ihn die Mutter zum geistlichen Stande bestimmt haben, doch erfahren wir nicht, wo er seine erste Ausbildung erhielt. Für sein Fortkommen war entscheidend, daß Volkold (s. A. D. B. XL, 245), der Lehrer König Otto’s II., ihm seine Gunst zuwandte und den begabten, kenntnißreichen Priester seinem Schüler empfahl. Als Volkold im J. 969 Bischof von Meißen wurde, trat W. an seine Stelle, wenn auch nicht als Lehrer, so doch als vertrauter Berather und Gehilfe des jungen Kaisers. Seine Fähigkeiten müssen sehr bald auch von Otto dem Großen erkannt worden sein, denn schon wenig später (970 oder 971) ernannte er ihn zum Kanzler, In dieser Eigenschaft hatte W. nicht allein Gelegenheit, persönlichen Einfluß am Hofe zu gewinnen, sondern es war ihm auch die Möglichkeit gegeben, weitreichende politische Thätigkeit zu entfalten. In diesem Sinne war das Amt von dem Bruder Otto’s des Großen Bruno geleitet worden, dessen Nachfolger Liutolf und Liutger aber hinter den an Rang und Begabung sie weit überragenden Erzcapellanen Bruno und Wilhelm zurücktreten mußten. Für W. lagen die Verhältnisse günstiger, da Erzbischof Rutpert von Mainz als Erzcapellan keine bedeutende Rolle spielte, der Kanzler in unmittelbarer Beziehung zu den beiden Kaisern bleiben konnte. Es war für W. die beste Schule und von höchstem Werthe, unter den Augen Otto’s des Großen Grundsätze und Ziele seiner Politik kennen zu lernen, deren Erfolge gerade seit dem Jahre 970 in glänzender Fülle der Mitwelt vor Augen gebracht wurden, und man darf sagen, daß W. die günstige Gelegenheit aufs beste zu benützen verstanden hat. In der Kanzlei selbst hat W. Reformen von besonderer Art nicht vorgenommen, doch können wir wahrnehmen, daß während seiner Amtswaltung bessere Ordnung eingehalten und die Ausfertigung der Urkunden gleichmäßiger gestaltet und gehandhabt wurde, als dies früher der Fall war. Fehlt es uns auch für diese Zeit an anderen Nachrichten über des Kanzlers Wirken, als jenen, welche wir aus dem Itinerar der beiden Kaiser, in deren Gefolge er sich befand, ableiten können, so dürfen wir doch annehmen, daß er sich die Zufriedenheit Otto’s des Großen erworben, die Gunst des Sohnes bewahrt hat. Den glänzendsten Beweis kaiserlicher Huld erfuhr W., als Otto II. ihn nach dem am 13. Januar 975 erfolgten Ableben des Erzbischofs Rutpert zu dessen Nachfolger bestimmte. Die kaiserliche Verfügung, welche bei vielen, die an der niederen Geburt des Erkorenen Anstoß nahmen, Widerspruch hervorrief, wurde rasch ins Werk gesetzt, schon am 25. Januar erhielt der neue Erzbischof von dem Kaiser eine Bestätigung der Privilegien seines Hochstiftes unter besonderer Hervorhebung der Immunität (DO. II, 95). Sofort suchte der neue Metropolit auch bei dem Papste um die Erneuerung der kirchlichen Vorrechte an und im März wurde auch die dem entsprechende Bulle ausgefertigt, in der unter anderem der schon [283] von den früheren Erzbischöfen behauptete Vorrang bei der Krönung des Königs und bei dem Vorsitze der deutschen Synoden neuerdings verbrieft wurde. Damit war die rechtliche Grundlage gesichert, auf der sich das Wirken des mächtigsten Metropoliten Deutschlands frei entfalten konnte.

Mit allem Eifer widmete sich W. den nächsten Aufgaben seines Amtes, er begann den Bau des Domes zu Mainz, richtete in dem verfallenen Kloster auf dem Disibodenberg ein Kanonikat ein und hatte das Glück, gleich im ersten Jahre eine sehr wichtige Erweiterung seines Erzsprengels durch die Einverleibung des neu gegründeten Prager Bisthums, dessen ersten Inhaber Deothmar er im Januar 976 zum Brumpt weihen konnte, und damit auch des mährischen Bisthums zu erreichen. Auf einer Ende April 976 abgehaltenen Synode beschäftigte sich W. mit der Erledigung eines in Aschaffenburg ausgebrochenen Schulstreites, der schwere Uebelstände enthüllt hatte und ihm Anlaß bot, in diesen verrotteten Verhältnissen mit kraftvoller Strenge Wandel zu schaffen und mit weiser Erwägung für die Zukunft eine gedeihliche Entwicklung des für die Heranbildung des Clerus so wichtigen Schulwesens anzubahnen. In demselben Jahre weihte er die Bischöfe Erpo von Verden und Gamenolf von Konstanz, welche mit Deothmar von Prag die Reihe der durchwegs tüchtigen Männer eröffnen, die während seiner langen Regierungszeit auf die Bischofsstühle seiner Erzdiöcese erhoben wurden. Neben diesen kirchlichen Angelegenheiten nahmen ihn während der Jahre 976 und 977 die Geschäfte der Reichsregierung stark in Anspruch, in den bairischen Wirren, welche das Gefüge des Reiches so schwer zu erschüttern drohten, stand er seinem Kaiser treu zur Seite und war er namentlich bemüht, die Stellung des Bischofs Piligrim von Passau (s. A. D. B. XXVI, 131), der sich damals als die zuverlässigste Stütze der kaiserlichen Macht in diesen Ländern erwies, zu kräftigen. Aus den nächsten Jahren erfahren wir von W. nicht viel mehr, als daß er im April 980 an einer zu Ingelheim abgehaltenen Synode, die sich mit den Angelegenheiten der Klöster Stablo und Malmédy beschäftigte, theilnahm, dann den Bischof Gebhard von Konstanz, in den Jahren 981 und 982 die Bischöfe Rethar von Paderborn und Eticho von Augsburg ordinirte, doch dürfen wir aus diesem Mangel an Nachrichten nicht darauf schließen, daß sich sein Einfluß und seine Thätigkeit verringert hätten, denn beide sehen wir unvermindert, sobald sich wieder Anlaß bot, mehr von ihm zu erzählen, und das geschah, als Kaiser und Reich schwere Bedrängniß zu überwinden hatten.

Nach der Niederlage, welche Kaiser Otto II. am 13. Juli 982 gegen die Sarazenen erlitten hatte, vereinten sich die deutschen Fürsten, ihrem Herrscher zu Hülfe zu eilen, ein Beschluß, an dem W. gewiß den besten Antheil gehabt hat. Nachdem er die Leiche des am 1. November 982 in Lucca verstorbenen Herzogs Otto in Aschaffenburg beigesetzt hatte, begab er sich an der Spitze seines Aufgebotes im Frühjahre 983 nach Italien und traf Ende Mai beim Kaiser in Verona ein, wo ihn die Verhandlungen des großen und entscheidenden Reichstages fortan beschäftigten. Am 7. Juni erscheint W. an der Spitze der Fürsten, welche sich für die Friedensanerbietungen der Venetianer verwendeten, am 14. Juni erhielt er zur Belohnung seiner großen Verdienste eine Schenkungsurkunde, welche seinem Erzstifte reichliche Einkünfte aus der Burg Bingen und dem zugehörigen Rheingau sicherte. Im Gefolge des Hofes ging er nach Mantua, wo er am 29. Juni den Böhmen Adalbert (s. A. D. B. I, 67) zum Bischofe von Prag weihte. Bevor er sich von seinem Herrscher, mit dem er in diesen Tagen zum letzten Male verkehren sollte, trennte, erhielt er den höchsten Beweis des kaiserlichen Vertrauens, indem ihm Otto II. seinen dreijährigen Sohn übergab, der in Verona zum Könige gewählt worden war, und den W. [284] in Gemeinschaft mit Johann von Piacenza am Weihnachtstage in Aachen krönte. Inzwischen war Otto II. am 7. December in Rom gestorben. Kaum war die Trauerkunde nach Deutschland gelangt, als schon die Herrschaft des königlichen Kindes schwer bedroht wurde. Der Vetter Heinrich aus der bairischen Linie strebte unter dem Anspruch der Vormundschaft nach der Krone, dem westfränkischen Könige Lothar schien die Zeit günstig, um in gleicher Zeit selbstsüchtige Pläne zu verfolgen. Da war es W., der nach beiden Seiten hin Krone und Reich schützte, alle Absichten der Gegner zu Schanden machte und es durchsetzte, daß am 29. Juni 984 Otto III. seiner Mutter Theophanu übergeben wurde, welche nunmehr die vormundschaftliche Regierung übernahm (s. A. D. B. XXXVII, 717). Diese erste Hälfte des Jahres 984 war die Zeit des glänzendsten und erfolgreichsten Wirkens des Mainzer Metropoliten, ihr folgten elf Jahre seines größten Einflusses. Unterstützt von dem Kanzler Bischof Hildibald von Worms stand er der Kaiserin-Mutter als erster und zuverlässigster Rathgeber zur Seite und übernahm, als sie im Herbst 989 sich nach Italien begab, während ihrer Abwesenheit, wie einst sein Vorgänger Wilhelm, die Sorge für König und Reich. Die gleiche Stellung behielt er nach ihrem Tode (15. Juni 991) auch unter Adelheid bei. Fast in jedem Jahre weilte der Hof in Mainz, zahlreiche Interventionen in den königlichen Urkunden beweisen deutlich den hohen, auf das ganze Reichsgebiet sich erstreckenden Einfluß des Mainzer Erzbischofs. In derselben Zeit entwickelte er auch eine umfassende kirchliche Thätigkeit. Im J. 984 bewies er seinem Lehrer und Gönner Volkold herzliche Dankbarkeit, indem er den von den Böhmen aus seinem Bisthum vertriebenen Bischof gastlich aufnahm und ihm in Erfurt würdigen Unterhalt gewährte. Im J. 987 ordinirte er den Bischof Liutolf von Augsburg und weihte die Kirche zu Dolta, am 18. October desselben Jahres nahm er in Gegenwart des Hofes die Einkleidung der Schwester Otto’s III. Sophie vor, wobei es zu einem Streite mit dem Hildesheimer Bischofe Osdag kam, den Theophanu zunächst noch gütlich beizulegen vermochte. Zur selben Zeit kam Bernward (s. A. D. B. II, 505), der sich schon früher an W. angeschlossen hatte, an den Hof. Noch vor dem Tode der Theophanu hatte W. die Errichtung eines neuen Stiftes zu Ehren des h. Stephan bei Mainz in Angriff genommen und erwirkte demselben in den Jahren 992 und 994 vom Könige reiche Güterschenkungen. Die Sorge für die Ausstattung dieses Stiftes veranlaßte ihn zur Errichtung neuer Kirchen auf dem Lande, deren Zehnten zu diesem Zweck verwendet wurden, was die Urbarmachung bisher unbewohnter Gebiete zur Folge hatte. Ein ausgezeichneter Mitarbeiter erwuchs ihm in Burkard (s. A. D. B. III, 563), dem er das Amt eines Kämmerers und die Propstei von S. Victor verlieh, welche von beiden zu einem Stifte erweitert wurde, dessen Weihe W. im J. 994 vornehmen konnte und das gleichfalls vom Kaiser im J. 997 freigebig bedacht wurde. Manche Sorge bereitete ihm das Prager Bisthum, das Adalbert im J. 989 verlassen hatte, um in Italien unstät umherzuirren. Der Erzbischof, der mehr auf strenge Pflichterfüllung als auf die mystischen Neigungen einer überreizten Natur hielt, mahnte ihn zur Heimkehr und setzte es durch, daß auch der Papst und eine römische Synode in seinem Sinne entschieden. Am 16. October 992 nahm er an der Domweihe zu Halberstadt theil, am 15. Januar 993 weihte er den Bernward zum Bischofe von Hildesheim und im Juli 995 war er mit dem Könige auf einer Synode zu Gandersheim anwesend.

Als Adelheid’s Vormundschaft endete und Otto III. selbst die Regierung übernahm, behielt W. seine Vertrauensstellung zunächst bei. Mit Hildibald geleitete er im April 996 den zum Papste ausersehenen Bruno (s. A. D. B. IX, 626) nach Rom. Hier traf er wiederum auf Adalbert, der sein Bisthum [285] zum zweiten Male verlassen, und den er schon früher auf Bitten des Böhmenherzogs zur Rückkehr aufgefordert hatte. Trotzdem Adalbert bei dem jungen Kaiser und dem Papste besseres Verständniß für seine Wünsche fand, mußte er doch dem Drängen seines Metropoliten auch diesmal nachgeben. Der Kaiser begab sich, als er noch im selben Jahre wieder die Heimath aufsuchte, zunächst nach Mainz und am 6. November erhielt W. für sein Erzstift einen weitausgedehnten Forst zwischen Hainbach und Lauter, dessen Rest im Bienwalde erhalten ist, man darf darin die Belohnung für die während der Vormundschaft geleisteten Dienste erblicken. W. geleitete den Kaiser noch an den Niederrhein und hielt sich auch im Juli des nächsten Jahres am Hofe in Sachsen auf. Doch tritt er jetzt ebenso wie in den Zeiten Otto’s II. mehr zurück und wir erfahren von ihm nur aus Anlaß einzelner kirchlicher Amtshandlungen. Am 10. April 997 weihte er den Burkhard zum Priester, im selben Jahre theilte ihm Papst Gregor V. die Beschlüsse einer zu Pavia abgehaltenen Synode mit, am 7. September 998 ordinirte er den Thieddag zum Nachfolger des am 23. April 997 von den Preußen getödteten Adalbert. Im October 999 finden wir ihn bei dem Kaiser in Rom und von da dürfte er sich unmittelbar zur Kaiserin Adelheid nach Selz begeben haben, wenn wir ihn unter jenem Erzbischofe verstehen dürfen, der auf ihr Geheiß am 7. December die Gedächtnißmesse für Otto II. las. Ob er dann bei der hohen Frau bis zu ihrem (16. December) Tode verweilte, wissen wir nicht, Als Otto III. im April des Jahres 1000 von seiner Wallfahrt zum Grabe Adalbert’s nach Gnesen an den Rhein zurückkehrte, kam ihm W. in Thüringen entgegen, wurde in Kirchberg von dem Kaiser ehrenvoll empfangen und bewog ihn, das Bisthum Worms seinem Kämmerer Burkard zu übertragen, den er bald darauf in Heiligenstadt weihte. Ueber Mainz begab sich Otto III. nach Aachen, damals oder vielleicht etwas später, als der Kaiser auf der Rückkehr in Tribur verweilte, trafen beide das letzte Mal zusammen und wir dürfen annehmen, daß Otto III. und der Mann, der ihm die Krone, ja vielleicht das Leben gerettet hatte, in gutem Einvernehmen schieden. Doch schon in nächster Zeit sollte dasselbe getrübt werden infolge eines Streites, in den W. mit dem Bischofe Bernward von Hildesheim über das Kloster Gandersheim gerieth. Wir sind über die rechtlichen Ursachen dieser Entzweiung und über das Verhalten des Mainzer Erzbischofs nicht genügend unterrichtet, da der einzige Bericht über diese Angelegenheit von dem Lehrer und Vertrauten Bernward’s Thangmar herrührt, der Licht und Schatten sehr parteiisch zu Gunsten seines Schülers vertheilt hat. Jedenfalls hatte W. eine feste Ueberzeugung von seinem Rechte und er mußte Gründe haben, welche diese Ueberzeugung stützten. Der Streit nahm allerdings im weiteren Verlaufe einen persönlichen Charakter an und wurde durch Umstände und Einflüsse, wie den Ehrgeiz der Prinzessin Sophie, durch die Kränkung, welche W. über das Verhalten des von ihm so begünstigten Bernward, das er nur zu leicht als Undank auffassen konnte, und über die rücksichtslose Behandlung, welche ihm von Seite des päpstlichen Legaten zu Theil wurde, empfinden mußte, verschärft. Wie früher erwähnt, hatte W. schon im J. 987 eine Amtshandlung in Gandersheim vorgenommen, sich aber mit Osdag ausgeglichen und später auch mit den Bischöfen Gerdag und Bernward in gutem Einvernehmen gelebt. Während also der Erzbischof nicht weiter an der Sache rührte, lehnte sich Sophie, welche während der letzten Lebensjahre der kranken Aebtissin Gerberga immer mehr an Einfluß im Kloster gewann, bei jeder Gelegenheit gegen Bernward auf. Als nun im J. 1000 die neu erbaute Stiftskirche geweiht werden sollte, lud sie hiezu den Erzbischof ein, der ihrem Wunsche gern willfahrte und die Feier zuerst auf den 14., dann auf den 21. September ansetzte. Bernward, der gleichfalls [286] eingeladen war, erklärte, am 21. September durch Reichsgeschäfte verhindert zu sein, und erschien dann am 14., jedoch um die Weihe vorzunehmen. Das gelang ihm aber nicht und er begnügte sich, eine Messe zu lesen, wobei die Nonnen sich höchst ungebührlich benahmen. Aber auch W. konnte am 21. September die Handlung nicht durchführen und es wurde zur Entscheidung der Streitfrage eine Synode auf den 29. November anberaumt. Schon am 2. November aber begab sich der Hildesheimer auf die Reise nach Italien, um die Sache dem Kaiser und dem Papste vorzulegen. Durch seine Abwesenheit wurde ein Erfolg der am 29. November in Gandersheim abgehaltenen Synode vereitelt, wenn auch W. auf derselben seine Ansprüche als zu Recht bestehend erklärte, was nach Rom berichtet wurde und hier böses Blut machte. Bernward hatte bei Kaiser und Papst gute Aufnahme und bei Herzog Heinrich von Baiern, einem alten Hildesheimer Scholaren, dankenswerthe Unterstützung gefunden. Auf dessen Rath wurde am 13. Januar 1001 in der Sebastianskirche eine Synode abgehalten, welche zu Gunsten Bernward’s entschied, die Absendung eines Legaten und die Abhaltung einer sächsischen Synode, die auf den 21. Juni angesetzt wurde, beschloß. Bernward verabschiedete sich am 20. Februar von dem Kaiser und traf am 10. April wieder in Hildesheim ein. Die Pöhlder Synode war gleichfalls erfolglos, W. verließ sie in höchstem Unwillen am 23. Juni und wurde hierauf von dem Legaten Friedrich, der eine neue Synode auf Weihnachten anberaumte, von den priesterlichen Functionen suspendirt. Nun drohte es zum offenen Kampfe zu kommen. Bernward hatte, obwol leidend, sofort nach seiner Rückkehr begonnen, seine Stadt zu befestigen, er fand dann in Hilwartshausen und in Gandersheim bewaffneten Widerstand. Doch wurde am 15. August in Frankfurt eine Synode abgehalten, zu der Bernward seine Vertrauten schickte und auf der beschlossen wurde, daß weder der Mainzer noch der Hildesheimer das Kloster Gandersheim bis zu einer in der Pfingstoctave 1002 verabredeten Zusammenkunft betreten sollten. Die Zeit der Waffenruhe benützte Bernward, um seinen Lehrer Thangmar nach Italien zu senden, der aber nichts auszurichten vermochte, und am 13. Januar 1002 die Heimreise antrat. Zehn Tage später starb Otto III. und dieses Ereigniß drängte den Streit der Bischöfe zurück, noch bevor er auf die politische Lage, die inneren Verhältnisse des Reiches merkbaren Einfluß hatte üben können. W. ließ sich durch die von Herzog Heinrich dem Gegner bewiesene Gunst nicht abhalten, für ihn einzutreten, wie nach dem Tode Otto’s II. hielt er auch jetzt an dem Rechte des königlichen Hauses fest und krönte am 7. Juni den Baiernherzog in Mainz. Mit Unrecht hat man dieses Verhalten durch einen Handel erklären wollen, den der Prätendent mit dem Erzbischofe über die Gandersheimer Sache abgeschlossen haben soll, es würde dies durchaus dem Charakter des Metropoliten widersprechen und der Gegenstand des angeblichen Handels wäre doch zu geringfügig. Allerdings scheint W. insofern einen Erfolg aufweisen zu können, als Sophie von ihm am 10. August 1002 bei der Krönung der Königin Kunigunde in Paderborn zur Aebtissin geweiht wurde, aber dabei handelte es sich keineswegs um eine Entscheidung in der Hauptfrage, sondern nur um ein höfisches Zugeständniß an die Prinzessin, welche sich ebenfalls um die Anerkennung Heinrich’s große Verdienste erworben hatte. W. nahm unter dem neuen Könige, mit dem er in der politischen und kirchlichen Auffassung vielfach übereinstimmte, durchaus jenen Rang ein, der ihm infolge seiner hohen Stellung, seiner Begabung, reichen Erfahrung und großen Verdienste zukam. Er machte im J. 1003 seinen Einfluß zu Gunsten einer milderen Behandlung des Grafen Ernst, eines Vetters des aufrührerischen Markgrafen Heinrich, geltend; im Januar des nächsten Jahres wurde er zu Erzbischof Gisiler von Magdeburg entsendet, um ihn zum Nachgeben in der [287] Merseburger Sache zu bewegen, und ordinirte nach dessen Tode den neuen Erzbischof Tagino (s. A. D. B. XXXVII, 353) am 2. Februar. Im Juli desselben Jahres nahm er an einer Synode theil, welche sich mit der von Heinrich II. getadelten Ehe des Frankenherzogs Konrad beschäftigte, im J. 1005 führte er den Reformabt Gotthard (s. A. D. B. IX, 482) in Hersfeld ein, nicht ohne dessen Eifer durch wohlgemeinte Rathschläge zu mäßigen. Im Jahre 1006 weihte er die Kirche zu Merschbach. Am Ende desselben Jahres erfolgte in Pöhlde unter Vermittlung des Königs der Ausgleich mit Bernward über Gandersheim. W. gab seinen Anspruch auf, lebte fortan mit Bernward in gutem Einvernehmen und wurde in die Hildesheimer Gebetsbruderschaft aufgenommen. Im nächsten Jahre erwies er sich dem Könige hülfreich bei der Gründung des Bamberger Bisthums. Sein Kämmerer Megingaud wurde im J. 1008 gegen den Bruder der Königin, Adalbero, zum Erzbischof von Trier erhoben, am 13. März 1009 ordinirte W. den Bischof Meinwerk von Paderborn, am 30. August desselben Jahres konnte er endlich die Weihe des von ihm erbauten Domes zu Mainz vornehmen, doch am selben Tage vernichtete ein verheerender Brand das stolze Werk. Zwar nahm W. ungebeugten Muthes sofort die Wiederherstellung in Angriff, doch sollte er die Vollendung nicht mehr erleben, am 23. Februar 1011 raffte ihn der Tod hinweg.

Schon dieser gedrängte Ueberblick über die aus dem Lebensgange des Mainzer Erzbischofs überlieferten Thatsachen beweist die hohe Bedeutung, welche W. für die Geschichte des deutschen Reiches besitzt. Frei von jeder Selbstsucht hat er seinen Einfluß nur in sehr bescheidenem Maße für die Bereicherung seines Hochstiftes verwerthet, dagegen stets nach festen und einfachen Grundsätzen für das Wohl des Reiches gewirkt, man kann ihn unter diesem Gesichtspunkte als den bedeutendsten deutschen Staatsmann seiner Zeit rühmen. Es sollte nicht vergessen werden, daß er gerade in Zeiten der Noth und Gefahr seinen Mann gestellt und die Einheit des Reiches mit Thatkraft und Geschick gewahrt hat.

Neben diesem vornehmlich politischen Wirken wurde er, wie wir sehen, auch den kirchlichen Aufgaben seines Amtes gerecht. Allerdings scheint er der ascetischen Richtung, wie sie sich von Italien und Lothringen aus verbreitete, nicht besonders geneigt gewesen zu sein, seine Welterfahrung, seine politische Auffassung und sein strenger Sinn für das Gefüge der staatlichen und kirchlichen Ordnung dürften ihm die Gefahren aufgedeckt haben, welche diese Richtung im Gefolge haben mußte, doch hat er, in seiner Weise, zur Erweckung und Befriedigung der religiösen Gefühle nach Kräften und mit Erfolg beigetragen. Er selbst war ein ausgezeichneter Prediger von volksthümlicher Wirkung, sorgte für die Armen freigebig aber mit verständiger Ordnung und war eifrig bemüht, neue Kirchen und Stifte zu gründen. Außer den schon früher erwähnten führen die Kirchen von Eltville, Schloßborn, Brunnen, Jechaburg und Seesbach ihren Ursprung auf ihn zurück, dankt ihm das Kloster Bleidenstadt seine Erneuerung. Der vortrefflich gebildete Mann fand in wohlgeordneter Tagesarbeit immer Zeit, sich auch mit litterarischen Angelegenheiten zu beschäftigen. Wir haben gesehen, wie er gleich anfangs das Schulwesen seiner Diöcese reformirte, und wir haben Zeugnisse dafür, daß er auch über diesen nächsten praktischen Zweck hinaus in der gleichen Richtung unaufhörlich thätig war; er berief Ekkehart II. aus St. Gallen nach Mainz; noch ist eine Augustinushandschrift erhalten, die auf sein Geheiß geschrieben und von ihm in Gemeinschaft mit seinen Schülern bearbeitet worden ist, einer aus diesen, der Lorscher Mönch Throtmar rühmt das strenge und unbeirrbare Urtheil seines verehrten Meisters. Nicht minder war W. für die Pflege der bildenden Künste bemüht, wozu ihm vor allem die zahlreichen Kirchenbauten, die er veranlaßte und förderte, reichliche Gelegenheit boten. Großes Aufsehen erregten [288] die beiden erzgegossenen Thüren, welche auf seine Anordnung entstanden und die heute am Dome angebracht sind, während das sagengeschmückte Kreuz Benna wol in das Reich der Erfindungen zu verweisen sind. Gerühmt wird auch sein ausgezeichnetes Verwaltungstalent, mit dem er die Einkünfte seines Erzstiftes erhöhte und zweckmäßig verwendete. Jedenfalls wird er auch dem in Mainz von altersher blühenden Handel seine Fürsorge haben angedeihen lassen, er ließ Münzen schlagen und achtete auf die Besserung der Wege und den Bau von Brücken über den Main und die Nahe.

So zahlreich auch die Nachrichten sind, die uns über W. zu Gebote stehen, sie vermögen uns doch kein annäherndes Bild von seinem Wirken und seiner Persönlichkeit zu geben. Was ja oft zutrifft, daß das Leben gerade der größten Männer den geringsten Anreiz zur Beschreibung gewährt, weil bei ihnen alles einfach zu liegen scheint, macht sich bei ihm in besonderem Maße geltend, da er in einer Zeit lebte, in der klare Geschlossenheit des Charakters nur auf geringes Verständniß rechnen konnte. So hatte er trotz aller Verehrung, welche ihm die Mitlebenden entgegenbrachten, keinen seiner würdigen Biographen gefunden. Man hat sich begnügt, ihm alle Eigenschaften zuzuschreiben, mit denen man in jenen Tagen das Idealbild eines hohen Geistlichen auszustatten gewohnt war, doch kann man aus diesen erbaulichen Schilderungen nicht viel mehr erschließen, als daß der Gesammteindruck, den er auf die Zeitgenossen übte, ein gleichmäßig günstiger war; in keiner Weise aber geben sie uns das Mittel an die Hand, die zerstreuten Nachrichten zu einem abgerundeten Bilde seiner inneren Persönlichkeit zu verbinden, ebensowenig wie wir eine Anschauung von seiner äußeren zu gewinnen vermögen. Dankbarer hat sich ihm das deutsche Volk erwiesen, das ihn mit Stolz den Seinen nennt und sein Andenken in anmuthiger Sage bis auf den heutigen Tag forterhalten hat.

Die Geschichtschreiber der sächs. Kaiserzeit in Mon. Germ. SS. 3. und 4. Bd. – Ann. Colon. SS. I, 99. – Ann. Wirzib. SS. 2, 242. – Appendix vitae s. Bonifacii SS. 2, 357. – Ann. Ottenbur. SS. 5, 3. – Mariani Scotti Chron. SS. 5, 555. – Chron. Hildesh. SS. 7, 847. – Wolfhere Vita Godehardi SS. 11, 177, 201. – Vita Meinwerci SS. 11, 110–114. – SS. 13, 70, 210, 311, 314. – Ann. Magdeburg. SS. 16, 154. – Ann. s. Disibodi SS. 17, 6. – Chron. Lauresham. SS. 21, 398. – Ekkehardi Casus S. Galli ed. Meyer von Knonau, cap. 89. – N. Archiv 13, 131 und 19, 699. – Chronica minor in SS. 24, 187. – Alberici Trium Fontium Chron. in SS. 23, 775. – Flores temporum in SS. 24, 237. – Libellus de Willigisi consuetudinibus in SS. 15, 743 ff. – Officium Willigisi ed. Guerrier, Moskau 1869. – Gudenus CD. Mogunt. 1, 352 No. 129; 3, 1033 No. 11. – Jaffé-Löwenfeld, Regesta pontif. 1, 490; No. 3784, 3876, 3905, 3917. – Mon. Germ. Diplomata 1. und 2. Bd. (Einleitungen, DO. II. 95, 150, 306; DO. III. 105, 107, 156, 189, 233, 259, 251). – Janicke, UB. des Hochstiftes Hildesheim I, 45 Nr. 55. – Jaffé, Mon. Moguntina 351–358, No. 20–22. – Will, Regesten d. Mainzer Erzbischöfe XXXVII ff. u. 117 ff. – Leibnitz, Ann. Imperii 3. Bd. – Giesebrecht, Gesch. d. d. Kaiserzeit 1. u. 2. Bd. – Hirsch, Jahrb. Heinrichs II. 1. u. 2. Bd. – Hauck, Kirchengesch. Deutschlands 8. Bd. – Offenbeck, De Willigisi Vita, Münster 1859. – Euler, Erzb. Willigis, Progr. von Schulpforta 1860. – Falk in Katholik 1881, 1, 273 ff. – Heinrich Böhmer, Willigis von Mainz, Leipzig 1895. – Sickel, Erläuterungen zu den Diplomen Ottos II. in Mitth. des Instituts für oest. Geschichtsf. Ergänzungsband 2, 77 ff. – Kehr in Hist. Zeitschr. 66, 427 ff. – Uhlirz in N. Archiv 21, 117 ff. – Hölzer, Der Streit um die Nachfolge Ottos II., Ratibor 1895. – Bayer in Forschungen [289] zur d. Gesch. 16, 178 ff. – Dannenberg, Münzen d. sächs. Kaiserzeit 1, 308. – Specht, Gesch. d. Unterrichtswesens, S. 185 ff. – Wattenbach, Geschichtsquellen6 2, 110, 407. – Wattenbach, Schriftwesen³, S. 335. – Falk, Die ehem. Dombibl. z. Mainz. S. 8. – Werner, Der Dom zu Mainz, 1, 239, 494. – Falk, Kunstthätigkeit in Mainz. – Falk in Katholik 1869, 1, 219 ff. u. 1871, 1, 499 ff. – Will, ebd. 1873, 2, 715 ff.