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ADB:Sulzer, Simon

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Artikel „Sulzer, Simon“ von Paul Tschackert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 37 (1894), S. 154–155, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Sulzer,_Simon&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 02:03 Uhr UTC)
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Sulzer: Simon S., reformirter Theologe, † 1585. Simon S. hat in der schweizerischen Kirche als Antistes zu Basel in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts eine eigenartige Stellung dadurch eingenommen, daß er nicht bloß wie Butzer und Capito zwischen dem schweizerischen und wittenberger Lehrtropus vermittelte, sondern entschieden zum Lutherthum hinneigte und die Baseler Kirche in dieselbe Geistesrichtung hineinzuführen sich bemühte. – S. wurde am 22. Septbr. 1508 als unehelicher Sohn des Propstes Beat S. von Interlaken geboren und verlebte seine erste Jugend auf einer Alp im Haslithal. Eine höhere Bildung hatte er unter Glarean und Oswald Myconius in Luzern sich anzueignen begonnen, als sein Vater starb und ihn in Armuth hinterließ. In einer Barbierstube suchte der Jüngling sich sein Brot zu verdienen, bis Berthold Haller, der Reformator Berns, auf ihn aufmerksam wurde und für Unterstützung desselben aus Staatsmitteln sorgte. So studirte S. jetzt in Basel und Straßburg und wurde in Basel Magister der Philosophie. In Bern erhielt er seine erste Anstellung als Lehrer der alten Sprachen und hatte zugleich im Auftrage des Rathes im ganzen Kanton für Errichtung von Schulen zu sorgen. Nach Haller’s Tode sandte ihn der Rath nach Straßburg, um sich mit den dortigen Theologen wegen eines Nachfolgers zu berathen. Die Beziehungen zu Straßburg und den dortigen Theologen Butzer, Capito, Hedio, in denen er seine Lehrer ehrte, führten ihn auch zur Theilnahme an den Unionsverhandlungen zwischen den schweizerischen und wittenberger Theologen. Im J. 1538 reiste S. deshalb selbst nach Wittenberg und besprach sich mit Luther. Diese persönliche Begegnung wurde für S. entscheidend; denn von da an wirkte er entschieden für die lutherische Theologie und speciell für Luther’s Abendmahlslehre in seinen amtlichen Stellungen als Lehrer der Dialektik und Rhetorik, dann der Theologie und als Prediger. 1548 verließ er Bern und siedelte nach Basel über, wurde hier 1549 Prediger zu St. Peter und 1552 nach Sebastian Münster’s Tode Professor der hebräischen Sprache. 1553 trat er nach dem Tode Oswald Myconius’ an dessen Stelle als Pfarrer am Münster und Antistes (oberster Pfarrer) der Baseler Kirche und wurde 1554 noch dazu Professor der Theologie. Neben dieser hervorragenden Schweizer Wirksamkeit bekleidete er im Dienste des Markgrafen Karl von Baden noch die Stelle eines Superintendenten von Röteln. Befreundet mit Jakob Andreä, dem Haupturheber der Concordienformel, bemühte sich S. dieses Bekenntniß auch in Basel zur Anerkennung zu bringen, dagegen den Beitritt seiner Kirche zur „zweiten helvetischen Confession“ (von 1566) zu verhindern und die erste Baseler Confession (von 1534), die er nicht abschaffen [155] durfte, wenigstens in den Hintergrund zu drängen. Die Gegner haben ihm dabei eine gewisse Schlauheit, mit der er gehandelt, zum Vorwurf gemacht; doch meint Hagenbach, daß er dabei von friedfertigem Sinne geleitet gewesen sei. Sulzer’s Ansichten über das Abendmahl sind von ihm selbst in einem wesentlich lutherisch lautenden Bekenntniß zusammengestellt, das er im J. 1578 dem Bürgermeister von Brunn eingab. (Mitgetheilt von Hagenbach, Kritische Geschichte der ersten Basler Confession, 1827, Beilage.) Auch inbezug auf den kirchlichen Gottesdienst wußte es S. bei der Obrigkeit durchzusetzen, daß in Basel das Orgelspiel wieder eingeführt, und daß an den großen Festtagen die sogenannte „Papstglocke“ (ein Geschenk Felix V.) geläutet wurde. Beide Anordnungen sind in Basel in Geltung geblieben; dagegen ist auf dem Gebiete der Lehre durch seinen Nachfolger J. J. Grynäus der reformirte Lehrbegriff wieder zur Herrschaft in Basel gebracht worden. S. starb am 22. Juni 1585. Ueber die schriftliche Hinterlassenschaft Sulzer’s berichtet Hagenbach, daß das Baseler Kirchenarchiv nach Sulzer’s Tode mit den Familienpapieren desselben in die Hände seiner Erben gekommen und dadurch zerstückelt worden sei, und daß sich nur Reste davon in badischen Pfarrhäusern vorgefunden hätten.

Ein Verzeichniß der Schriften Sulzer’s befindet sich in (Herzog,) Athen. Raur. p. 26.

Zu vgl. Hundeshagen, Conflicte des Zwinglianismus, Lutherthums und Calvinismus, Bern 1842, S. 105 ff. – M. Kirchhofer, Berthold Haller, S. 203. – Hagenbach, Kritische Gesch. d. ersten Basler Confession, Basel 1827. – Derselbe, Die theol. Schule Basels u. ihre Lehrer v. Stiftung der Hochschule 1460 bis zu de Wette’s Tod im J. 1849, Basel 1860, S. 15 ff. – Tholuck, Gesch. d. akad. Lebens im 17. Jahrh., S. 321 ff. – Trechsel, Die protest. Antitrinitarier usw. I (1839), S. 218 ff. – Alex. Schweizer, Die protest. Centraldogmen usw., Zürich 1854, I, 440, 462. – Hagenbach’s Artikel „Sulzer“ in Herzog’s Realencyklopädie, 2. Aufl., Bd. XV (1885), S. 61, 62.