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ADB:Reiffenberg

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Artikel „Reiffenberg, Ritter Friedrich v.“ von Friedrich Otto in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 27 (1888), S. 687–690, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Reiffenberg&oldid=- (Version vom 2. Dezember 2024, 09:58 Uhr UTC)
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Reiffenberg: Ritter Friedrich v. R., geboren um 1515, † am 12. Mai 1595, achtzigjährig. Er gehörte dem in dem 13. Jahrhundert auftretenden, ehemals weitverzweigten Rittergeschlecht an, welches sich nach der jetzt in Ruinen liegenden Burg Reiffenberg auf dem nördlichen Abhange des Taunus nannte. Dies Geschlecht zerfiel in zwei Hauptlinien, die Wetterauer, deren Sitz die Stammburg war, und die Weller(= Westerwälder) Linie, deren Besitzungen an der Lahn und auf dem Westerwalde lagen. Diese Hauptlinien spalteten sich wieder in viele Zweige, deren jeder nicht selten mehr oder weniger hervorragende Männer hervorbrachte; die meisten von ihnen bekleideten bei den benachbarten Fürsten hohe Ehrenstellen, einige haben sich durch wissenschaftliche Thätigkeit ausgezeichnet. Vielleicht der bedeutendste von allen war der Ritter Friedrich v. R. aus der Weller Linie, Sohn des Kuno v. R. und der Katharine Schneiße v. Grensau. Von den väterlichen Gütern erhielt er nach des Vaters Tod die Besitzung und das Haus zu Sayn, wo er auch die späteren Jahre seines Lebens meistentheils zubrachte. Von seiner Jugend ist uns nichts bekannt; frühe muß er sich im Waffenwerk geübt und zuerst im Dienste des Kaisers Ruhm und Ansehen gewonnen haben. Im J. 1545 berief König Heinrich VIII. von England den dreißigjährigen Mann als Anführer einer Schaar von Landsknechten, die er selbst werben sollte, zu sich, um seine Dienste im Krieg gegen Frankreich zu benutzen. Doch verzögerte die gerade damals zwischen dem Herzog Heinrich von Braunschweig und dem Landgrafen Philipp von Hessen ausbrechende Fehde seine rechtzeitige Ankunft, und er konnte erst im folgenden Jahre mit seinen 3000 Landsknechten an dem Kriege theilnehmen. Indessen kam es nicht mehr zu einem Hauptschlag, da schon nach wenigen Scharmützeln bei Calais am 17. Juni der Friede abgeschlossen wurde. Kaum zurückgekehrt trat R. in die Dienste des Landgrafen, welcher sich eben zu dem bevorstehenden Kriege mit dem Kaiser rüstete, und erhielt den Auftrag, den kaiserlichen General Graf Maximilian von Büren, welcher niederländische Truppen, zusammen 7000 Mann zu Pferd und 10 000 Mann zu Fuß, nach der Donau führen sollte, an dem Rheinübergang zwischen Mainz und Bingen zu hindern. R. hatte 10 Fähnlein (= 1000 Mann zu Fuß), zu denen im Laufe des August noch mehr als die doppelte Zahl unter Chr. von Oldenburg und Beichlingen stießen. Mochte nun R. in allzugroßer Sorglosigkeit die Ufer des Rheins nicht genugsam besetzt haben oder Verrath der Mainzer Domherrn im Spiele sein, welche ihn am entscheidenden Tage zu einem Schmause eingeladen hatten, kurz, es gelang Büren, ungestört den Rhein zu überschreiten und ungehindert seinen Weg Mainaufwärts zu nehmen; in der Mitte des September traf er bei Ingolstadt bei dem kaiserlichen Heere ein. R. folgte ihm nach; indessen fand bekanntlich der Krieg in Oberdeutschland ein rasches Ende durch den Abzug des Kurfürsten von Sachsen, welcher den Landgrafen veranlaßte, gleichfalls nach Hessen abzuziehen. Ende December finden wir R. in der Nähe von Frankfurt a. M., von wo er vor dem heranrückenden [688] Büren, welchem der Rath von Frankfurt die Uebergabe der Stadt anbot, weiter nach Norden zurückweicht. An der Belagerung von Leipzig (vom 12. Januar 1547 an) scheint er keinen Antheil genommen zu haben, obgleich ein Volkslied (bei v. Liliencron IV) ihn dort anwesend sein läßt. Nachdem der Krieg im Frühjahr rasch beendet war, flüchtete R. mit den andern Obersten, um nicht wie die Häupter des schmalkaldischen Bundes in Gefangenschaft zu gerathen, über die deutsche Grenze: und sie thaten wohl daran; denn als der Kaiser nunmehr die Früchte seines Sieges einerntete, sprach er über dieselben die Acht aus, über Schertlin von Burtenbach am 13. August, über R. zu Ulm am 17. August. „Wegen ihrer Nahrung“ suchten dieselben im Auslande Dienste und fanden sie bei König Heinrich von Frankreich, gegen welchen R. noch vor kurzem die Waffen getragen hatte. Doch bald eröffnete sich für R. ein neues Feld der Thätigkeit für das Vaterland. Wie bekannt knüpfte im Sommer 1550 Kurfürst Moriz Verhandlungen mit König Heinrich von Frankreich an, um mit dessen Hülfe den Landgrafen Philipp durch Waffengewalt aus der Haft, in welcher er noch immer vom Kaiser gehalten wurde, zu befreien. Zu den ersten Eröffnungen benutzte er R., welcher im November eine nicht ablehnende Antwort brachte (d. d. 14. October). Und als Moriz mit mehreren anderen Fürsten, welche dasselbe Ziel verfolgten, zu Dresden sich zu gemeinsamem Handeln verständigt hatte, reiste R. abermals zu dem Könige, von dem er Anfangs August 1551 „gute Botschaft“ brachte. Zu den weiteren Verhandlungen, die zu dem Vertrag von Chambord führten (15. Januar 1552), wurde R. nicht weiter zugezogen; es scheint, daß er zu diplomatischer Thätigkeit nicht eben paßte, da er sich nicht streng an seine Instructionen hielt. Dagegen übernahm er wieder die Werbung von 13–14 Fähnlein (etwa 3000 Mann) am Mittelrhein. Brachte er diese auch bald zusammen, so weigerten sich doch die Knechte anfangs, dem „Verräther“ Moriz den Fahneneid zu leisten; erst auf Zureden Reiffenberg’s verstanden sie sich dazu; aber der Vorsicht halber ließ er sie einzeln vortreten und schwören. Die Entscheidung des Krieges brachte, wie bekannt, die Erstürmung der Ehrenberger Klause am 19. Mai 1552. Daß dieser Sieg nicht besser ausgebeutet wurde, namentlich daß dem Kaiser Zeit blieb um zu entfliehen, daran waren die Reiffenberger schuld, welche nach der That sofort den Sturmsold verlangten, und weil derselbe nicht alsbald ausgezahlt wurde, Drohungen gegen Moriz ausstießen und sich weigerten weiter zu ziehen. Das Gericht sprach ihnen jedoch den Sturmsold nicht zu, mittlerweile aber war der Kaiser entkommen. Demnächst zog R. mit dem Kurfürsten gegen Frankfurt a. M.; in den Frieden vom 2. August wurde auch er eingeschlossen, wenn er binnen sechs Wochen erkläre, nicht mehr gegen Kaiser und Reich dienen zu wollen. R. besann sich nicht lange; er folgte zwar dem abziehenden Kurfürsten bis nach Miltenberg, dort aber trennte er sich von ihm, um sich mit seinen Landsknechten dem Markgrafen Albrecht Achilles anzuschließen, welcher den Frieden nicht angenommen hatte und die Belagerung von Frankfurt noch einige Zeit fortsetzte. Es folgte der schreckliche Verwüstungszug nach dem Rheine, bis der Markgraf schließlich im October sich vor Metz mit dem Kaiser aussöhnte. Schon im August hatte R. die Folgen seines Entschlusses zu empfinden; er wurde abermals geächtet und ein Preis von 4000 fl. auf seine Auslieferung, von 3000 fl. auf seine Tötung ausgesetzt. Daher trennte der dem Kaiser zürnende Ritter sich von dem Markgrafen und trat abermals in französische Dienste. Hier freundlich aufgenommen, nahm er an den Kämpfen gegen die Spanier Antheil; es kam jedoch in den ersten Jahren nicht zu erheblichen Gefechten, denen er beiwohnte. Erst im J. 1557 fand die entscheidende Schlacht bei St. Quentin statt, welche für Frankreich höchst unglücklich ausfiel. Dem Tode oder der Gefangenschaft, [689] dem Lose vieler Tapferen und edlen Herren, entging R. nur durch schnelle Flucht. Der Frieden vom Jahre 1559 verschaffte ihm endlich die Erlaubniß zur Rückkehr in die Heimatth, die er so lange nicht gesehen hatte. Hier verlebte er nunmehr einige Jahre in Ruhe; im J. 1565 gründete er sich eine eigene Häuslichkeit durch Vermählung mit Anna von Schönberg, nach deren Tod er Katharina von Selbach heirathete. Doch lange Frieden zu halten war dem unruhigen Manne nicht möglich. Um einen Sitz in der Stammburg Reiffenberg zu gewinnen, griff er zu verschiedenen Mitteln, auch zu dem Schwerte, bis er zuletzt durch einen reichsgerichtlichen Spruch davon abzustehen sich genöthigt sah. Hochbetagt starb er (1595) wahrscheinlich zu Sayn. Da er kinderlos war, setzte er zum Erben ein den Sohn seines Bruders Wilhelm, welcher gleichfalls Friedrich hieß. Dessen Enkel war Johann Philipp von R. († am 4. Februar 1722, 77 Jahre alt), welcher zwar im Dienste des Kurfürsten von Trier die Würde eines Geheimen Rathes und Oberamtmannes von Montabaur, Grensau und Vallendar bekleidete, aber, wie es scheint, lieber auf seinem Schlosse zu Sayn den Wissenschaften, namentlich dem Studium der Heimathsgeschichte oblag. Eine Frucht desselben ist das Büchlein: „Antiquitates Saynenses“, welches er etwa um das Jahr 1685 verfaßte und E. Münch im J. 1830 drucken ließ (Aachen und Leipzig XVIII, 122 S.). Wenn auch die Forschungen und namentlich die Worterklärungen nicht dem heutigen Standpunkte der Wissenschaften entsprechen, so sind sie doch ein Zeugniß seines ernsthaften Strebens. Außerdem schrieb er Anmerkungen zu den Annales Treverenses des Jesuiten Brower, die Hontheim lobt, doch sind dieselben nicht gedruckt. Er hinterließ einen Sohn, Anselm Friedrich Anton (1685–1739), mit dessen Sohn Friedrich von R. dieser Zweig der Familie ausstarb. Derselbe war geboren im J. 1719 und starb zu Köln im J. 1764; achtzehn Jahre alt trat er in den Jesuitenorden und begab sich nach Rom, um dort Theologie zu studiren; doch beschäftigte er sich auch mit anderen, namentlich den philologischen Wissenschaften und wurde Mitglied der arkadischen Akademie unter dem Namen Mirtisbius Sarpedonius. Eine Frucht seiner gelehrten Beschäftigungen ist die Abhandlung „De vera Atticorum pronuntiatione ad graecos intra urbem dissertatio, qua cum ex historia tum ex veterum Graecorum Latinorumque testimoniis perspicue ostenditur, quam longe hodierna Graecorum pronuntiatio a vetere discesserit“, Romae 1750, 52 S. 4°. Nach Deutschland zurückgekehrt war er zunächst praktisch thätig durch Unterricht und Heranbildung von Lehrern für die Jesuitenschulen, betrieb aber dabei auch historische Studien. Außer einer Uebersetzung von Scipio Maffei’s historia theologica dogmatum et opinionum de divina gratia, quae viguerunt primis ecclesiae saeculis. Frankfurt u. Mainz 1756 fol. 512 S., zu der er eine Einleitung und einen Anhang fügte, erschien von ihm eine „Historia Societatis Jesu ad Rhenum inferiorem principum urbium e manuscr. eruta ad historiam patriae illustrandam.“ Köln 1764, 644, 150 S. Weiß in der biographie universelle XXXVII, 272 führt noch einige kleine Schriften von ihm auf. Ein unglückliches Ende nahm der letzte Reiffenberg der Wetterauer Linie, Philipp Ludwig v. R., † am 23. März 1686. Dessen Laufbahn begann unter den günstigsten Vorzeichen. Am Ende des dreißigjährigen Krieges, welcher seine Stammburg hart mitgenommen hatte, eröffneten sich dem jungen Domherrn von Mainz und Trier durch die Gunst des Erzbischofs von Trier die Aussichten auf einen Kurhut und die erzbischöfliche Würde von Trier. Der Kurfürst von Trier, Philipp Christoph von Sötern, der einer Stütze zu bedürfen glaubte, ernannte den Joh. Phil. v. R., obgleich er einer der jüngsten Domherrn war, im Jahre 1649 zum Dompropst und bald darauf zum Coadjutor, doch der Widerspruch des Domcapitels nöthigte [690] ihn, diese Ernennung zurückzunehmen. R. trat nun in die Dienste des Kurfürsten Johann Philipp von Mainz, der ihn zum Geheimen Rath und Präsidenten des Kammeramtes erhob, dann, nachdem er der freien Stellung der Stadt Erfurt im Auftrage des Erzbischofs ein Ende gemacht hatte, zum Vicedom und Regierungspräsidenten daselbst ernannte. Doch durch die Ränke seiner Gegner des Unterschleifs und der Bestechlichkeit angeklagt, wird er im J. 1667 ohne Recht und Urtheil in ein schmutziges Gefängniß geworfen und erst nach des Erzbischofs Johann Philipp Tod, nach siebenjähriger Haft entlassen. Weil er aber seine Sache – wider seine Zusage – vor den päpstlichen Stuhl gebracht und dort volle Wiedereinsetzung in seine frühere Stellung erlangt hatte, wurde er abermals gefangen genommen und bis zu seinem Tode in der Festung Königstein festgehalten; achtzehn Jahr seines Lebens hatte er in Gewahrsam zugebracht und starb an Geist und Körper gebrochen, absque confessione et communione, cuius erat incapax ob carentiam intellectus et sensuum. Sein Vermögen erbte der Graf Joh. Lothar v. Bassenheim, Gemahl der ältesten Schwester des Domherrn.

Von keinem der Reiffenberger gibt es eine zusammenhängende Geschichte; Nachrichten über den Ritter und Oberst Friedrich v. R. geben Sleidanus, Thouanus, Spangenberg’s Adelsspiegel und die mansfeldische Chronik; aus neuer Zeit v. Druffel, Briefe und Acten zur Geschichte des 16. Jahrh. I, II, III, 1873–1882; ferner die in dem Erbschaftsproceß erschienenen Streitschriften, namentlich die „Beurkundete Nachrichten von der Herrschaft Reiffenberg“ u. s. w. 1776 (von Geh. R. Moser) und die „Darstellung des wahren Thatbestandes“ u. s. w. 1824. Ueber die anderen Reiffenberger s. Hontheim, Histor. Trevir. I, 1201 ff. – Rhein. Antiquarius II, 1 454 ff. – Hamberger, Germania erud. p. 932. – Hannappel in den Annalen des Vereins f. nass. Alterthumskunde und Geschichtsforschung IV, 1 41 ff. – Biographie universelle, Paris Bd. 37, 271 (1824) u. Bd. 78, 430 ff. (1846).