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ADB:Poeppig, Eduard

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Artikel „Pöppig, Eduard Friedrich“ von Friedrich Ratzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 421–427, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Poeppig,_Eduard&oldid=- (Version vom 11. Dezember 2024, 08:09 Uhr UTC)
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Poppius, Eduard
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Pöppig: Eduard Friedrich, Reisender und Naturforscher, geb. am 16. Juli 1798 zu Plauen, † den 4. September 1868 zu Wahren bei Leipzig. Pöppig’s Vater war ein begüterter Handelsherr der voigtländischen Hauptstadt, seine Mutter gehörte dem Patriciat derselben Stadt an. Nach dem frühen Tode des Vaters sorgte diese für die Erziehung ihres Sohnes in Leipzig, wohin sie übergesiedelt war, erst durch Privatunterricht und auf der Thomana, dann besuchte derselbe die Landesschule zu Grimma, in deren Matrikel wir ihn unterm 3. Mai 1810 eingetragen finden. Er verließ dieses Gymnasium am 18. März 1815 und bezog die Universität Leipzig, um Medicin zu studiren und daneben Naturgeschichte zu treiben. Den Grund zu seinen botanischen Kenntnissen hatte er vor dieser Zeit schon zu legen begonnen und erweiterte dieselben auf einer Reihe von Fußreisen, welche sich immer weiter ausdehnten, indem sie ihn erst nach dem Rhein, dann nach Oesterreich und Ungarn, nach Südfrankreich bis zu den Pyrenäen, in die Schweiz, nach Tirol und Kärnthen führten. Mit dem bekannten Botaniker Karl Schubert, der später schöne Reiseschilderungen aus Norwegen herausgegeben hat, bestieg er den Großglockner. Im Anfang des Jahres 1822 erlangte er die Doctorwürde der Universität Leipzig und schiffte sich schon im April desselben Jahres in Hamburg nach Cuba ein, wo er am 1. Juli landete und volle zwei Jahre dem Studium der Pflanzenwelt der damals trotz Humboldts Essai sur l'île de Cuba noch wissenschaftlich fast unbekannten Insel widmete. Freunde der Naturwissenschaften und Sammler seiner Heimath, unter ihnen besonders Professor Schwägrichen in Leipzig, unterstützten ihn mit Instrumenten und Geldmitteln und erhielten dafür die gesammelten Naturalien zugesandt. P. war botanisch vorgebildet, scheint auch in den ersten Jahren nur botanisch gesammelt zu haben und konnte als ein vorzüglicher Pflanzenzeichner gelten. Pöppig’s erster Versuch im Zeichnen für Reproduction sind die Tafeln, welche er für seinen Freund Justus Radius zu dessen Dissertation De Pyrola 1821 auf Stein zeichnete. P. verließ Deutschland im Frühling 1822. Der Paß, welchen er auf seiner ganzen Reise mit sich trug, war Februar 1822 in Merseburg ausgestellt. Vermuthlich begab sich der Reisende nicht direct nach Cuba. Daß er aber am 1. Juli 1822 auf der Rhede von Matanzas lag, geht aus einer Notiz in seiner Schilderung dieses cubanischen Platzes in den „Landschaftlichen Ansichten“ hervor. Aus der Erwähnung der Fahrt in der Nachbarschaft der Bahama, welche man in derselben Schilderung findet, scheint hervorzugehen, daß P. das „rührende Interesse“ selbst empfunden hat, mit welchem nach seiner schönen Darstellung der die Bahamas Vorbeisegelnde in der Erinnerung an die merkwürdige Nacht erfüllt wird, die der Entdeckung Amerikas vorherging. Der Weg aus den atlantischen Häfen Nordamerika’s nach Cuba führt an den Bahamas vorüber. Es ist wenig, was P. über Cuba hinterlassen hat: eine „Schilderung der Insel und ihrer Bewohner“ im Amerikanischen Correspondent von Philadelphia für 1825, die Beschreibung von Matanzas in den Landschaftlichen Ansichten, endlich die später näher zu erwähnenden Bruchstücke über Cuba im Ausland von 1839. Hauptsächlich ist zu bedauern, daß die reichen Sammlungen zur cubanischen Flora nicht eine zusammenfassende Verarbeitung fanden. Vom 24. April 1824 [422] datirt Pöppig’s Paß für die Reise von Matanzas nach Philadelphia. Ueber sein Verweilen in Nordamerika fließen die Nachrichten spärlich. Froriep’s Notizen Nr. 233 (August 1825) bringen eine Correspondenz aus Conelsburgh im südlichen Pennsylvanien, wo P. den Winter 1824/25 verbrachte, der durch seine Milde im Norden und die bis Jamaica sich ausdehnenden Schneefälle im Süden Nordamerika’s ausgezeichnet war. Befreundet mit dem Buchhändler Ritter aus Reutlingen, dem Herausgeber des damals in Philadelphia erscheinenden Wochenblattes „Amerikanischer Correspondent für das In- und Ausland“ schrieb er in dessen Spalten im Winter 1825/26 eine maßvoll gehaltene und geistreiche Uebersicht der Geschichte des Jahres 1825 und einige Erinnerungen an Cuba. Er scheint in dieser Zeit fleißig gesammelt zu haben, denn im Sommer 1825 konnte sein Freund Dr. Radius in Leipzig das Eintreffen von 12 000 getrocketen Pflanzen, cubanische und nordamerikanische Arten, welche P. gesandt hatte, ankündigen. Dieselben wurden je 200 Exemplare zu 18 Th. sächs. abgelassen. P. weilte in Baltimore, das durch seine für die ganze Geschichte der südamerikanischen Unabhängigkeitskämpfe so folgenreiche Stellung als Ausgangspunkt zahlreicher Munitions- und Proviantexpeditionen nach der südamerikanischen Westküste, der günstigste Ort für den Antritt einer Reise in diese damals wenig besuchten Gebiete genannt werden durfte, als im August 1826 Briefe eintrafen, deren Inhalt eine früher geplante größere Reise in das Innere von Südamerika ermöglichte. Er verließ diesen Hafen am 26. November. Die letzten Wochen seines Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten hatten ihm die Natur noch einmal in ihrem schönsten Gewande, dem des farbenreichen Indian Summer gezeigt, mit dessen kaum übertroffener Beschreibung das erste Capitel seiner Reiseschilderung in der anziehendsten, versprechendsten Weise anhebt. Am 9./10. Januar 1827 wurde der Aequator gekreuzt, bei stürmischem Wetter die Magelhaenstraße durchfahren und am 15. März bei Valparaiso die Westküste gesichtet. Den Aufenthalt in dem erst aufblühenden, damals mehr als heute reizlosen Valparaiso verschönerte das Zusammentreffen mit den deutschen Naturforschern von Kittlitz und Mertens, die an Bord des „Seniavin“ auf jener Reise um die Welt begriffen waren, deren Schilderung durch den erstgenannten in Bezug auf Vielseitigkeit und Thatsachenfülle, keineswegs aber an stylistischer Feinheit mit derjenigen Pöppig’s wetteifert. P. war glücklich, im Spätsommer 1827, dem Frühling dieser Halbkugel, die für den Sammler wenig ergiebige nächste Nachbarschaft Valparaiso’s gegen das vom Rio de Acongagua durchströmte Thal von Quilota vertauschen zu können, welches sich ein paar Meilen nördlich von Valparaiso öffnet. Als er Ende September eine erste Sendung seiner Sammlungen persönlich in Valparaiso zu Schiff gebracht hatte, trat er rasch die Reise in die Anden auf der vor ihm schon mehrfach beschriebenen Route über San Jago und Sa. Rosa de los Andes nach Mendoza an. Er fand Gelegenheit in S. Jago und unterwegs seine, wie die Schilderungen des 3. Capitels zeigen, schon sehr gründlichen Kenntnisse Chile’s zu vertiefen und zu erweitern. Pöppig’s Beschreibung des jungen Freistaates und seiner gesellschaftlichen, wirthschaftlichen und politischen Verhältnisse stehen nur an Ausführlichkeit hinter denen der Zeitgenossen und jüngsten Vorgänger, wie besonders Miers, zurück, übertreffen dieselben aber alle an Plastik und Durchdachtheit. In unserer Litteratur fanden sie ihresgleichen zwar in Humboldts Essais politiques über Neuspanien und Cuba, welche indessen beide, litterarisch betrachtet, hinter Pöppig’s höchst abgerundeter, sicherer Darstellung noch zurückbleiben. P. verweilte zum Zweck des Sammelns, nachdem er den Cumbre überschritten, längere Zeit in einer Hütte nahe bei S. Felipe de Acongagua und verließ erst in den ersten Tagen 1828 seinen stillen Aufenthalt, um die Reise nach Mendoza fortzusetzen. Der Verlust eines [423] Theiles seiner wissenschaftlichen Ausrüstung beim Versuch der Kreuzung eines reißenden Bergbaches zwang ihn jedoch schon nach dem ersten Reisetag zu schleuniger Umkehr und Aenderung der Route. Am 14. Januar in Valparaiso angekommen, begab er sich schon nach zwei Wochen nach dem südlichen Chile, um auf neuem Boden und doch nicht zu fern vom Ausgangspunkt weiterer Reisen die Erneuerung seiner Ausrüstung abzuwarten. Nachdem er den chilenischen Winter in Talcahuano verbracht, ging er Ende October in das gebirgige Hinterland, wo die Anden von Antuco ein dem Sammler jungfräuliches Gebiet verhießen. Mitten in den Fehden zwischen Indianern und Weißen und friedlichen und wilden Indianern, welche nur schwer bewaffnete Expeditionen zuließen, gelang es P., reiche Sammlungen anzulegen und die erste wissenschaftliche Ersteigung des Vulkans von Antuco durchzuführen. Pöppig’s Angaben über das Vorhandensein einer Gletscherhülle an diesem 2700 m hohen Berge ist eine der ersten bestimmten Hindeutungen auf Gletscher der Anden, denen wir in der südamerikanischen Reiselitteratur begegnen. Als der erwartete Ersatz an Instrumenten und Büchern angekommen war, fuhr P. am 13. Mai 1829 von Valparaiso nach Callao. In Lima angekommen, ergab sich die Unausführbarkeit des schönen Planes, über Guayaquil nach Choco und Esmeraldas zu reisen. Ohne langes Zaudern wurde daher gegen Huanaco vorgedrungen, die Inka-Ruinen auf der Hochebene von Diezmo untersucht, der Bergbau von Cerro de Pasco und das Leben der Indianer in der Puna genau studirt, die Gegend von Huanaco sammelnd durchstreift und endlich mitten im Urwaldgebiet des Ostabhanges in der Hacienda von Pampayaco ein höchst ergiebiger Aufenthalt genommen, der vom Juli 1829 bis zum April 1830 dauerte. Hier entstanden die reichsten Sammlungen, hier die herrlichen Schilderungen der Tropennatur, welche das 4. Capitel des 2. Bandes des Reisewerkes zum glänzendsten des ganzen Buches machen. Im Mai 1830 wurde auf drei kleinen Flößen aus dem korkleichten Holze der Ochroma die Thalfahrt auf dem Huallaga angetreten, welche nach dem verlassenen Missionsdorf Tocache führte, wo P. allein mit seinem Diener mehrere Monate zubrachte. Die Weiterreise, immer durch die Gebiete der halbwilden oder wieder verwilderten Cholones, führte dann auf Kähnen nach der Jibitos-Mission Sion und dem damals in unfriedlichen Zuständen befindlichen Juanjuy. Auf einsamen Waldwegen wurde am 6. December das erste Maynadorf Yurimaguas erreicht, welches ein neuer Mittelpunkt von Sammelexcursionen bis in den Juli 1831 ward. Das ganze 6. Capitel des 2. Bandes ist der an Einblicken in tropisches Natur- und Menschenleben reichen Schilderung dieses zweiten längeren Aufenthaltes in südamerikanischer Urwaldwildniß gewidmet. Am 31. Juli 1831 schiffte sich P. zu seiner letzten Reise auf einem Floß ein, das ihn durch das Gebiet der Aguanos an die Ucayalemündung und von da an ohne langen Aufenthalt nach Para brachte, welches am 22. April erreicht ward. Die Reise war durch die politischen Unruhen in Nordbrasilien zuletzt noch in unangenehmer Weise erschwert und bald zu fluchtartiger Schnelligkeit beschleunigt, bald verzögert worden, und wir ahnen, daß P. in hohem Maße reisemüd war, als er im Spätjahr desselben Jahres europäischen Boden in Antwerpen wieder betrat.

Die ersten Originalberichte über Pöppig’s Reisen hatten vom März 1828 bis November 1832 Froriep’s Notizen gebracht. Dieselben beginnen wie das Reisewerk mit der Abfahrt von Baltimore und schließen mit der Schilderung der Anarchistenkämpfe, die 1832 auch die Gegend des unteren Amazonenstroms erschütterten. Ihnen fügte Froriep die Note bei, daß im October 1832 P. zurückgekehrt sei, einige Tage in Weimar sich aufgehalten habe und glücklich dann in Leipzig eingetroffen sei. Diese Berichte enthalten manche vorübergehende Beobachtung, welche in dem großen Reisewerke (s. u.) keine Aufnahme fanden, daneben [424] auch Vieles, was in mehr oder weniger erweiterter und veränderter Form dort aufgenommen ist. Man begegnet Mittheilungen über zeitgeschichtliche Ereignisse, kritischen Bemerkungen über die damals zur Verfügung stehenden litterarischen und kritischen Hilfsmittel, praktischen Winken über Colonisation u. dgl. und dabei sind diese Berichte zwar flüssig und oft schwungvoll, aber doch natürlich viel mehr aus der unmittelbaren Erfahrung heraus als das Reisewerk geschrieben. Auch über die anziehenden persönlichen Momente der Reise und über Pläne, die leider nicht ausgeführt wurden (darunter ein vergleichendes Werk über die Urbarmachung des Bodens in tropischen und gemäßigten Gegenden, über die dabei zu berücksichtigenden Pflanzen, über die den Culturen auf Neuboden schädlichen Pflanzen, die sog. Unkräuter), findet man Angaben. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Reisen Pöppig’s sind mannigfaltiger Art. Man muß sie zunächst hauptsächlich in den Sammlungen suchen, welche er mitbrachte, denn der Wunsch, ausgedehnte Sammlungen von Naturerzeugnissen anzulegen, hatte ihn ja in die Weite geführt. Dieselben wanderten zum größten Theile bald in die verschiedensten Herbarien und Museen, wo sie nun zerstreut liegen. Die reichste, vollständigste Sammlung Pöppig’scher Pflanzen, die noch kaum ganz ausgebeutet ist, besitzt das Herbarium der Universität Leipzig. Nur die chilenischen Pflanzen hat P. gemeinsam mit Endlicher monographisch bearbeitet. Nach eigener Angabe hatte P. 17 000 getrocknete Pflanzen, viele Hunderte von ausgestopften Thieren, 3000 an Ort und Stelle gemachte Pflanzenbeschreibungen, 30 Tafeln ausgeführter landschaftlicher Ansichten, 70 Zeichnungen im größten Format von Aroideen und Orchideen, Samen, welche die botanischen Gärten mit neuen Pflanzen bereicherten, und endlich „eine botanische Privatsammlung von dem außerordentlichsten Umfang“ mitgebracht.

Sollen einzelne Beobachtungen hervorgehoben werden, die allerdings P. auch leider niemals eingehender behandelt, sondern immer etwas zu aphoristisch im Text seiner Reisebeschreibung gegeben hat, so würden seine Mittheilungen über die Hebung der chilenischen Küste, vor Darwin angestellt und veröffentlicht, seine von A. von Humboldt besonders gewürdigten Angaben über die eigenthümlichen Wasserergüsse bei Eruptionen des Antuco, seine genauere Bestimmung der Palmen- und Araucariengrenzen im südlichen Südamerika zu nennen sein. Zahlreiche kleine zerstreute Angaben zur physikalischen Geographie und Ethnographie zeigen, daß P. ein scharfer Beobachter von vielseitigem, beständig regem Interesse war. Zu den hervorragenden Funden Pöppig’s gehört die Euryale amazonica, welche er 1832 in Froriep’s Notizen, S. 131, nachdem er sie im Solimoes-Gebiet an der Mündung des Teffé entdeckt hatte, eingehend beschrieb. Wahrscheinlich hat 1837 Schomburgk dieselbe Pflanze als Victoria regia beschrieben.

P. war noch nicht lange zurückgekehrt, als er den ihm erwünschten Lohn so angestrengter opfervoller Thätigkeit in der Ernennung zum Professor an der Universität Leipzig empfing. Mit einem „Fragmentum Synopseos Plantarum Phanerogamarum“, welches die von 1827–29 in Chile gesammelten Pflanzen beschreibt, lud P. zu dem am 18. October 1833 stattfindenden Antritt seiner außerordentlichen Professur ein. Im folgenden Jahre wurde er zum Director des zoologischen Museums ernannt (Min.-Rescr. vom 29. November), welches damit zum ersten Male einen ganz der Sache sich widmenden Leiter erhielt. P. verachtfachte die Zahl der hier aufgestellten Arten in dem Zeitraum von 1836 bis 1857. Außerdem verwaltete er zeitweilig das Herbarium, welches ihm wesentliche Bereicherung verdankt, die pharmakognostische und mineralogische Sammlung. Bald nach seiner Rückkehr hatte P. mit Erfolg öffentliche Vorlesungen in Leipzig und Dresden gehalten, welche er bis zu seinem Tode an der Universität Leipzig fortsetzte, an welcher er 1846 zum Ordinarius vorrückte.

[425] P. neigte von seiner nicht sonnigen Knabenzeit an zur Einsamkeit. Er hatte die meisten seiner Reisewege einsam zurückgelegt und hegte nur einige innige Freundschaften, diese aber sein Leben lang. So zog er sich frühe schon in den engen Kreis der Familie, in welchem er sehr glücklich war, und einiger Freunde zurück und verzichtete gern auf eine nach außen glänzende, aber aufregende Thätigkeit. Leider dehnte er diese Zurückhaltung auch auf den Charakter seiner wissenschaftlichen Thätigkeit aus und ließ manche Ergebnisse seiner Reisen unveröffentlicht. Die dadurch geschaffene Lücke ist bis heute nicht ausgefüllt. Er trug sich mit dem Plane, die Pflanzenzonen Chile’s, die Eigenthümlichkeiten der peruanischen Flora zu schildern, die Ergebnisse zahlreicher hypsometrischer und meteorologischer Beobachtungen nebst geologischen Fragmenten, u. a. eine Arbeit über die Temperatur der Dämpfe des Antuco, eine Karte zu seinen Reisen zu veröffentlichen. Nichts von alledem kam zur Verwirklichung. Die große „Illustrirte Naturgeschichte des Thierreichs“ (1851), trug zwar zur Popularisirung der Naturgeschichte Erhebliches bei, enthält jedoch wenig vom Eigensten Pöppig’s.

P. arbeitete in den letzten 30er und den ersten 40er Jahren an Ersch und Gruber’s Encyclopädie mit, für welche er die größeren Artikel Insel Panama, Para, Paraguay, Pasco, Peru schrieb. Der Artikel „Peru“ gehört bei aller Gedrängtheit zum Besten, was über dieses Land gesagt worden. Er ist in der Darstellung des Pflanzen- und Thierlebens und besonders der Kämpfe um die Unabhängigkeit und später mit Columbien, deren Zeuge P. noch gewesen ist, von besonderem Werth. Eine eingehende Darstellung des Handels von Chile und Peru von Pöppig’s Hand brachte „Das Ausland“ 1837 in den Nummern 145–51 und in demselben Jahre in den Nummern 213–15 eine ungemein treffende, in die Tiefe der Schäden spanisch-amerikanischer Gesellschaft gehende Vergleichung des ehemaligen und jetzigen Zustandes des öffentlichen Unterrichts im spanischen Amerika. Einem älteren Bericht über cubanische Zustände, der im „Amerikanischen Correspondent“ 1825 erschienen war, folgten im Jahre 1839 in den Nummern 186 bis 196 des Ausland die geistvollen, schön geschriebenen „Bruchstücke über Cuba. Aus den Papieren eines deutschen Reisenden“. Unsere Litteratur über Cuba hat nur in dem cubanischen Abschnitt der Humboldt’schen Reise, der übrigens nie in deutscher Sprache erschienen ist, eine hervorragende Arbeit über Westindien aufzuweisen. Ihren statistischen und wirthschaftsgeographischen Charakter ergänzt Pöppig’s farbenreiche und stimmungsvolle Darstellung der Landschaft aufs Glücklichste, während er in der Schilderung der wichtigsten Culturen, unter welche damals noch der Kaffee gehörte, genauer verfährt und die Bevölkerung, besonders auch die Sclaven, schärfer charakterisirt als sein großer Vorgänger. Freilich hatte P. zwei Jahre auf Cuba verlebt, während A. von Humboldt dieser Insel nur flüchtige Besuche abgestattet hat. Wenn das Nichterscheinen irgend eines Buches lebhaft zu bedauern ist, so ist es dasjenige der eingehenden Darstellung der Perle der Antillen, welche P. hätte entwerfen können und sollen.

Von kleineren Arbeiten absehend, die in Froriep’s Notizen, im Journal für praktische Chemie, in Clarus’ Beiträgen zur Klinik u. a. erschienen, möchten wir noch auf die Besprechungen bedeutenderer Reisewerke hinweisen, welche in den Blättern f. litt. Unterhaltung und in der Leipziger Litteratur-Zeitung zwischen 1833 und 42 erschienen sind. Es sind keine leeren Kritiken, sondern größere abgerundete Aufsätze; kleine Essays könnte man sie nennen. P. benutzte die Werke, deren Mängel er in milder, versöhnlicher Sprache rügt und deren Vorzüge er sehr warm hervorhebt, um eigene Gedanken, oft in breiter Ausführung in den Bericht über das Werk eines Andern einzuflechten. Ein heute verschollenes Buch, wie Ludecus’ Reise durch Tumalipas und Coahuila bietet ihm der [426] Anlaß zur Entwickelung sehr interessanter Ansichten über die im tropischen Amerika zu findenden populären Unterscheidungen und Benennungen der Höhenzonen und an Renggers Fragmente über Paraguay knüpft er den Entwurf eines Naturgemäldes der Uebergangszone zwischen tropischem und gemäßigtem Südamerika an, welcher durch Ideenreichthum und Formvollendung fesselt. Der schönste dieser Aufsätze, die Selbstanzeige des ersten Bandes seines Reisewerkes (Blätter f. litterarische Unterhaltung 1835 Nr. 72 f.) ist leider Fragment geblieben, indem vom zweiten Bande P. eine ähnliche Anzeige nicht geschrieben hat. Mit dem Jahre 1842 hört diese kleine Schriftstellerei, für welche P. eine unverkennbare Begabung besaß, ganz auf. P. vertiefte sich immer mehr in die Arbeiten, welche sein Museum ihm auferlegte und denen er, bei beschränkten Mitteln jeder bezahlten Hülfskraft beraubt, nothwendig einen großen Theil seiner Zeit opferte. Sein früher fleißig geübtes Zeichentalent bewährte sich nun nur noch in der Anfertigung großer Wandtafeln für den zoologischen Unterricht.

Pöppig’s Reisebeschreibung ist jedenfalls diejenige seiner Arbeiten, welcher der größte innere, vom Stoffe unabhängige Werth innewohnt. Wenn man einst der Entfaltung der Kunst der Naturschilderung in der deutschen geographischen Litteratur mehr Beachtung zuwendet, wird man P. neben A. von Humboldt als Muster eines classischen Styles der Naturschilderung aufstellen. Das ist eine Kunst, in welcher man schwer Schule machen kann; dennoch haben die zwei Bände der Reisebeschreibung Pöppig’s besonders unter den jüngeren Naturforschern und Reisenden der 30er und 40er Jahre, wir nennen nur Moritz Wagner, der uns öfter den tiefen Eindruck geschildert hat, welchen er aus der Lectüre dieses Werkes empfing, und Junghuhn, den Sinn für sachlich richtige und schöne Schilderung wesentlich belebt; und kein anderes Werk dieser Gattung hat neben den A. von Humboldt’schen Reise- und Naturschilderungen soviel beigetragen, die Reisebeschreibungen aus der dumpfen, niederen Sphäre des handwerksmäßigen Registrirens auf die Höhe zu heben, wo die der ganzen Nation gehörigen Werke tiefen Gehaltes und schöner Form stehen, als diese zwei Bände. P. hat nicht bloß auf Grund seiner naturgeschichtlichen Beobachtungen Schilderungen von wissenschaftlichem und künstlerischem Werthe entworfen, er verstand es noch besser als A. von Humboldt, in der Seele seiner Leser die feinsten Saiten anzuschlagen, welche zu den Schicksalen und Stimmungen des einsamen oder in Bewunderung versunkenen oder vor dem Erhabenen großer Naturschauspiele sich beugenden Reisenden mitklingen. Seine Darstellung der Gefühle „fröhlicher Unruhe“ des nach langer Seefahrt Landenden, oder die Stimmung dessen, der aus einer Zone in eine andere übertritt und dem es ist, „als trete er mit dem Eintritt in eine neue Welt auch in ein neues Leben, als könne ihm die verlassene Welthälfte nur noch in der Erinnerung etwas sein“, werden auf den gemüthvollen Leser seiner Reisebeschreibung eine tiefe Wirkung nie verfehlen. Spricht er einer neuen Landschaft gegenüber „von dem scharfen Blicke, den man gern anwendet, wenn man auf immer Eindruck einer neuen und ungewöhnlichen Scene zu erlangen wünscht“, so blicken wir mit ihm schärfer zu, und wenn er uns die Zerstreutheit kleiner bewohnter Oasen in dem Hügelgewirr des Landes hinter Valparaiso dadurch andeutet, daß er die seltenen Rauchsäulen zeichnet, welche da und dort über öden Bergrücken aufschweben, so steht das Bild einer merkwürdigen Verbreitung der Cultur greifbar vor uns. Die große Wahrheit der Grundgedanken dieser Mittheilungen wirkt in Verbindung mit der schönen Form der Rede, in welcher sie gegeben sind, zugleich überzeugend und fesselnd. P. verräth gleich allen seinen naturschildernden Zeitgenossen unter den Reisenden in einer gewissen weichen Hingabe und in der Getragenheit der Aussprache noch immer die Schule St. Pierre’s und Georg Forster’s, aber er steht schon viel weiter ab von [427] der wortreichen Gefühlsseligkeit beider, als A. von Humboldt, von dessen Stil derjenige Pöppig’s durch größere Einfachheit, bei viel mehr plastischer Kraft sich vortheilhaft abhebt, oder als der pompöse Martius. P. verfällt nie in die Manier, durch gehäufte Beiwörter den Leser zu bedrängen und die Schilderungen durch eine Menge fremdartig klingender und zugleich unverständlicher Pflanzen- und Thiernamen aufzuputzen. O. Peschel hat seltsamerweise in dem großen Quartformat der P.’schen Reisebeschreibung den Grund sehen wollen, weshalb er als vorzüglicher Stilist nicht ebenso wie A. von Humboldt ein Liebling der Nation geworden sei. Wir glauben, daß ein triftigerer Grund in der eigenen Zurückhaltung Pöppig’s gelegen sei, der zu früh sich aus der Oeffentlichkeit der Litteratur zurückzog und daher zu bald schon zu den Halbvergessenen gehörte. Mit seinem großen Vorgänger in der Erforschung Südamerika’s, der ihn gern als den „geistreichen“ auszeichnete, theilt P. das vielseitige Interesse, den weiten Blick. Die Grenzen seiner Theilnahme und seines Verständnisses reichen von den Einzelnheiten der Wirthschaft und der Politik bis zu den Abstufungen der Farben der sinkenden Sonne und den Tönen und Düften, die stimmungerregend aus der Landschaft aufsteigen, sie gleichsam einhüllen. Eine vielseitige Bildung, der die litterarische Vollendung nicht fehlen durfte, ist Vorbedingung solch umfassenden Verstehens, dem dann eine weite Erfahrung zu Hilfe kam. Hauptsächlich muß aber in vieljähriger Sammelthätigkeit P. sich eine noch viel reichere Summe von Beobachtungen über die Formen und Lebensvorgänge in der Natur, besonders in der Neuen Welt, erworben haben, als in seinen späteren Arbeiten zu Tage tritt; denn so kann nur schildern, wer vieles genau gesehen und dazu auch treu empfunden hat. – Hauptwerke sind: „Fragm. Synops. Plantarum Phanerogarum ab auctore a. 1827 ad 29 in Chile lectarum.“ Diss. 1833. – „Reise in Chile, Peru und auf dem Amazonenstrome w. d. Jahre 1827–32.“ 2 Bde. Mit Bilder-Atlas 1835/36. – Pöppig u. Endlicher, Nova genera ac species plantarum, quas in regno Chilensi, Peruviano et in terra Amazonica legit. 1835–45. – „Landschaftliche Ansichten und erläuternde Darstellungen aus dem Gebiete der Erdkunde.“ 1835. – „Illustr. Naturgeschichte des Thierreichs.“ 4 Bde. 1851.

Familienpapiere und mündliche Mittheilungen. – Froriep’s Notizen, Bd. 20 u. f. – Die Reisebeschreibung Pöppig’s. – Nekrolog von Dr. Whistling in der Illustrirten Zeitung vom 10. October 1868. – Mittheilungen des Vereins für Erdkunde, Leipzig 1887. Ebendaselbst Bildniß.