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ADB:Leitner, Karl Gottfried Ritter von

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Artikel „Leitner, Karl Gottfried Ritter von“ von Anton Schlossar in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 629–639, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leitner,_Karl_Gottfried_Ritter_von&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 20:24 Uhr UTC)
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Leitner: Karl Gottfried Ritter von L., deutsch-österreichischer Dichter, wurde am 18. November 1800 zu Graz geboren. Sein Vater Cajetan Franz gehörte einer 1651 in den rittermäßigen Adel erhobenen Familie der Steiermark an, 1851 wurde den Angehörigen desselben der Ritterstand des österreichischen Kaiserstaates verliehen. Den Vater, welcher ebenso wie dessen Bruder Alois, schriftstellerisch thätig war und eine Stelle als landständischer Rechnungsrath in Graz bekleidete, verlor L. schon im J. 1805 durch den Tod. Die Mutter Therese geborene Walter vermählte sich 1807 zum zweiten Male mit dem Cameralanwalt Joh. Pokorny zu Rothenfels bei dem Städtchen Oberwölz in der oberen Steiermark. Die Schule von Oberwölz ward denn auch von 1807 an v. Leitner’s „erste Bildungsstätte“ (wie die 1880 daselbst angebrachte Gedenktafel anführt). Die herrliche Alpennatur jener Gegend und das romantisch auf hohem Felsen ragende alte Ritterschloß wirkten schon frühzeitig auf den poetischen Sinn des Knaben ein, welcher später zur weiteren Ausbildung den Großeltern in Graz übergeben wurde. Hier war er Augenzeuge der französischen Invasion des Jahres 1809 und bezog 1811 [630] das Gymnasium, es wurde ihm zwei Jahre später ein Stiftungsplatz im Grazer k. k. Convicte verliehen und 1818 konnte er die damals in Oesterreich sogenannten philosophischen Studien beginnen. Unter den Lehrern während derselben war es besonders der geistvolle und freisinnige Historiker Julius Schneller, welcher die Richtung von v. Leitner’s Bildung beeinflußte, während schon früher der Professor Ulrich Speckmoser seine poetische Anlage förderte. Denn schon damals zeigte sich des jungen Dichters beachtenswerthes poetisches Talent namentlich auf lyrischem Gebiete und im Verein mit anderen gleichgesinnten Collegen veranlaßte er die handschriftlich monatlich herausgegebenen „Monatsrosen“, in denen die Poeten ihre ersten dichterischen Versuche, auch wohl Prosaaufsätze, verbreiteten. Schon zu jener Zeit hatte L. infolge verschiedener studentischer Zusammenkünfte und selbst wegen der harmlosen Monatsrosen Anstände mit der Polizei. Von 1820 bis 1824 betrieb L. in Graz das Studium der Rechtswissenschaft. Obgleich er eifrig studirte, sah er doch ein, daß die juristische Laufbahn ihn nicht befriedigen könne. Während seiner Studienzeit hatte er die Ferien zumeist im Oberlande der Steiermark zugebracht und das schöne Land durchwandert, die Eindrücke seiner Wanderungen aber häufig in Gedichten niedergelegt. Ebenso hegte er besonderes Interesse für die Geschichte seines heimathlichen Alpenlandes. Er hatte in der Folge den Plan aufgegeben, sich einem juristischen Lebensberufe zuzuwenden, obwohl er 1824 seine Studien vollendete und übernahm 1825 eine provisorische Lehrstelle am Gymnasium in Cilli, welche er 1826 mit einer solchen in Graz vertauschte. Schon war man übrigens auf die poetischen Bestrebungen des begabten jungen Mannes aufmerksam geworden, Novellen und Gedichte aus seiner Feder waren in verschiedenen Zeitschriften und in den damals üblichen Taschenbüchern bekannt geworden und seine 1825 erschienene Sammlung „Gedichte“ hatte die Beachtung aller litterarischen Kreise auf ihn gelenkt, namentlich auch jene der hervorragendsten Dichter und Schriftsteller in Wien. Von dem steiermärkischen Dichter und ständischen Verordneten Joh. R. v. Kelchberg hierzu aufgefordert, trat L. in den Dienst der steirischen Stände; er wurde zunächst zu Arbeiten im Archive und später zu Conceptsarbeiten verwendet, auch erschien er 1827 als Mitglied in die steirische Ständeversammlung eingeführt. Im J. 1835 war die Stelle eines zweiten Secretärs der steirischen Stände erledigt, und L. bewarb sich um dieselbe. Da er die Unterstützung hochangesehener Stände, darunter jene des berühmten Orientalisten Joseph Freiherr v. Hammer-Purgstall genoß und sein litterarischer Name schon höchst geachtet war, erhielt er diesen Posten 1836 und schon 1837 wurde er vom Landtage zum ersten Secretär der Stände gewählt, in welcher Stellung er bis 1854 verblieb, sodann nöthigte ihn sein Gesundheitszustand, in den Ruhestand zu treten. Während seiner Amtsführung hatte er Jahre lang das Amt eines Protokoll- und Schriftführers auf dem Landtage verwaltet und die schriftliche Ausarbeitung der wichtigsten gemeinnützigen Anträge, Gutachten, Beschwerdeschriften und Vorstellungen der Stände in den verschiedensten Landesangelegenheiten mit Geschick und Sachkenntniß besorgt. Verhältnißmäßig spät erst faßte L. den Entschluß, sich zu vermählen, und schloß mit Karoline Beyer im J. 1846 den Ehebund, der ein sehr froher und glücklicher zu werden versprach, da herzlichste Zuneigung beide Gatten einte. Leider sollte diese glückliche Ehe nicht lange währen, die geliebte Frau wurde leidend, und da er mit ihr 1854 eine Reise nach Italien unternahm, entriß dem Schmerzerfüllten gerade auf dieser Reise in Pisa der Tod die treue Lebensgefährtin. Er hat ihr in dem schönen Widmungsgedichte zur 2. Auflage der „Gedichte“ (1857), welche eigentlich ein vollständig neues Werk genannt werden kann, ein schönes [631] litterarisches Denkmal gesetzt. Nach dem Tode der Unvergeßlichen lebte der Alternde still und zurückgezogen in Graz, mit poetischen und historischen Arbeiten mancherlei Art beschäftigt und als Förderer der verschiedensten culturell-litterarischen Bestrebungen seines Heimathlandes.

Bevor dieser Thätigkeit noch ausführlicher gedacht wird, sei noch einer Zahl von Freunden erwähnt, mit denen schon in früher Zeit der Dichter in Verbindung getreten war und von denen viele zu den hervorragendsten österreichischen Geistesgrößen der späteren Tage gezählt werden. In Graz allerdings gab es zu jener Zeit kein allzu reges litterarisches Leben; aber L. hat daselbst mit dem jungen, begabten, leider allzufrüh gestorbenen Poeten Schröckinger schon in dessen Jünglingstagen verkehrt, dessen Gedichte, die nie gesammelt erschienen waren, beabsichtigte L. auch herauszugeben. Der schon genannte Professor Julius Schneller erkannte in L. das hervortretende Talent und förderte es durch seine anregende Gesellschaft, auch war L. ein gern gesehener Gast in dem Hause des Advocaten Pachler in Graz, welches einen Sammelplatz aller litterarischen und künstlerischen Persönlichkeiten der Stadt und namentlich geistig bedeutender durchreisender Fremden bildete. Dagegen zog es den litterarisch Strebsamen schon frühzeitig in die Residenz nach Wien, wohin er öfter die Reise unternahm. Dort war es das in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts gegründete sogenannte „silberne Kaffeehaus“ Neuner’s in der Plankengasse, wo alle hervorragenden Geistesgrößen der Residenzstadt zusammentrafen, auch die auf litterarischem oder künstlerischem Gebiete Thätigen aus der Provinz stets zusprachen und mit den Wienern in Verkehr traten. Daselbst lernte L. die Dichter Lenau, Halirsch, Bauernfeld, Herrmannsthal, Castelli, J. N. Vogl, Grillparzer und Frhr. v. Zedlitz, die Redacteure der ausgezeichneten Wiener Zeitschrift Schickh und später Witthaur und viele andere bald zu den Berühmtheiten zählende Männer kennen, mit deren vielen er in langjährigen Briefwechsel trat und deren manche er in der Folge zu vertrauteren Freunden zählen durfte. Besonders bemerkenswerth ist das Freundschaftsband, welches ihn mit Anastasius Grün, dem Grafen Ant. Alex. Auersperg, dem berühmten „Wiener Spaziergänger“, verband. Er verkehrte mit demselben vertraulich schon 1827, als Auersperg in Graz die Rechte studirte und sich als der jüngere gern an den älteren Freund anschloß, in dem er einen so begabten poetischen Gesinnungsgenossen erkannte. Bei dem damals in Graz engagirten späteren Wiener Hofschauspieler Karl Rettich, mit dem und dessen Gattin, der berühmten Tragödin Julie Rettich, L. auch im Hause Pachler’s oft zusammentraf, lasen die Freunde oft an Winterabenden Shakespeare mit vertheilten Rollen und führten Gespräche über das Gelesene und andere geistige Dinge. Graf Auersperg kam später, nachdem er seine Herrschaft Thurn am Hart in Krain übernommen, öfter auf der Durchreise in die Residenz nach Graz und besuchte den Freund L. dabei immer. Sowohl die „Blätter der Liebe“ als auch die Romanzen: „der letzte Ritter“ Anastasius Grün’s kamen gewissermaßen unter Leitner’s Augen zum Druck, „Der letzte Ritter“ entstand damals und Auersperg legte dem Freunde jedesmal das neu verfaßte Stück seiner Dichtung vor. Es entwickelte sich jener Briefwechsel zwischen den Freunden Auersperg und Leitner, welcher vom Jahre 1826 bis zum Todesjahre Anastasius Grün’s, 1876, währte und welchen der Verfasser dieser Zeilen in dem Wiener „Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft“, VI. Jahrgang 1896 mit den bezüglichen Erläuterungen versehen herausgegeben hat. Welche Aufmerksamkeit Auersperg der dichterischen Thätigkeit seines Freundes zuwandte, erweisen namentlich jene Schreiben, in denen Anastasius Grün das ihm vorgelegte Manuscript der 2. Auflage von Leitner’s Gedichten auf [632] dessen Ersuchen eingehender Prüfung unterzog und zu den meisten der Gedichte seine kritischen Bemerkungen machte, welche Freund L. aufmerksam beachtete und für den Druck nachher seine Aenderungen traf. Ein anderer Freund, mit dem L. in nähere Beziehungen getreten und bis zu dessen Tode im Briefwechsel gestanden, war der Dichter der „Bifolien“, J. G. Seidl, welcher von Wien im J. 1829 nach Cilli als Gymnasialprofessor gekommen und 1840 zum Custos am kais. Münz- und Antikencabinete ernannt, wieder in die Residenz zurückberufen worden war. Seidl gab u. a. von 1825 an das Taschenbuch „Aurora“ in Wien heraus und L. folgte gern der Aufforderung sich an diesem Almanach poetisch zu betheiligen. Als Seidl 1829 durch die Stadt Graz nach Cilli reiste, lernten sich die beiden Dichter persönlich kennen. Die Briefe Seidl’s an L. sind ebenfalls vom Verfasser vorliegender Biographie in der „Zeitschrift für die österr. Gymnasien“ Jahrg. 1893 in dem Aufsatze: „Johann Gabriel Seidl und Carl Gottfried R. v. Leitner“ zum Abdrucke gebracht worden. Besondere Aufmerksamkeit verdient auch der Verkehr, in den L. mit Grillparzer in Wien getreten war und den er, so oft er in die Residenz kam, besuchte, auch bei Tisch mit ihm öfter zusammentraf. Wenn Grillparzer bei Gelegenheit seiner Badereisen Graz berührte, unterließ er es nie, den von ihm hochgeschätzten L. ebenfalls aufzusuchen. Im „Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft“, IV. Jahrg. 1894, hat F. Ilwof einen Brief Grillparzer’s an L. vom J. 1832 veröffentlicht, in dem der Dichter der Ahnfrau die „Zuneigung und Werthschätzung“ betont, welche ihm Leitner’s schönes Talent immer eingeflößt hat“. Noch am Schlusse des Schreibens erwähnt Grillparzer neuerlich seiner Hochschätzung des steiermärkischen Poeten. Auch mit andern Wiener Freunden pflegte L. einen mehr oder weniger lebhaften litterarischen Briefwechsel. Von den Steiermärkern war ihm namentlich auch der Admonter Benedictiner und treffliche steiermärkische Historiker Albert von Muchar seit 1824 bis zu dessen Tode 1849 nahe befreundet.

In den vierziger Jahren und später suchte L. seine Erholung und die Erweiterung seines Gesichtskreises in verschiedenen Reisen, welche ihn durch die österreichischen Kronländer, durch Deutschland und die Schweiz, durch einen Theil Italiens und bis nach Belgien und London führten. Mit dem nahenden höheren Alter hat er allerdings diese Reisen in weitere Fernen aufgegeben. Für das culturelle und historische Leben seines Heimathlandes Steiermark war L. selbst während seines amtlichen Ruhestandes außerordentlich thätig. Insbesondere erregte er auch die Aufmerksamkeit des Erzherzogs Johann, des späteren deutschen Reichsverwesers. Dieser hatte schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts der Entwicklung Steiermarks seine besondere Beachtung zugewendet und 1811 das Joanneum, jene ausgezeichnete Lehranstalt, verbunden mit einer Bibliothek und wissenschaftlichen Sammlungen, in Graz begründet, die bald zu hohem Rufe gelangte. Der 1819 am Joanneum entstandene Leseverein gab durch seinen Ausschuß vom Jahre 1821 die sog. „Steiermärkische Zeitschrift“ heraus, welche bis 1848 erschien und eine Fundgrube der vortrefflichsten topographischen, historischen, botanischen und anderen Arbeiten über Steiermark auf wissenschaftlichen Gebieten aus den Federn der besten Kenner und Gelehrten bildet. L. war von 1834–1841 Mitglied des Redactionscomités dieser werthvollen Zeitschrift, in welcher er auch mehrere historische und topographische Arbeiten aus seiner Feder veröffentlichte. Sein historisches Interesse bekundete L. auch durch die Mitbegründung des historischen Vereins für Innerösterreich 1844, dessen Centraldirection aus tüchtigen Historikern bestand, unter denen auch sein Name sich befindet und dessen Protectorat Erzherzog Johann selbst übernommen hatte. Als sich aus diesem [633] Verein 1850 der historische Verein für Steiermark gebildet hatte, war L. fast 20 Jahre lang Mitglied des Ausschusses und entwickelte eine außerordentlich rege Thätigkeit für die heimathliche Forschung und deren Förderung, so daß ihn der Verein im J. 1869 durch Ernennung zum Ehrenmitgliede auszeichnete. Der geschäftliche Theil der jährlich herausgegebenen Mittheilungen des genannten Vereins enthält über die erwähnte Thätigkeit Leitner’s zahlreiche Einzelheiten, welche hier aufzuführen zu weitläufig erscheint. Im Jahre 1858 ernannte Erzherzog Johann den strebsamen Förderer der Kenntniß seines steirischen Heimathlandes L. zu einem der 3 Curatoren des Joanneums, als welcher er bis 1864 waltete.

Es ist selbstverständlich, daß C. G. R. v. Leitner zur Zeit der politischen Bewegung des Jahres 1848 fortschrittlich gesinnt war, er hielt nach seiner eigenen Angabe „zu der kleinen Reformpartei, die sich unter den immatrikulirten Landständen, zumal unter denen des Ritterstandes, gebildet hatte und dem Principe eines zeitgemäßen Fortschrittes und einer freisinnigen Staatsentwicklung zugethan war“. Die Permanenz des damals einberufenen außerordentlichen Landtages legte ihm große Anstrengungen auf und erschütterte auch Leitner’s Gesundheit. Mit großer Freude begrüßte er die Reichsverweserschaft des von ihm so hoch verehrten Erzherzogs Johann und tief beklagte er dessen so bald erfolgten Rücktritt. L. hatte Gelegenheit, dem Fürsten, welcher seit vielen Jahren seinen Wohnsitz in Graz inne hatte, persönlich nahe zu treten und auch Einblick in dessen eigene Tagebücher und Papiere zu erlangen und es entstand[WS 1] infolge dessen die bis heute beste und umfassendste Biographie des Erzherzogs Johann, welche L. für das große Werk „Ein treues Bild des Herzogthums Steiermark“ (Graz 1860) verfaßte, woselbst sie S. XI–XLVIII abgedruckt erscheint. Leider war Erzherzog Johann kurz vor dem Erscheinen in Graz aus der Welt geschieden.

Wenn auch scheinbar zurückgezogen, nahm L. doch weiterhin an allen sein Heimathland, den Staat, die Politik und Litteratur und das culturelle Leben betreffenden Fragen lebhaften Antheil. Auf seine Anregung war 1859 eine Filiale der deutschen Schillerstiftung in Graz entstanden, welche zunächst L. als Vorsitzender leitete, ebenso wurde er zum Vorstand des steiermärkischen Schriftstellervereins erwählt. Unter den Persönlichkeiten der neu auftauchenden Dichtergeneration, mit denen er verkehrte, befanden sich die Poeten Friedrich Marx, Fritz Pichler, Robert Hamerling, später auch Peter Rosegger, welche bei den festlichen Anlässen der Feier des 70. und 80. Geburtstages Leitner’s dem Gefeierten warm empfundene Festgedichte widmeten. Auch den Gelehrten Karl Weinhold und Karl v. Holtei zählte er zu seinen Freunden. Dem steiermärkischen, in und außer Oesterreich so hoch angesehenen Poeten sollte ein hohes Alter beschieden sein, Als im November 1870 sein 70. Geburtstag gefeiert wurde, brachten zahllose Freunde und Verehrer Leitner’s ihm ihre Glückwünsche dar, der Landeshauptmann von Steiermark, der rühmlichst bekannte Staatsmann M. v. Kaiserfeld, pries ihn in der von allen hervorragenden Persönlichkeiten besuchten Festversammlung in glänzender Festrede. Von seinem Monarchen wurde Leitner’s Bedeutung durch eine hohe Ordensauszeichnung anerkannt. Die Feier seines 80. Geburtstages bot Veranlassung zu womöglich noch größeren festlichen Veranstaltungen und Ehrungen des greisen Dichters. Adressen, Briefe, Telegramme liefen in zahlloser Menge ein, im Theater fand ihm zu Ehren eine Festvorstellung statt mit einem Prologe von R. Hamerling, die Universität Graz überreichte ihm das Ehrendoctordiplom der Philosophie. Im J. 1887 wurde L. von der Schillerstiftung zum Ehrenmitglied ernannt. Noch war ihm eine Zahl von Lebensjahren gegönnt, er [634] trat im November 1889 in sein 90. Lebensjahr; mit Rücksicht auf sein hohes Alter wurde von geräuschvollen Kundgebungen abgesehen, aber Rosegger überreichte ihm eine mit den Unterschriften vieler hervorragender Männer und Freunde gezeichnete Glückwunschadresse. L. war nie längere Zeit krank, aber am 17. Juni 1890 ergriff ihn eine Lungenentzündung, welcher der greise Dichter schon am 20. desselben Monats erlag. Die Stadt Graz, das Land Steiermark, alle deutschen Kreise Oesterreichs und alle Verehrer der deutschen Poesie Beklagten den Tod dieses edlen Poeten und trefflichen Patrioten. Bis zu seinen letzten Lebenstagen war L. poetisch thätig gewesen, noch wenige Tage vor seinem Tode hat er sein letztes Gedicht verfaßt. Eine ungedruckte Sammlung „Zeitgedichte“ aus seinem Nachlaß zeigt uns wie er sich an allen namentlich das deutsche Volk berührenden Fragen mit Herz und Sinn betheiligte, wie er mit Begeisterung an allen Erfolgen theilnahm, welche die Deutschen, zumal in Oesterreich, erzielten, wie bitter ihn die Unterdrückung derselben und manche Mißerfolge betrübten. L. ist, wie ein gelehrter Litterarhistoriker (A. Schönbach) bemerkt, „ein Oesterreicher in allen Fasern seines Wesens“ – „Aber er weiß dabei doch auch, daß er ein Deutscher ist, er empfindet sich als Angehörigen des einen großen deutschen Volkes und, wie bei vielen seiner Landsleute, ist dieses Bewußtsein mit den späteren Jahren immer klarer und deutlicher geworden und hat er es immer bestimmter ausgesprochen“, er verkündet „das Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich zu einer Zeit voraus, wo nur wenige den Glauben daran zu fassen vermochten“.

Einer eigenthümlichen Richtung von Leitner’s Seelenleben ist noch zu gedenken, welche bisher in keiner seiner Biographien berührt war, aber doch eine gewisse Aufmerksamkeit verdient. Es ist dies der Hang zu theosophisch-spiritistischen Beobachtungen und Bestrebungen, welcher sich in dem Dichter durch die Freundschaft mit einem Landsmanne ausbildete. Dieser Landsmann Jakob Lorber war ein ausgezeichneter Musiker und Virtuose, welchen L. in den Wiener Jahren kennen lernte und welcher in thatsächlich unbegreiflicher Weise eine ganze Reihe von theosophischen Werken geschaffen, die Lorber, einer angeblich übernatürlichen Stimme folgend, niederschrieb oder niederschreiben ließ, wobei L., der sein ganzes Vertrauen gewann, vielfach selbst als Niederschreiber der merkwürdigen Offenbarungen fungirte. Lorber selbst starb im Frühjahr 1864, noch zuvor hatte er erklärt er wüßte, daß er das Jahr 1865 nicht erleben würde. Der Componist Anselm Hüttenbrenner, ein alter Freund Leitner’s, hatte vielfach die spiritistisch-theosophische Thätigkeit Lorber’s mit beobachtet und ebenso wenig wie L. selbst für die angeblich von einem höheren Geiste eingegebenen theosophischen Aeußerungen Lorber’s eine Erklärung gefunden. Diese liegen in 17 starken Bänden auch im Drucke vor, den solch geheimnißvolles Wesen fördernde Vereine unterstützten. Die Correctur dieser eigenartigen „Sammlung neuer theosophischer Schriften Lorbers“ besorgte zumeist ebenfalls L. Den Inhalt mögen die Titel einiger dieser Bücher andeuten: „Die Jugendgeschichte unseres Herrn“ (1869); „Das Evangelium St. Johannis“ und „Das große Evangelium Johannes“, 5 Bde. (1871–75); „Geschichte der Urschöpfung der Geister- und Sinnenwelt“ (1882). L. hat eine umfassende Biographie „Jakob Lorber’s“ selbst verfaßt, welche das merkwürdige Geistesleben dieses seltsamen Mannes und die Beziehungen desselben zu L. darlegt.

Bevor noch der eigentlichen poetischen Thätigkeit Leitner’s gedacht wird, sei auf die topographischen, historischen und biographischen Aufsätze hingewiesen, welche er in der „Steyermärkischen Zeitschrift“, in den „Mittheilungen des [635] historischen Vereins für Steiermark“ und an anderen Orten veröffentlichte. Hierher gehören: „Die Seen bei Aussee“, „Die Heimführung der Herzogin Maria von Baiern durch den Erzherzog Karl in Grätz“, „Ueber den Einfluß der Landstände auf die Bildung in Steiermark“, „Die Erbhuldigung im Herzogthum Steiermark“, ferner die Biographien: „Carl Theodor Graf von Schönborn-Buchheim“, „Matthias Anker“, „Dr. Josef Wartinger“, „Dr. Georg Göth“. Wie den genannten, namentlich um Steiermark hochverdienten Persönlichkeiten, so hat L. auch seinem alten Freunde, dem schon genannten vortrefflichen Componisten Anselm Hüttenbrenner, in der Biographie desselben, die zuerst in der Grazer „Tagespost“ vom Jahre 1868 erschienen war, ein Denkmal gesetzt.

Von dramatischen Dichtungen Leitner’s sind außer seinem Festspiel zur Eröffnung des neuen Schauspielhauses in Graz: „Styria und die Kunst“ zu nennen, das in die nordische Vorzeit verlegte Trauerspiel in 5 Aufzügen: „König Tordo“ (1830 in Graz beifällig aufgeführt, Bruchstücke davon abgedruckt in der „Steyermärkischen Zeitschrift“ 1833), ein Trauerspiel „Der Richter von Galway“, das sich in seinem Nachlasse vorfand, und der Text zu der von A. Hüttenbrenner componirten Oper „Leonore“, welcher sich in der Haupthandlung an Bürger’s Ballade anlehnt und die 1835 ebenfalls in Graz zur Aufführung gelangte. – Von dichterischen Schöpfungen Leitner’s, die nicht ohne Kunstwerth erscheinen, seien zunächst seine erzählenden und novellistischen Stücke angeführt. Schon 1820 hat er die Reihe derselben mit der Novelle: „Die Entdeckung der Chinarinde“ in der „Wiener Zeitschrift“ eröffnet und seitdem verschiedene novellistische Arbeiten in späteren Jahrgängen derselben Zeitschrift, in verschiedenen Wiener Taschenbüchern, in Hock’s „Jugendfreund“ und an anderen Orten veröffentlicht. Aber erst in der 1880 herausgegebenen Sammlung „Novellen und Gedichte“ wurden von Leitner’s Novellen die ihm am bemerkenswerthesten erscheinenden zusammengestellt. Sie weisen eine schlichte, einfache, aber eben dadurch wirksame Erzählungsweise auf, ein ruhiges Fortschreiten der wohldurchdachten Handlung und ein feines künstlerisches Gefüge. Allerdings wählt der Dichter zumeist düstere, oft geradezu schauerliche Stoffe für seine erzählende Darstellung, weiß aber gerade dadurch oft den Eindruck der heutzutage so erwünschten Realistik zu erzielen. Seine novellistische Thätigkeit hatte L. schon zu Anfang der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts eingestellt. Als er 1827 einen Band Novellen veröffentlichen wollte, wurde diese Veröffentlichung durch das alberne Walten der Wiener Censur vereitelt. Gerade wie Grillparzer verbittert und entmuthigt ließ der Dichter längere Zeit die Feder ruhen und hatte längere Jahre hindurch keine größere Veröffentlichung mehr gewagt. Auch an ihm erwies sich der geistesmordende Einfluß der damaligen unglückseligen österreichischen Censurverhältnisse, über welche er sich selbst bitter in der von ihm auf Ersuchen für Goedeke’s „Grundriß“ (1. Auflage) verfaßten selbstbiographischen Skizze beklagt. (Goedeke, Grundriß der deutschen Dichtung, III. Bd., 1881, S. 998.)

Die bemerkenswertheste Thätigkeit entfaltete L. auf dem Gebiete der Lyrik, der Ballade und kleineren erzählenden Dichtung, in welcher Richtung er denn auch den hervorragendsten deutsch-österreichischen Poeten seiner Zeit gleichzustellen ist, als Lieder- und Balladendichter ist er unbedingt über seinen Freund Anastasius Grün zu setzen, wenn dieser auch in anderer Beziehung, zumal auf dem Felde der politischen Lyrik und der umfangreicheren Epik, den bedächtigeren L. überflügelt. Schon mit 16 und 17 Jahren hat L. Gedichte verfaßt, die sich handschriftlich als „Jugendgedichte“ in seinem Nachlaß erhalten [636] haben und bei erklärlicher Unreife der Form einen überraschenden Einblick in das poetische Leben und Weben des Jünglings verrathen. Leitner’s erstes gedrucktes Gedicht „Weiß und Grün“ ist in der bescheidenen Grazer Zeitschrift „Der Aufmerksame“ von 1819 veröffentlicht und erweist in dieser Verherrlichung der Landesfarben seines Heimathlandes Steiermark schon die Liebe zu demselben, welche seitdem in vielen seiner Lieder und auch in manchen Balladen hervortritt, deren Stoffe der steiermärkischen Geschichte entnommen sind. Vom Anfang der zwanziger Jahre finden sich zahlreiche Gedichte Leitner’s veröffentlicht in der schon genannten „Wiener Zeitschrift“, in den Wiener Taschenbüchern „Aurora“ (vom Freunde J. G. Seidl herausgegeben), „Vesta“, „Der Freund des schönen Geschlechtes“, „Huldigung den Frauen“ sowie in anderen der hervorragendsten schönwissenschaftlichen Zeitschriften jener Tage. Die erste Sammlung von Leitner’s „Gedichten“ erschien 1825 in Wien. – Viele Jahre darnach erst, nachdem der Dichter die angedeuteten schweren litterarischen Hemnisse durchgemacht und sein Name fast vergessen worden war, erschien die 2. vermehrte Auflage „Gedichte“ (Hannover 1857), welche wohl den vierfachen Inhalt der ersten aufweist, also ein ganz neues Buch genannt werden kann. Mit 70 Jahren gab L. neue Gedichte, die „Herbstblumen“ (Stuttgart 1870) heraus und 1880 folgten die schon oben erwähnten „Novellen und Gedichte“, das letzte gedruckte poetische Buch des greisen Dichters. Die späteren übrigen ebenfalls in Zeitschriften und namentlich in dem Wiener litterarischen Jahrbuche „Die Dioskuren“ veröffentlichten Gedichte nebst den noch ungedruckten hat L. in einem handschriftlichen Bande: „Zeitgedichte“ zusammengestellt, welcher sich in des Dichters Nachlasse vorfand.

Wie schon angedeutet, erscheint Leitner’s poetische Thätigkeit als eine nach zwei Richtungen ausgeprägte, er zeigt sich als vortrefflicher Lyriker und als ausgezeichneter Bearbeiter der Ballade, Romanze und ähnlicher erzählender Gedichte. Seine Lieder sind schlicht und einfach, sie bieten in metrisch tadelloser Form Natur- oder Stimmungsbilder, welche die Seele des Lesers rühren und in die milde sanfte Stimmung versetzen, die L. durch seine Verse so gut hervorzuzaubern weiß, sei es, daß er die schöne Sommernacht schildert, den Gemsjäger sein Lied hinaussingen läßt, selbst ein Morgenlied anstimmt, den Alpenwanderer durch die Berge begleitet, die Waldrose bewundert oder, ein echter Romantiker, des Klausners Wallfahrt besingt, uns die „Lieder des Einsiedels“ vermittelt oder „des Malers Klage“ um seine gestorbene Geliebte rührend ertönen läßt. Seinem Heimathsgefühle entsprechen die kräftigen Strophen, die er „dem steiermärkischen Eisen zum Geleite“ mitgibt, die er „beim steiermärkischen Weine“ anstimmt, oder die sehnsuchtsvollen Verse, die er an „die Linde zu Rothenfels“ richtet, seiner schönen Jugendzeit in dem Schlosse gedenkend. Und dann sind es wieder die Lieder der Liebe, mit denen in zarten, süßen Tönen der Poet unser Gemüth zu ergreifen versteht. Die älteren derselben stammen noch aus des Dichters Jugendzeit. Aber auch in diesen Strophen geht er seine eigenen Wege, ohne Nachahmer zu sein. In den verschiedenartigsten Strophenformen begrüßt er die Geliebte und vereinigt seine Freude an der Schönheit der Natur mit dem Preise derjenigen, die er in sein Herz geschlossen hat und von der er zuletzt „auf immer“ hat scheiden müssen. Wehmuthsvolle Klänge widmet er in viel spätrer Zeit der ihm nach kurzem Glücke durch den Tod entrissenen Gattin noch in den Widmungsstrophen zu den „Herbstblumen“ und zumal in dem rührenden Cyklus: „In Pisa“. L. kleidet ernste Gedanken in die Form des Sonetts („Der alte Gott“ – „Der Ungläubige“ – „Der Menschengeist“), bietet zierliche kleine Stücke anmuthiger Spruchpoesie und selbst in den Gelegenheitsdichtungen („An Erzherzog [637] Johann“ – „Den deutschen Naturforschern“ – „Für das Schiller-Album“) macht sich in wohlgeformten Versen des Dichters Gedankenreichthum geltend.

Den besten deutschen Balladendichtern aber schließt sich L. in seinen erzählenden Dichtungen, in den Romanzen und Balladen an. Daß ihm hier Uhland sein Vorbild gewesen, steht außer Zweifel, mitunter wählt er auch dessen beliebte Nibelungenstrophenform, wie z. B. in „Herzog Inguo’s Mahl“, „Des Harfners Meisterspruch“. Und er versteht auch seines Vorbildes knappe und klare Darstellung, welche sowol die äußere Handlung als auch die Seelenvorgänge in wenigen Strophen dem Leser vorzuführen weiß. Die Stoffe zu seinen Balladen entnimmt L. häufig der Geschichte und Sage, wie schon erwähnt, namentlich seiner engeren und weiteren österreichischen Heimath. Aber auch auf die nordische Sage und Geschichte greift er zurück und gerade auf diesem Gebiete zählen einige Stücke zu seinen allerbesten, wie etwa „König Hackon’s letzte Meerfahrt“, „Der Thurm von Coyth“ oder sein berühmtes „Der Herr des Meeres“, in welchem der Refrain „Und laut erbrausen die Wogen“ einen so wirkungsvollen Gegensatz zu dem stolz auftretenden Könige bildet, welcher dem stürmischen Meere gebieten zu können glaubt und zuletzt seine Ohnmacht einsieht. Von den Balladen seien noch besonders als prächtig gezeichnete historische Bilder voll Leben und Handlung angeführt: „Ulrich von Lichtenstein“, „Ritter Weißeneck“, „Diez von Schweinburg“, „Die Hunde von Kuenring“ u. s. w. Auch Sagen und Legenden in schöner poetischer Bearbeitung, deren Stoffe meist dem Alpenlande entnommen, sind in dieser Gruppe von Leitner’s Dichtungen vertreten. Die frei erfundenen erzählenden Dichtungen, deren sich nicht minder zahlreiche in des Dichters Sammlungen finden, weisen ebenfalls reiche Vorzüge des poetischen Erzählers auf. Unter diesen Stücken verdient die rührende Erzählung: „Die Sennerin von Kaiserau“ („Herbstblumen“) die höchste Beachtung. Leitner’s Spannkraft inbezug auf solche Dichtungen hat durchaus auch in seinem hohen Alter nicht nachgelassen, selbst jene, die er schon in den achtziger Jahren verfaßt, sind von großer Wirkung und Anschaulichkeit. Und so gilt denn der Ausspruch Gustav Schwab’s aus früherer Zeit auch für die späteren der Dichtungen Leitner’s: „daß dieser Dichter einen hohen Grad von Erfindungsgabe hat und die Eigenschaft, auch das Alltägliche poetisch zu verklären, jedes Körnlein Sand in ein Körnlein Gold verwandeln zu können“. – Ein vortrefflicher Beweis für den poetischen Werth und die Formschönheit der Lieder und Gedichte sind wol die zahlreichen Compositionen, welche denselben von hervorragenden Componisten zu Theil wurden. So hat namentlich Franz Schubert verschiedene der älteren Stücke vertont, aber auch Franz Lachner, Siegm. Thalberg, Conradin Kreutzer, Albert Stadler u. A. m. Die meisten dieser Compositionen verdanken wir dem alten Freunde Leitner’s Anselm Hüttenbrenner.

Auf den Nachlaß des Dichters wurde schon in obiger Darstellung mehrfach hingewiesen. Derselbe enthält auch noch Entwürfe oder theilweise ausgearbeitete Scenen verschiedener Dramen wie „Friedrich der Streitbare“, „Johann Huß“, „Ladislaus Hunyadi“ u. s. w., sowie auch Novellen, Märchen und ungedruckte Gedichte. L. hatte die Absicht die Dichtungen des jung verstorbenen Dichters Karl Schröckinger, eines beachtenswerthen Talentes, herauszugeben. Auch dieses Manuscript findet sich in den hinterlassenen Papieren. – Anläßlich des hundertjährigen Geburtstages des Dichters wurde demselben im Landhause zu Graz eine Gedenktafel mit dem überaus ähnlichen Reliefbilde von Hans Brandstetter errichtet, ein Erinnerungsmal, welches ihm der steiermärkische Landesausschuß im Namen des Heimathlandes gewidmet hat. [638] Aber auch einer sehr beschämenden Thatsache muß hier gedacht werden. Die Bände von Leitner’s Gedichten erscheinen seit Jahren vollständig im Buchhandel vergriffen, selbst im Antiquarhandel ist kaum mehr einer derselben erhältlich. Der Verfasser dieser Zeilen, in dessen Händen sich der Nachlaß des Dichters vollständig befindet, hatte es sich zur Aufgabe gesetzt, eine Ausgabe der wichtigsten Werke Leitner’s, namentlich eine Gesammtausgabe der Gedichte mit Einbeziehung des Nachlasses zu veranstalten. Diese Gedichtsammlung liegt als Manuscript, in vielen Stücken von L. selbst verbessert, da er noch kurz vor seinem Tode an die Herausgabe dachte, druckfertig vor. Sie zeigt in ihrer Gesammtheit, durch alle Nachlaßgedichte ergänzt, die reiche Fülle edelster poetischer Gaben, welche einer der angesehensten Dichter des 19. Jahrhunderts dem Verehrer deutscher Poesie geboten. Aber bis heute ist es nicht gelungen, einen Verleger wenigstens für diese Sammlung vornehmer Gedichte zu gewinnen, die unsern Dichter dem deutschen Volke ganz und gar bekannt machen soll. Was er geschaffen würde diesem Volke, und zumal der neuen Generation desselben, erst klar werden und namentlich auch was er Schönes und Bedeutendes in jenen Dichtungen geschaffen, die bisher noch gar nicht an die Oeffentlichkeit gekommen und die mit in die geplante Gesammtausgabe der Gedichte einbezogen sind.

Als beste Quelle für die Biographie Leitner’s dient natürlich der erwähnte in den Händen des Verfassers befindliche Nachlaß sowie die ebenfalls vorliegenden Briefe des Dichters an Freunde und Verwandte. In diesem Nachlasse finden sich prosaische und poetische Stücke in mannichfaltigen Umarbeitungen, dramatische und andere Entwürfe, auch Tagebuchaufzeichnungen und Aehnliches, insbesondere aber fast alle an den Poeten gerichteten Briefe, die er von der ältesten Zeit an gesammelt. So die Briefe von Gust. Schwab, Just. Kerner, Anastasius Grün, J. G. Seidl und von vielen anderen bedeutenden Zeitgenossen. – Welche Beachtung L. verdient, erweisen die Ausführungen in Wurzbach’s Biogr. Lexik., XIV. Bd. Wien 1865, die oben citirte Biographie in Goedeke’s Grundriß (1. Aufl., III, 2), die Essays über Leitner von A. E. Schönbach in dessen „Gesammelte Aufsätze zur neueren Litteratur“ (Graz 1900) und von R. M. Werner in „Vollendete und Ringende“ (Minden 1900) sowie das Lebens- und Litteraturbild Leitner’s, welches C. v. Wurzbach schon im Album österreichischer Dichter N. F. (Wien 1858) veröffentlicht hat. – Zu vergleichen wäre ferner: Oesterreichische National-Encyklopädie (Wien 1835), VI. Bd. Supplem. – Seydlitz, Die Poesie und die Poeten in Oesterreich (Grimma 1837). – Minckwitz, Neuhochdeutscher Parnaß (Leipzig 1861). – Schütze, Deutschlands Dichter und Schriftsteller (Berlin 1862). – Hub, Deutschlands Balladendichter (Karlsruhe 1865). – Kehrein, Biographisch-litterarisches Lexikon (Stuttgart 1869). – Brümmer’s Deutsches Dichterlexikon (Eichstätt 1875) und dessen Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten bis Ende des 18. Jahrhunderts (Leipzig 1884). – Hans Grasberger’s: Carl Gottfried R. v. Leitner, im Wiener Tagesblatt „Die Presse“, Jahrg. 1880, Nr. 318. – C. W. Gawalowski’s Aufsätze in dem litterar. Jahrbuch „Die Dioskuren“ (Wien 1891) und im „Heimgarten“ (Graz 1901, Aprilheft). – Mehr oder weniger eingehend gewürdigt erscheint L. auch in Gottschall’s Geschichte der deutschen Nat.-Literatur des 19. Jahrh., 3. Aufl. und alle folgenden Auflagen (Breslau 1872 ff.), in H. Kurz’ Geschichte der deutschen Litteratur, 4. Bd. (Leipzig 1872) sowie in mehreren anderen der neueren Litteraturgeschichten. – Auch Rosegger hat in „Gute Kameraden“ (Wien 1893) ausführlich des Dichters gedacht, Goldschreiber ihm ein eignes [639] Buch: „Carl Gottfried R. v. Leitner“ (Graz 1880) und Franz Ilwof ihm in den „Mittheilungen des hist. Vereins f. Steiermark“ (41. Heft, 1893) ein umfassendes, viel Neues enthaltendes Lebensbild gewidmet. – Vom Verfasser vorliegender Biographie liegen biographisch-litterarische Arbeiten über Leitner vor in der Zeitschrift „Die Heimath“ (Wien) 1881, Nr. 6, „Hundert Jahre deutscher Dichtung in Steiermark“ (Wien 1893), in den Aufsätzen: „Aus dem Nachlasse C. G. R. v. Leitner’s“ in der „Neuen Fr. Presse“, Wien, vom 29. Juli 1900, Nr. 12 906; „Der Gedenktag eines österreichischen Dichters“ in der „K. k. Wiener Zeitung“ vom 20. Juni 1900 Nr. 139, in Feuilletons der Grazer „Tagespost“ vom 19. Juni 1900 Nr. 166 und vom 17. Nov. 1900 Nr. 317 und an anderer Stelle.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: enstand